10.04.2010, 23:37 | #1 |
Lyrische Emotion
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Toter Soldat
Toter Soldat
In Schwarz-Rot-Gold fein eingehüllt stehst du bereit zum letzten Gang, der Kirchensaal ist dumpf erfüllt von Trauer und von Glockenklang. Du bist zwar jetzt ein großer Held, doch fragt sich, was dir das noch nützt, denn wenn ein Mann im Kampfe fällt, wird er von keinem Staat beschützt. Der hat sich vor dem Tod verneigt, im Leben war er niemals hier, doch deine Leiche liegt und schweigt, wie deine Freunde neben dir. Du kämpftest für das Vaterland, so redeten es sie dir ein, weil es sich nicht im Krieg befand und niemand will jetzt schuldig sein. Man schickte ohne jeden Plan, bevor man sich in Unschuld wusch, Soldaten nach Afghanistan zum Sterben an den Hindukusch. Falderwald . .. .
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Oh, dass ich große Laster säh', Verbrechen, blutig kolossal, nur diese satte Tugend nicht und zahlungsfähige Moral. (Heinrich Heine) Für alle meine Texte gilt: © Falderwald --> --> --> --> --> Wichtig: Tipps zur Software |
11.04.2010, 22:22 | #2 |
Slawische Seele
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Lieber Faldi,
die Nachrichten selbst machten bereits betroffen - dein Gedicht jedoch bewirkt noch mehr. Du sprichst mit bildreichen Strophen die gemischten Gefühle an und triffst den Nerv unserer neuen Zeit. Auf der einen Seite "feiern" wir für Deutschland 60 Jahre Frieden und tragen zugleich tote Soldaten "feierlich" zu Grabe. Ich bleibe jedoch beim Gedicht, das den gesamten Irrsinn beinhaltet und die große Wut "ausbremst" aus Achtung vor den Betroffenen und ihren Familien. Beim Lesen kommen diese Gefühle stark durch. Ein ernstes und am Thema sehr gut umgesetztes Werk, das ich zu deinen besten zähle. Die Strophen hallen lange nach und Angst steigt auf - was kommt noch? Liebe Grüße Dana
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Ich kann meine Träume nicht fristlos entlassen,
ich schulde ihnen noch mein Leben. (Frederike Frei) |
12.04.2010, 01:08 | #3 |
Erfahrener Eiland-Dichter
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hi faldi,,
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© Bilder by ginton Ich fühle, also bin ich! Alles, was einmal war, ist immer noch, nur in einer anderen Form. (Hopi) nichts bleibt, nichts ist abgeschlossen und nichts ist perfekt... (Wabi-Sabi)
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15.04.2010, 00:13 | #4 |
ADäquat
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Lieber Faldi,
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19.04.2010, 10:07 | #5 |
Erfahrener Eiland-Dichter
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Hey Faldi,
ich kann mich meinen Vorrednern nur anschließen. Was mir am besten gefällt, ist die Tatsache, dass der Dichter Falderwald am Leben teilnimmt in all seiner Konsequenz - eben auch der Ungerechtigkeit im Leben und das mit seinen Stilmitteln zum Ausdruck bringt. Ein Dichter kann nicht die Welt verändern aber er kann dem Aufschrei des Entsetzens eine Stimme verleihen. Du hast dem Pathos Gesülze dein Il Silenzio geblasen. Gruß vom Hans
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chorch chorch |
27.04.2010, 20:04 | #6 |
Lyrische Emotion
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Liebe Dana,
ja, ich war auch tief betroffen von den Nachrichten und anfangs machte es mich sprachlos. Ich frage mich nur, was in diesem Land dort erreicht werden soll. Der Widerstand wird nicht aufgeben und es besteht kaum Aussicht auf Erfolg, das Volk komplett auf die Seite der dortigen Regierung oder der alliierten Streitkräfte zu ziehen. Und die Amerikaner wollen angeblich in 2011 dort abziehen. Und dann? Ich danke dir für das schöne Lob. .. . Hi gin, du hast sehr recht mit deinen Ausführungen. Auch stimme ich dir bei der Freiwilligkeit der Soldaten zu und ich denke, das waren auch ganz besonders gut ausgebildete Männer, jedoch ist die Frage nach der Schuld allgemeiner zu sehen. Ich meine, wir befinden uns schließlich im 21. Jahrhundert und da ist es nicht möglich, Konflikte anders auszutragen? Wir lehren unsere Kinder in den Schulen Gewaltlosigkeit. Das ist sogar das oberste Gebot, mischen aber in einem Konflikt mit, der uns nichts angeht. Und dafür werden Menschen geopfert. Ist es das wert, frage ich mich... Liebe Chavali, genau, dieses Gedicht spricht klar aus, was viele Menschen denken. Die Idee, es anderweitig zu verwenden, ist gut, was glaubst du, was ich alles versucht habe. Bis an den deutschen Bundestag habe ich es geschickt, doch niemand hat geantwortet. Bei "Welt online" ist es immer wieder aus den Kommentarbloggs gelöscht worden. Keiner wollte es haben. Nur der Ratzeburger Markt hat sich getraut und dafür möchte ich Herrn Anders an dieser Stelle meinen Dank aussprechen. Die besaßen den nötigen Schneid... Vielen Dank für das anerkennende Lob... Hey Hans, auch deine Antwort empfinde ich als zustimmendes Lob. Man kann alle Traurigkeit schönreden, sie ausschmücken und daran teilnehmen, aber es bleibt eine Tatsache, daß es sich um eine graue Wahrheit handelt, an der es nichts zu beschönigen gibt. Du hast Recht. Der Dichter kann wenigstens ein bisschen aufschreien... Moin Limes, ich weiß aus alten Diskussionen, daß du das alles ein wenig realistischer siehst. Dagegen ist auch gar nichts einzuwenden. Aber ich klage hier mit diesem Text niemanden an und ich mache mich ganz sicherlich auch nicht lustig über die Gefallenen. Ich beklage diese Situation im Allgemeinen. Du schreibst es ja selbst schon, im Jahre 2010 gehören bewaffnete Konflikte leider immer noch zum Alltag. Aber ist das nicht traurig? Könnte diese Welt nicht eigentlich viel besser auf so etwas verzichten? Zum Thema Helden: Mein LI sprach in diesem Text einen toten Soldaten an. Wen, kann sich der Leser aussuchen und seine Freunde wurden auch erwähnt, es sollte klar sein, daß auch sie Helden sind. Damit schließe ich alle bisher gefallenen Soldaten ein. Mir geht es auch hier nicht um die Definition des Begriffs "Held", das war schon ehrlich gemeint, doch die Frage ist immer, was nützt es einem Toten, ein Held zu sein? Mehr war damit nicht gemeint. Strophe vier erklärt dann aber, warum es richtige Helden waren. Sie waren davon überzeugt, das Richtige zu tun. Diese Überzeugung zu hinterfragen, weil sie von einem Außenstehenden schwer zu verstehen ist, sollte erlaubt sein, weil sich eben unser Land nicht im Krieg befindet. Die Ziele sind unklar, einen langfristigen Plan gibt es nicht und es stellt sich die Frage nach dem "Wofür". Ich weiß auch, daß unsere Regierung bestimmten Verpflichtungen unterworfen ist, jedoch gilt es immer abzuwägen, ob es das wert ist, Menschenleben dafür zu opfern. Ich bin froh, daß ich darüber nicht entscheiden muss, ganz ehrlich. Es wird noch viele Helden geben: Tote Helden. Danke für deine interessanten Gedanken und teilweise Zustimmung... Vielen Dank für eure Kommentare... Liebe Grüße Bis bald Falderwald
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27.04.2010, 20:53 | #7 | ||
ADäquat
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09.05.2010, 20:50 | #8 |
Lyrische Emotion
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Liebe Chavali,
das ist ja alles schon wieder Schnee von gestern und die Zeitungsverlage werden sicherlich mit Leserbriefen und Kommentaren überschwemmt. Es wird solange neue tote Helden geben, solange sich welche für diesen Kampf finden und überzeugen lassen. Für mich scheint das alles ziemlich sinnlos, aber das zählt ja nicht... Wie dem auch sei, einen kleinen Aufschrei war es wohl wert. Vielen Dank für die erneute Rückmeldung. Liebe Grüße Bis bald Falderwald
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09.05.2010, 21:16 | #9 | |||
Heiliggeborener
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Hallo Falderwald,
es freut mich sehr, mal wieder ein Gedicht von Dir kommentieren zu können und dann noch eins mit einem so aktuellen und politischen Hintergrund. Mein erster Gedanke beim Lesen war: Typischer Falderwald-Style -> kreuzreimig, fünfstrophig und achtsilbig. Zitat:
Die erste Strophe ist jambisch mit männlicher Endung. Liest sich gut und flüssig, d.h. es macht Spaß, durch die Zeilen zu gehen. Zum Inhalt: "stehst du bereit" ist, ich weiß, geläufig im Zusammenhang mit dem Spalierstehen eines Soldaten und Du hast es einfach übertragen, aber hier kommt es schon ein wenig ungewöhnlich für mich rüber. Er liegt ja eher bereit fürs letzte Geleit. Kirchensaal? Ok, auch ungewöhnlich, kann man machen und wahrscheinlich wurden die Soldaten auch in einer Kirche aufgebahrt und nicht in einer Friedhofskapelle, keine Ahnung. Aber die Umschreibung der Trauer und des Glockenklangs mit dumpf kann ich persönlich nicht nachempfinden bzw mir nicht vorstellen. Zitat:
Ein großer Held ist in unseren Breiten, glaube ich, keiner mehr, der auf dem Feld fällt. Insofern eine gelungene Überspitzung und sachgerechte Kritik an dem ganzen Unsinn. Ja und nützen tut es dem Toten schon dreimal nichts, ein Held zu sein oder für unseren Kapitalismus gefallen zu sein. Die letzen beiden Verse verstehe ich leider nicht. Ich sehe keinen Zusammenhang zwischen Vers drei und vier. Ich lass jetzt mal ein paar Strophen aus und werde mich folgender als letzter Strophe zuwenden: Zitat:
Fazit: Insgesamt finde ich es toll, dass dieses Thema lyrisch aufgegriffen wird. Kritik nannte ich oben bereits. Handwerklich gibt es nicht viel zu beanstanden. Allerdings erschließen sich mir manche Passagen nicht so. Für mich persönlich könnte es noch knackiger sein und mehr an die Verantwortlichen direkt gerichtet sein. Nun gut, das ist Geschmackssache und darüber lässt sich bekanntlich nicht streiten. Ich danke Dir für diesen Gedichtbeitrag. Beste Grüße Mike S Geändert von Mike_S (10.05.2010 um 10:03 Uhr) |
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13.05.2010, 23:07 | #10 |
Lyrische Emotion
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Hallo Mike,
Typischer Falderwald-Style? Jetzt wo du es sagst, ja, stimmt. Ich schreibe oft im Kreuzreim, fünfhebigen Jambus und fünfstrophig. Das ist mir selbst noch gar nicht so aufgefallen... Diese Diskussion um "stehen" und "liegen" hatte ich schon im Vorfeld der Veröffentlichung mit Dana. Ich habe mich für "stehen" entschieden, denn für den "letzten Gang" liegt man nicht bereit. Außerdem steht ein Körper und ein Sarg bereit. Vielleicht kannst du das nachvollziehen, weil du auch das Spalierstehen erwähntest. Es war tatsächlich ein Kirchensaal, weil die Trauerfeier am 09.04.2010 in der St. Lamberti Kirche in Selsingen stattfand. Wenn ich mich in einer Trauergemeinde aufhalte, dann empfinde ich das immer als ein dumpfes Gefühl. Es umgibt mich fast körperlich, lässt mich alles wie durch einen Vorhang aus Watte empfinden. Ich weiß nicht, wie ich das beschreiben soll, denn es ist wohl sehr subjektiv. Wenn ich am Sonntag Morgen auf dem Balkon sitze und die Ratzeburger Domglocken höre, empfinde ich das nicht als dumpf. Es kommt auf die Situation an. Ziemlich subjektiv eben. Der Begriff "Held" ist heutzutage ja kaum noch gebräuchlich. Die Definition des Begriffes ist auch unterschiedlich, denn die Merkmale eines Helden sind verschieden. Seine Fähigkeiten können auch geistiger Natur sein, z. B. Mut, Aufopferungsbereitschaft, Einsatzbereitschaft für Ideale oder Mitmenschen. Und genau das sind ja die Eigenschaften, mit der die Gefallenen offiziell durch die Kanzlerin und den Verteidigungsminister geehrt wurden. Genau diese haben den toten Soldaten zum Helden erklärt und somit repräsentieren sie auch den Staat, der sie zwar in den Krieg schickt, sie aber nicht wirklich schützen kann. Hinterher kann man sie zu Helden machen, nicht wahr? Wäre damit der Zusammenhang jetzt deutlicher? Die Zeile "so redeten es sie dir ein" war auch ein Diskussionspunkt zwischen Dana und mir. Man könnte es noch drehen (so redeten sie es dir ein), was aber auch nicht wirklich etwas an der Betonung ändert. Ich weiß, daß diese Stelle ein wenig unharmonisch klingt, es ist jedoch im Deutschen so, daß es im Zweifelsfalle keine drei unbetonten Silben hintereinander gibt. Bei drei aufeinanderfolgenden unbetonten Silben hast du in der Mitte dann immer eine leichte Betonung. Ich finde, es geht so. So redeten es sie dir ein xXxXxXxX Normalerweise achte ich auch auf eine wesentlich klarere metrische Betonung. Fazit: Du hast genau die beiden Punkte berührt, die schon zu Diskussionen zwischen Dana und mir geführt haben. Deshalb war ich vorbereitet... Ich wollte hier nicht unbedingt direkter werden, denn Schuldzuweisungen sind immer schwierig. Wer trägt die Verantwortung dafür? Der deutsche Bundestag beschloss Ende 2001 auf Antrag von Bundeskanzler Schröder und seiner rot-grünen Regierungen sich an diesem Einsatz zu beteiligen. Die jetzige Regierung beharrt auf diesen Einsatz, obwohl die Mehrheit der Deutschen ihn nach beinahe neun Jahren Krieg ablehnt. Ich schrieb schon, daß ich froh bin, nicht darüber entscheiden zu müssen. Und diejenigen, die das in der Hand haben/hatten, müssen dies vor ihrem eigenen Gewissen verantworten. Es fiele mir nicht leicht, wenn ich damit leben müsste, daß meine Stimme dazu beitrug, daß bisher 43 deutsche Soldaten, Menschen, ihr Leben lassen mussten. Den Schuh muss sich jeder Verantwortliche selbst anziehen. Vielen Dank für deinen ausführlichen Kommentar und die Auseinandersetzung mit diesem Gedicht... Liebe Grüße Bis bald Falderwald
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