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Alt 08.01.2014, 14:49   #1
Walther
Gelegenheitsdichter
 
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Drei Seelenlieder – Sonett Triptychon


I. Aufruf und Begütigung

Als Gegensprech* setzt du dein Lied auf eine Karte:
Du spielst sie, gehst dabei das volle Risiko,
Wenn du verlörst, wär es das schlimmste Waterloo,
Das sich mit Hiroshima** und Pearl Harbour paarte.

Du singst und sprichst und lallst und bleibst inkognito,
Dein Formenreichtum sprengt das Genre wie die Sparte.
Man könnte beinah meinen, dass man dessen harrte,
Dass einer für das Gute brannte lichterloh:

Doch deine Worte waren Stille, fassten Seelen
Am tiefsten Punkt, dort wo sie in sich tragend ruhen.
Du figurierst das Hoffen, gehst in großen Schuhen.

Die Tritte wühlen auf, als sie vom Tanz erzählen.
Dein Lied geht in die Stadt, verheißt ein Innehalten,
Es streichelt auch das Land, begütigt die Gewalten.

* Das Wort „Gegensprech“ stammt aus Gerhard Falkner Gegensprechstadt - ground zero -Gedicht und CD Kookbooks Verlag, Idstein 2005, ISBN 9783937445144
** Betonung von Hiroshima: http://de.wiktionary.org/wiki/Hiroshima, also Hiroshima oder Hiroshima



II. Gesang für Trauernde


Ein Raunen wird die Felder und die Wälder füllen,
Ein Lauschen, das die Nachricht in sich nachempfindet,
Wenn es Gedankenströme, gleiches Denken findet,
Und in der Stille ist es lauter als ein Brüllen.

Du schaffst, dass Böses einen Augenblick erblindet,
Dass alle Schwäche Stärke wird. Du lehrst das Fühlen
Und störst die auf, die schweigen, um sie aufzuwühlen:
Bis auch die größte Angst versiegt und dann verschwindet.

Du möchtest heilen, und die Heiler sind‘s, die wissen,
Dass es die Seelen sind, die Sterbende vermissen,
Die lernen müssen, ihre Trauer zu vernarben.

Dein Schweigen, so beredt, hat Mauern eingerissen,
Den Schmerzensreichen ist es weiches Ruhekissen.
Denn selig sind, die vorher leben und verstarben.


III. Generationenlied ans Leben

Du singst und sprichst als Widerpart die großen Lieder,
Die reinigen und ölen, klammern und vernähen.
Auch wenn die Schnitter in die Menschenreihen mähen,
Gibt es Geburt, und alle Freuden kommen wieder.

Die Verse sollen das Verständnis in sie säen,
Dass Leben formt die Endloskette aller Glieder,
Dass jeden Sommer blüht die Rose und der Flieder,
Wenn sie die Augen öffneten und wirklich sähen.

Du würdest dich als Friedenskrieger siegreich schlagen!
Beginne mit den Antworten, vergiss die Fragen,
Die man sich stellt, wenn Sinn und Glaube sind verloren.

Dein Lied geht in die Stadt, verheißt ein Innehalten,
Es streichelt auch das Land, begütigt die Gewalten.
Die Liebe wird im Lied als Heilung neu geboren.
__________________
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Geändert von Walther (21.01.2014 um 12:26 Uhr) Grund: verschiedene verbesserungen
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Alt 09.01.2014, 16:33   #2
Erich Kykal
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Hi, Walther!

1. Sonett:

Interessanter Einstieg, den Wortteil "Gegensprech" von "Gegensprechanlage" sozusagen zu personifizieren und jemanden so zu bezeichnen.
Die Sonette ist auch dahingehend ungewöhnlich, da sie alle 6-hebige Zeilen aufweisen, aber es liest sich durchaus angenehm so.

S2Z3 - Zwischen "gewartet" und "als" fehlt ein Heber! Zu beheben wäre es so: "es ist, als hätte man gewartet, ja, als ob man harrte,"

S2Z4 - ist mit deren 7 leider um einen Heber zu lang. Besser: "Dass einer für das Gute brannte lichterloh."


2. Sonett:

S2Z1 - Auch hier haben wir sieben Heber! Alternative: "Du machst, dass Böses für den Augenblick erblindet," oder
"Du schaffst es, dass das Böse momentan erblindet,"

S4Z1 - Ebenfalls 7 Heber. Möglichkeit: Einfach das "alle" streichen!


3. Sonett:

Keine Heberfehler, aber ein paar weniger elegante Inversionen! (S2Z2, S2Z3, S3Z3) Viele stören sich nicht daran, aber ich mag sie nicht. Sie wirken bestenfalls wie "ich konnte es nicht besser!", schlimmstenfalls geziert und geschraubt.


Abgesehen von den monierten Kleinigkeiten drei wunderschöne Sonette von großer Sprachkraft, in manchen Bereichen vielleicht sogar schon zu überhöht, was Inhalt und Konstruktion angeht: Manche Stellen muss man schon mehrmals lesen, um zu verstehen, was oder wie es gemeint sein könnte. (Oder mein geistiger Biorhythmus ist heute nicht gut drauf - das kann auch sein!)

Sehr gern gelesen und beklugfummelt!

LG, eKy
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Wer Gebete spricht, glaubt an Götter - wer aber Gedichte schreibt, glaubt an Menschen!
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Alt 09.01.2014, 17:07   #3
Walther
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lb eky,

1000 dank für deine hilfreichen hinweise. diese und andere habe ich - etwas umgearbeitet - oben eingebaut. ich hoffe, daß die meisten bugs jetzt beseitigt sind.

es freut mich, daß dir die drei sonette, die eng miteinander verknüpft sind, spaß machen. ich habe das gryphius-versmaß, also den sechshebigen jambus, verwandt. die sonette sind ja durchaus in der melodie des barocks lesbar, daher auch bewußt im ausdruck ein wenig emphatisch gehalten.

du hast mir sehr geholfen!

lg w.
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