30.08.2014, 12:37 | #1 |
TENEBRAE
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Im Café
Der alte Mann rührt schweigend in der Tasse
und nimmt ein kleines Schlückchen dann und wann. Er wirkt dabei, als ob er kaum mehr fasse, was er an Welt um sich begreifen kann. Das Lautgewirr aus einem Dutzend Mündern, es plätschert träge an sein müdes Lauschen. Was immer zwischen Seligen und Sündern die Lippen sich versagen oder tauschen, er nimmt es an, sich darin zu verlieren. Gleich einer Puppe, die kein Kind mehr achtet, so baumelt seine Seele in den Schlieren begonnener Gespräche wie umnachtet. Die Menschen strömen rege durch die Gasse vor dem Café, das Paar am Tisch daneben kommt überein, dass man sich scheiden lasse - um ihn herum pulsiert das volle Leben. Der alte Mann rührt schweigend in der Tasse und nimmt ein kleines Schlückchen hin und wieder. Ein Ruhender in ruheloser Masse: Der stumme Ton in einem Meer der Lieder.
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Weis heiter zieht diese Elend Erle Ute - aber Liebe allein lässt sie wachsen. Wer Gebete spricht, glaubt an Götter - wer aber Gedichte schreibt, glaubt an Menschen! Ein HAIKU ist ein Medium für alle, die mit langen Sätzen überfordert sind. Dummheit und Demut befreunden sich selten. Die Verbrennung von Vordenkern findet auf dem Gescheiterhaufen statt. Hybris ist ein Symptom der eigenen Begrenztheit. Geändert von Erich Kykal (30.08.2014 um 21:12 Uhr) |
01.09.2014, 21:06 | #2 | |
Slawische Seele
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Lieber eKy,
beim Lesen dieses Gedichtes wird man ganz vereinnahmt. Man kennt das Café, hört das Lautgewirr der Dutzend Münder und erkennt vor allem den alten Mann. Feinst beobachtet, eingefangen und noch feiner verdichtet. Diese alten Männer und Frauen beobachte ich manchmal auch. Ihnen begegnet man nicht, man sieht sie nur. Es wäre falsches Mitgefühl, sie anzusprechen. (Hab ich einmal getan.) Es ist, als brauchten sie die Umgebung, aber nicht im Einzelnen. Man erschreckt sie durch "Ansprechen", bzw. unterbricht sie im stummen Ton. Zitat:
Dana
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Ich kann meine Träume nicht fristlos entlassen,
ich schulde ihnen noch mein Leben. (Frederike Frei) |
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02.09.2014, 13:23 | #3 |
TENEBRAE
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Hi, Dana!
"...man unterbricht sie im stummen Ton" - Wunderbar gesagt! Vielen Dank für deine lobenden Worte! Als Alleinlebender weiß ich darum: Manchmal wird die Stille der Isoaltion zu übermächtig, dann braucht man zumindest etwas Kulisse: Ein laufender Fernseher oder ein Radio - bloß um die klangliche Illusion von Gesellschaft zu haben. Für manche Alten im Café ist es genau dasselbe, bloß mit mehr Realitätsfaktor. Wenn du sie ansprichst, ist es für sie, als fange ihr Radio oder ihr Fernseher an, mit ihnen zu plaudern... Das ist natürlich überspitzt formuliert, aber ich denke, darauf läuft es hinaus. Natürlich muss man sagen, dass die meisten Senioren sich im Café treffen, um sich auszutauschen und zu schwatzen - nicht dass jetzt jemand denkt, die Rentner und Pensionisten wären mehrheitlich so weltfern! Oft wartet so einer auch bloß auf seine Verabredung, während er abwesend ins Leere starrt... LG, eKy
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Weis heiter zieht diese Elend Erle Ute - aber Liebe allein lässt sie wachsen. Wer Gebete spricht, glaubt an Götter - wer aber Gedichte schreibt, glaubt an Menschen! Ein HAIKU ist ein Medium für alle, die mit langen Sätzen überfordert sind. Dummheit und Demut befreunden sich selten. Die Verbrennung von Vordenkern findet auf dem Gescheiterhaufen statt. Hybris ist ein Symptom der eigenen Begrenztheit. |
03.09.2014, 19:15 | #4 |
Gast
Beiträge: n/a
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Hallo eKy :)
Das Gedicht läßt mich genau mitbeobachten, es ist so als wenn man einen Tisch daneben sitzt und auch einen Kaffee trinkt.
Letztens war ich in einem Cafe, und es war kein Tisch mehr frei. Ich fragte eine ältere Frau, geschätztes Alter über 60, ob ich bei ihr sitzen darf. Sie sagte spontan ja, und damit stand für sie fest, das sie mich an ihrem innerem Monolog teil nehmen läßt. Sie redete laut vor sich hin, und erzählte von der gegenüberliegenden Bank. Sie sagte, die sei von Juden erbaut worden, dabei trank sie genüßlich Kaffee. Sie erwartete keine Antwort und ging einfach mit dem Thema weiter. Die Frau berichtete, dass ihr Mann auch Jude gewesen sei, er ist jetzt schon länger verstorben, und das er als Kind auf einem Bauernhof an der Nordseeküste versteckt gewesen war. dabei fütterte sie Krümelreste an die Spatzen. Ihr Gesicht war entspannt, und es schien, dass sie sich viele solcher Geschichten selbst erzählt. Dein Gedicht nimmt einen mit, ich habe gerne am anderen Tisch gesessen und mitbeobachtet, und bin gerne abgeschweift Liebe Grüße sy |
03.09.2014, 19:59 | #5 |
TENEBRAE
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Beiträge: 8.570
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Hi, Sy!
Danke für dein Lob und die interessante Geschichte - da hat wohl fast jeder die eine oder andere zu erzählen! Bei dir könnte man ja noch sagen: Selbst schuld, wenn du dich dazusetzt! Penetranter sind jene, die sich - mit oder ohne Anfrage - ZU DIR setzen und frei von der Leber weg zu plaudern beginnen, so als könnte man es gar nicht anders wollen oder erwarten! Auf dezente Hinweise oder Einsilbigkeit der Erwiderungen reagieren sie gar nicht erst! Ist mir echt mal bei so einer Type passiert: Ich nahm meine Tasse und ging demonstrativ an einen anderen Tisch - und was soll ich sagen: Der Mann nahm seine Tasse ebenfalls und folgte mir, um weitererzählen zu können! Er hatte nicht im Entferntesten gefolgert, dass mein Ortswechsel womöglich an ihm liegen könnte. Darauf angesprochen meinte er, er hätte gedacht, dass es mir am ersten Tisch vielleicht zuviel gezogen hätte oder so. Hat man noch Töne... - Nun, ich nahm es mit österreichischem Humor und vergönnte mir auch noch den Rest seiner Geschichte. Soviel Eifer musste belohnt werden! LG, eKy
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05.09.2014, 19:31 | #6 |
Lyrische Emotion
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Beiträge: 9.912
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Servus Erich,
das finde ich sehr schön beobachtet und beschrieben, es klingt wie aus dem Leben gegriffen. Ich denke, ein solches Bild können viele Menschen nachvollziehen und dein Text regt darüber zum Nachdenken an, denn eines Tages könnte jeder von uns dieser alte Mann bzw. eine alte Frau sein, dem oder der es so oder ähnlich ergeht. Herausragend wird diese Beschreibung durch den Umstand, dass hier nur irgendein winziger Punkt aus einer großen grauen Masse in den Fokus gerät, obwohl diese Masse auch noch starken Fluktuationen unterworfen ist. Das ist schwer festzuhalten, doch dein Gedicht hat es geschafft, diesen Moment einzufangen. Das hat mir gut gefallen. Gerne gelesen und kommentiert... Liebe Grüße Bis bald Falderwald
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Oh, dass ich große Laster säh', Verbrechen, blutig kolossal, nur diese satte Tugend nicht und zahlungsfähige Moral. (Heinrich Heine) Für alle meine Texte gilt: © Falderwald --> --> --> --> --> Wichtig: Tipps zur Software |
05.09.2014, 19:50 | #7 |
Erfahrener Eiland-Dichter
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Beiträge: 4.893
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Wow Erich,
schreibst du etwa an einem Zyklus über alte Männer? (Ich lese heute schon das zweite Gustostückerln von dir, in dem ein Greis die - stumme- Hauptrolle spielt.) Du hast ein dichtes Netz an Eindrücken gesponnen. Man ist auch sofort "voll im Bilde". (Und es muss durchaus nicht immer ein sonett sein, damit es klangvoll ist. ) feine sache, das. ab in die "hall of fame"! lg, larin
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Cogito dichto sum - ich dichte, also bin ich! |
05.09.2014, 20:38 | #8 |
TENEBRAE
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HI, Faldi!
Vielen Dank für deine freundlichen Gedanken zum Thema! Oft sind es solche Momente, die sich aber am leichtesten "verdichten" lassen, weil sie in uns mit einem sterken Gefühl gekoppelt sind. Es muss nicht mal ein sog. "magischer Moment" sein - oft steigen derlei Erinnerungsscherben in uns auf, und wir wundern uns, warum uns ausgerechnet DAS jetzt einfällt. Wenn wir dann drüber nachsinnen, bemerken wir oft, dass unserUnterbewusstsein offenbar besser versteht, was wir grade brauchen als wir selber... Hi, larin! Nein, kein Altmännerzyklus! Reiner Zufall. Nächstes Jahr kommt wieder ein Buch von mir - da kommen all die "Gustostückerl" von zwischen 2010 und 2015 rein. LG, eKy
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