03.10.2014, 09:40 | #1 |
Von Raben umkreist
Registriert seit: 27.12.2009
Ort: Am Niederrhein
Beiträge: 1.053
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Tobias und der Riese
Tobias gähnt und kriecht ins Bett,
der Mond scheint hell aufs Fensterbrett. Sein Spielzeug liegt im Raum verstreut, was seine Mutter gar nicht freut. Sie schimpft und droht, er kriegt nen Schreck: „Ich werfe morgen alles weg. Ich warne dich, mein lieber Freund, in Zukunft wird hier aufgeräumt!“ Tobias drückt sein Schnuffeltuch, der Opa kommt mit einem Buch und liest ihm die Geschichte vor vom bösen Riesen Isidor. Der ist gefährlich und gemein, Tobias wird im Bett ganz klein. Er stößt die Kinderrutschen um und biegt die Schaukelstangen krumm. Auf alle Bänke schmiert er Matsch und macht auch sonst nur Riesenquatsch. Nachts wirft er Fensterscheiben ein, wie kann man nur so böse sein. Er nimmt den Kindern Spielzeug weg und wirft es grölend in den Dreck, dann tritt er drauf mit seinem Schuh. Tobias kneift die Augen zu. Wie laut jetzt Opas Stimme kracht, wie Donnerwetter in der Nacht. Tobias stöhnt, was ist denn los? Der Opa wächst, wird riesengroß. Tobias schreit, er jammert, fleht, weil dicht vor ihm der Riese steht. Der beugt sich vor und brüllt ihn an: „Na hab ich dich, du kleiner Mann. Warum hast du nicht aufgeräumt!?“ Das Licht geht an, es kommt Mama, und streicht ihm flüsternd übers Haar. Der Riese, der ist nicht mehr da. „Tobias schlaf, du hast geträumt.“
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Alle meine Texte: © Sidgrani "Nur wer erwachsen wird und Kind bleibt, ist ein Mensch"
»Erich Kästner« |
04.10.2014, 00:24 | #2 |
TENEBRAE
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Beiträge: 8.570
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Hi, Sid!
Das ist mal ein Kindergedicht, das mir wirklich gut gefällt! Die "Moral" ist zwar immer präsent und erinnert (leicht unangenehm vielleicht sogar) an den klassischen Struwelpeter, wo es ja noch ziemlich grausam und drastisch zur Sache ging (damals traute man den Kindern wohl mehr zu als moderne krampfhaft "kindgerechte" Literatur! Diese Moral wird aber nie aufdringlich in den Vordergrund geschoben, bloß geschickt in den Handlungsstrang eingewoben, sodass er ohne diese gar nicht auskäme. Das schlechte Gewissen ob der mütterlichen Mahnung und die großväterliche Moritat, welche in dieselbe Kerbe schlägt, führen erst zum beschriebenen Albtraum, der die Spannung steigert, da der Leser - sehr geschickt gemacht! - nicht weiß, wo genau die Realität in den Traum übergeht. Dieser Übergang ist fließend, was sehr genau der Realität eines Jungen, der mit so einer Geschichte einschläft, entspricht. So baust du Spannung und Dramatik auf, die jeden jungen Leser fesseln wird (und nicht nur die), und löst sie wunderbar in der versöhnlichen Conclusio, welche die scheinbare Bedrohung auflöst. Wie gesagt - ein Gedicht "für die lieben Kleinen", das mir ausnehmend gut gefällt. Sehr gern gelesen! LG, eKy
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Weis heiter zieht diese Elend Erle Ute - aber Liebe allein lässt sie wachsen. Wer Gebete spricht, glaubt an Götter - wer aber Gedichte schreibt, glaubt an Menschen! Ein HAIKU ist ein Medium für alle, die mit langen Sätzen überfordert sind. Dummheit und Demut befreunden sich selten. Die Verbrennung von Vordenkern findet auf dem Gescheiterhaufen statt. Hybris ist ein Symptom der eigenen Begrenztheit. |
04.10.2014, 20:55 | #3 |
Slawische Seele
Registriert seit: 07.02.2009
Ort: Inselstadt Ratzeburg
Beiträge: 5.637
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Hallo Sidgrani,
ein tolles, spannendes und gut aufgebautes Kindergedicht. (Meine Kinder bekamen Struvelpeter auch vorgelesen, allerdings nur am helligten Tage. Bei Gute-Nacht-Geschichten (-Gedichten) wählte ich "Schönes". Weil sie meist hinterfragten, und zwar ganz genau. Ich wollte sie nicht in Angst einschlafen lassen.) Die Conclusio ist wunderbar. In Relation zu den vorhergehenden Strophen ist sie sehr kurz geraten. Bei meinen Kindern hätte ich bis zum Einschlafen, händchenhaltend und mit viel Trost, bleiben müssen - aber das war unser Problem, bzw. unser Ritual. Wirklich sehr schön. Liebe Grüße Dana
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Ich kann meine Träume nicht fristlos entlassen,
ich schulde ihnen noch mein Leben. (Frederike Frei) |
06.10.2014, 14:41 | #4 |
Von Raben umkreist
Registriert seit: 27.12.2009
Ort: Am Niederrhein
Beiträge: 1.053
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Hei eKy,
moralisch wollte ich in dem Gedicht absolut nicht werden, auch einen erhobenen Zeigefinger gibt es nicht. Es ergibt sich alles wie von selbst. Das schlechte Gewissen ist eben kein sanftes Ruhekissen. Danke für deine ausführliche Analyse, freut mich, dass es gefällt. Lieben Gruß Sid Hei Dana, das Vorlesen vor dem Einschlafen ist auch heute noch sehr beliebt. Aufregende Geschichten sollten es nun gerade nicht sein, doch manche Kinder wollen es trotzdem so. Die Conclusio ist ja auch gleichzeitig die Pointe und die wollte ich nicht in die Länge ziehen. Natürlich hätte ich noch etwas schreiben können wie Licht anlassen, Schlaflied singen usw. Nach der Pointe ist das aber nicht sinnvoll. So etwas wie den Struwwelpeter liest man heutzutage sicher nur noch selten vor. Dafür gibt es schließlich Geister und Vampirgeschichten. Ich freue mich, dass es dir gefallen hat. Lieben Gruß Sid
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Alle meine Texte: © Sidgrani "Nur wer erwachsen wird und Kind bleibt, ist ein Mensch"
»Erich Kästner« |
08.10.2014, 13:48 | #5 | |
TENEBRAE
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Ort: Österreich
Beiträge: 8.570
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Hi, Sid!
Zitat:
Gibt es wohl: "Räum dein Zimmer auf, sonst hast du ein schlechtes Gewissen und träumst schlecht!" oder, für die ganz Kleinen: "Räum dein Zimmer auf, sonst kommt der böse Riese Isidor!" Diese "Moral" schimmert so deutlich durch, dass ich einem Zehnjährigen zutraue, sie zu durchschauen, aber da sie gut in die Handlung selbst eingeflochten ist, kommt sie nicht so deutlich zeigefingerschwingend daher wie zb. die Geschichten im Struwelpeter oder bei Max und Moritz - ob du das nun so geplant hattest oder nicht. LG, eKy
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Weis heiter zieht diese Elend Erle Ute - aber Liebe allein lässt sie wachsen. Wer Gebete spricht, glaubt an Götter - wer aber Gedichte schreibt, glaubt an Menschen! Ein HAIKU ist ein Medium für alle, die mit langen Sätzen überfordert sind. Dummheit und Demut befreunden sich selten. Die Verbrennung von Vordenkern findet auf dem Gescheiterhaufen statt. Hybris ist ein Symptom der eigenen Begrenztheit. |
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08.10.2014, 17:57 | #6 |
Matador mit Adlerblick
Registriert seit: 28.06.2009
Ort: auf meiner Ranch
Beiträge: 341
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Hallo zusammen,
die Androhung von Strafe ist für Kinder egal wie alt sie sind, nie ein guter Ratgeber und schon gar nicht vor dem Einschlafen. Wer das macht, ist wohl als Eltern unfähig! Hallo Sid, von daher gefällt mir dein Kindergedicht gar nicht, auch wenn es technisch perfekt geschrieben ist und die letzte Strophe alles wieder relativiert. Warum träumt der Kleine so etwas? Er muß wohl derartiges schon erlebt haben. LG Holle
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Mit Adleraugen such ich dich, durch Adleraugen find ich dich. |
13.10.2014, 15:15 | #7 |
Gast
Beiträge: n/a
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Hallo Sid:)
Es ist besser abends etwas Mildes zu erzählen, Geschichten mit einem Happyend, sind die beste Einschlafhilfe, und wer möchte schon am Abend vor dem Schlaf an die eigenen "bösen Taten" erinnert werden.
Ich glaube nicht mal die Erwachsenen. Dein Gedicht hat einen guten Spannungsbogen und es gefällt mir weil es ein Happyend gibt, sowas mögen Kinder. Das Gedicht hat das gewisse Etwas! Sehr gerne gelesen sy |
27.10.2014, 19:39 | #8 | ||||
Von Raben umkreist
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Ort: Am Niederrhein
Beiträge: 1.053
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Hei eKy,
Zitat:
Naja, vielleicht fasst ein zartbeseitetes oder ein inneres Kind, das sich fortwährend schuldig fühlt, das tatsächlich so auf. Heutzutage sind die meisten Kinder robuster und ganz andere Sachen gewohnt. Die Kids im ersten und zweiten Schuljahr kennen fast alle Henry Potter und Konsorten. Dagegen meine ich, ist mein Gedicht so aufregend wie ein Roman von Rosamunde Pilcher. Schön, dass du widersprochen und das auch begründet hast, das ist lehrreich. Lieben Gruß Sid Hei Hollerith, Zitat:
Und nimm das Gedicht bitte nicht so bitterernst, es soll ja den Kindern nicht vor dem Schlafengehen vorgelesen werden. Zitat:
Lieben Gruß Sid Hei sy, Zitat:
Schön, dass dir das Gedicht gefällt. Lieben Gruß Sid Ich danke euch allen, dass ihr euch mit Tobias beschäftigt habt.
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