Thema: Mittagssonne
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Alt 18.07.2009, 14:41   #10
Medusa
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Lieber Galapapa,

mir wird oft nachgesagt, ich sei eine Erbsenzählerin. Wäre ich dies, dann müsste ich selbst perfekte Gedichte schreiben können. Dem ist aber nicht so! Außerdem ist es viel leichter, die Fehler in anderen Gedichten auszumachen als in den eigenen.

Ich will mal versuchen, Dir aufzuzeigen, was bei Deinem schönen Gedicht überarbeitet werden könnte. Ich bin zwar Berlinerin und betone als solche vielleicht etwas anders; aber unsere "Alten Meister" begeistern von Nord nach Süd und über viele Grenzen ihre Leser. Da kanns nicht allein an mir liegen, oder?

Die X-erei mag zwar hilfreich sein, gibt aber keinen Aufschluss über die Qualität der Metrik. Ich zeig Dir mal an den Betonungen, was für meine Lesart nicht gut gelungen ist:

Mittagssonne, gleißend, nahe dem Zenit,
anfangs ein schöner Trochäus (XxXxX....) mit betontem Auftakt, zum Ende eher ein Daktylus (XxxXxx....)
strahlt aus blauem Himmel hell und klar ihr Licht,
ganz sauberer Trochäus!
und die
heiße Schwüle drosselt meinen Tritt,
läge die Betonung auf "und" dann wäre es ein Trochäus, "und" zu betonen ist allerdings nicht wirklich sauber.
Schatten, den ich suche, seh ich ringsum nicht. Schön!
Hohe, reife Gräser stehn am Wiesenrand, Schön!
filigrane Schönheit, endlos formenreich,
Wie auch in Z1 ein schöner betonter Auftakt, eine betonte Kadenz, ein sauberer Trochäus.drinversteckt die Grillen, zirpend im Verband.
Hier kannst Du selbstverständlich auch "im" betonen, aber wie betonst Du dann "Verband", um im Trochäus zu bleiben?
Wenn mein Schritt sich hert, schweigen sie sogleich.
sauberer Trochäus
Tschirilierend singen Lerchen stolz ihr Lied,
steigen
weit nach oben in die Flimmerluft,
hoch hinaus, bis man sie beinah nicht mehr sieht.
Aus
gemähten Wiesen dringt des Heues (der) Duft.
Die Betonung liegt in Z3 nicht auf "man", in Z4 nicht auf "aus"!

Die Ge
treidefelder wogen sacht im Wind, "die" betont? Zwei unbetonte Auftakte = Anapäst, der Rest = Trochäus.
Winterkorn, beim Reifen, wird schon langsam braun,
leuchtend rote Punkte mitten darin sind Klatschmohnblütenkelche, herrlich anzuschaun.
Zwischen weiten Feldern steht er ganz allein,
und, im Schutz der Blätter, drunter eine Bank.
Bis hierher sauberer Trochäus mit betontem Auftakt.
Mein
Kastanienbaum ist’s, bei ihm kehr ich ein,
Hier hoppelts sehr! Einordnen kann ich das Versmaß nicht.
sage für den frischen, kühlen Schatten Dank.
Schöner, sauberer Trochäus.

So, lieber Galapapa, ich hoffe sehr, dass ich Dir meine Hopser erklären kann. Für mein Empfinden schlingerst Du zu oft zwischen den Versmaßen herum. Schön wäre es, könntest Du die Auftakte entweder betont oder unbetont gestalten; daraus ergibt sich meist auch das richtige Versmaß.

Wie schon beim ersten Lesen gefallen mir die Stimmung, die Wortwahl und die Bilder in Deinem Gedicht nach wie vor sehr gut.

Herzliche Grüße,
Medusa.

Geändert von Medusa (18.07.2009 um 14:56 Uhr)
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