Thema: Eigentlich
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Alt 05.10.2011, 18:47   #4
Falderwald
Lyrische Emotion
 
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Hallo G. Heimer,

eigentlich lassen die Zeilen mich ein wenig zwiegespalten zurück, denn bei einigen Aussagen könnte ich eigentlich zustimmen, bei anderen eigentlich nicht, bei wieder anderen eigentlich sowohl als auch.

Ich werde mir jetzt einmal die Fragen in den einzelnen Zeilen stellen und versuchen, sie ehrlich zu beantworten:

will ich dir verzeihen

Es käme darauf an, was "du" mir angetan hätte.
Bei bestimmten Dingen könnte ich mir vorstellen, daß ich unversöhnlich bliebe, bei den meisten anderen Angelegenheiten eigentlich schon.

(will ich) aus Fehlern lernen

Das ist eine gute Frage. Doch zunächst müssen wir klären, was unter Fehlern zu verstehen ist.
Wenn es um den in mir vorhandenen Willen geht, so bin ich mir nicht sicher, ob ich diesen dauerhaft verneinen könnte, wenn er wirklich etwas will.
Mein Wille ist nämlich ganz eng mit meinem Charakter verknüpft. Diesen besitze ich von Geburt an und werde ihn nicht mehr los. Das bestimmt mein Schicksal. Ich weiß auch nicht, ob mein Wille oder das Objekt meines Willens ein Fehler sein kann. Subjektiv für mich sicherlich nicht.
Somit bliebe nur eines, nämlich die Art und Weise wie ich meinen Wille und wieviel ich ihm erfülle. Da unterlaufen mir durchaus Fehler und wenn ich sagte, daß ich aus diesen nicht lernen würde, entspräche dies wohl nicht der Wahrheit.
Und in diesem Sinne: Eigentlich schon.

(will ich) dir Aufmerksamkeit schenken

Verdienst du meine Aufmerksamkeit? Besitzt du irgendetwas außer herkömmlichen menschlichen Eigenschaften, welche mein Interesse erregen?
Es gibt sicherlich einige Menschen, denen ich eigentlich schon meine Aufmerksamkeit schenken möchte.
Dem größten Teil unserer Spezies eigentlich eher nicht.
Das bringt nichts.

(will ich) auf Marotten verzichten

Solange sie niemandem schaden eigentlich nicht. Es gibt keinen plausiblen Grund, warum ich auf sie verzichten sollte.
Ist es anders, kann man mit mir reden und wir werden sehen.

(will ich) meine Pflichten tun

Pflichten sind verbindlich geltende moralische und rechtliche Verhaltensforderungen. Wie weit sollte ich da gehen?
Auf der einen Seite besitze ich meine eigene Moral und bin bereit, die in dieser Vorstellung begründeten Pflichten zu erfüllen, also eigentlich schon.
Auf der anderen Seite gibt es die Gesetze dieses Landes. Hier ist es keine Frage des Wollens mehr, sondern mehr eine des Zwanges, dem ich mich unterwerfen muss, wenn ich keine negativen Sanktionen für mein Verhalten erhalten möchte.
Da meine eigenen Moralvorstellungen sich nicht zwangsläufig mit allen Gestzen und Vorschriften decken müssen, will ich es eigentlich vielleicht nicht immer, aber ich muss (s.o.).

(will ich) meine Feinde lieben

Warum sollte ich das tun?
Mein Feind ist mein Gegner, mein Widersacher, mein Gegenspieler, also niemand, der mir etwas Gutes will.
Ich will ihn so respektieren, wie er ist und ihn nicht hassen, aber lieben will ich ihn eigentlich nicht.
Mit Liebe werde ich nicht verhindern können, daß mein Feind mir oder den Menschen, die mir etwas bedeuten, Schaden zufügt.
Und Hass macht blind und somit bereit für Fehler.
Ich stehe meinen Feinden eher cool gegenüber.

(will ich) deine Probleme zu meinen eigenen machen

Diese Existenz beschert mir selbst genug Probleme, mit denen ich mich jeden Tag auseinanderzusetzen habe.
Wenn da noch Zeit, Kraft und Mitleid/Zuneigung übrig ist, eigentlich schon.
Aber sonst eigentlich nicht.

…eigentlich

Tja, eigentlich ja und eigentlich nein.
Denn eigentlich kommt es immer auf den speziellen Fall an und da soll mir keiner sagen, er habe ein Patentrezept.

Eigentlich nicht, oder?


Gerne gelesen und kommentiert...


Liebe Grüße

Bis bald

Falderwald
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Oh, dass ich große Laster säh', Verbrechen, blutig kolossal, nur diese satte Tugend nicht und zahlungsfähige Moral. (Heinrich Heine)



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