Gedichte-Eiland  

Zurück   Gedichte-Eiland > Prosa und Verwandtes > Kurzgeschichten > Kurzgeschichten

Kurzgeschichten Geschichten, Erzählungen, Märchen, Fabeln

 
 
Themen-Optionen Ansicht
Alt 07.06.2016, 23:45   #1
Fenek
Erfahrener Eiland-Dichter
 
Registriert seit: 15.04.2010
Beiträge: 294
Standard Flucht

Die verführerische Fremde musste durch die Klamm gekommen sein, mit der Sturzflut, wie durch einen Geburtskanal, mit feuerrotem Haar und einer Hautoberfläche wie aus Elfenbein, so dass die Frauen unseres Tales um ihre Männer besorgt waren.

Sie ging täglich am Bach entlang, um Kräuter zu sammeln, meditierte dann stundenlang, baute aus dem Weidengezweig Schiffchen, schaute ihnen nach mit wehmutsvollen Blicken, wie sie stromabwärts schwammen, in eine andere Welt, da, wo es keine abergläubischen, eifersüchtigen Weiber gab, sondern eine karge, unbewohnte Savanne, dort, wo die Wasserflut versiegte.

Aber da konnte sie nicht leben, sie war an dieses Dorf gebunden, wusste nicht wer sie war, woher sie kam. An ihrer Hüfte hatten sie ein Körpermal entdeckt, als sie bewusstlos dagelegen war am Bach, mit zerschlissenen Kleidern. Die Höllenklammbäuerin brachte in Umlauf, es handele sich um die Spuren von einer Teufelskralle, und fortan war die Fremde gebranntmarkt; jeder ging ihr aus dem Weg.

Mit der nächsten großen Springflut ließ die Fremde sich mitreißen durch die Savanne hindurch. Sie wurde in eine Gegend angespült, wo eine ganze Gemeinde sich schuldig gemacht hatte einer Lynchjustiz an einem Unschuldigen. Ihre Reue konnte ihn nicht wieder lebendig machen.

Als die geheimnisvolle Fremde auftauchte, glaubten sie, es wäre die Erlöserin, die sie von ihrer irrtümlichen Sünde befreien würde. Da stürzte sich die junge Frau in den immer noch Hochwasser führenden reißenden Bach. Sie schoss dahin wie eine Forelle.

Viele Kilometer weiter unten, wo der Bach wieder ruhig floss, waren die Dorfleute gerade bei einem Grillfest. Hier im Norden lebten aufgeschlossene Menschen, ohne Aberglauben und Satanskult. Als einer von ihnen die erschöpfte Fremde vorbeitreiben sah, alarmierte er sofort die anderen und zugleich sprangen Männer und Frauen herbei, um die Mystische zu retten. Bei ihnen wollte sie bleiben.
__________________
"Wir befinden uns stets mitten im Weltgeschehen, tun aber gerne
so, als hätten wir alles im Blick." (Fenek)
Fenek ist offline   Mit Zitat antworten
 

Lesezeichen


Aktive Benutzer in diesem Thema: 1 (Registrierte Benutzer: 0, Gäste: 1)
 

Forumregeln
Es ist Ihnen nicht erlaubt, neue Themen zu verfassen.
Es ist Ihnen nicht erlaubt, auf Beiträge zu antworten.
Es ist Ihnen nicht erlaubt, Anhänge hochzuladen.
Es ist Ihnen nicht erlaubt, Ihre Beiträge zu bearbeiten.

BB-Code ist an.
Smileys sind an.
[IMG] Code ist an.
HTML-Code ist aus.

Gehe zu

Ähnliche Themen
Thema Autor Forum Antworten Letzter Beitrag
Auf der Flucht wüstenvogel Stammtisch 3 06.09.2015 20:50
Die Flucht Chavali Beschreibungen 4 24.06.2011 14:48
Flucht Leier Kurzgeschichten 2 27.12.2009 12:05


Alle Zeitangaben in WEZ +2. Es ist jetzt 04:48 Uhr.


Powered by vBulletin® (Deutsch)
Copyright ©2000 - 2024, Jelsoft Enterprises Ltd.

http://www.gedichte-eiland.de

Dana und Falderwald

Impressum: Ralf Dewald, Möllner Str. 14, 23909 Ratzeburg