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Registriert seit: 20.11.2016
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Oh, welche Lust war es für mich, in freier Luft
zu atmen, Blumenpracht und zarten Blütenduft in vollen Zügen zu genießen, Sonnenglut und Windeshauch auf nackter Haut zu spüren, in lauen Nächten voller Jugendübermut manch leichtgeschürztes Mädchen zu verführen. Mit Bacchus und Amor im trauten Verein, da hab ich getrunken, geliebt und gesungen, ich nippte so gerne den funkelnden Wein, mehr lauter denn schön hat mein Liedchen geklungen. Aus und vorbei, zu gewagt war der Flug, krachend der Sturz und zerschmettert die Schwingen. Leichtsinn beendete Lug und Betrug - Damokles Schwerter mit blitzenden Klingen schwebten bedrohlich und nahe der Kehle; waidwund und wimmernd mit angstvoller Seele litt ich allein in dem grauen Gemäuer. Alles, was lieb mir gewesen und teuer, Freiheit und Freude am Leben - verschwunden, sagt mir, wer wagte mich so zu verwunden? Vierzig Albtraumnächte sind vergangen, graue tränenreiche Tage reihten sich aneinander. Ich gewöhnte mühsam mich an die endlos quälenden und langen Stunden voller Frage-Antwort-Spiele, konnte immer besser die Gefühle auf ein Mittelmaß justieren, nahm mir vor, den Rest von Stolz nicht zu verlieren. Ein goldner Oktober bescherte mir sonnige Stunden, ich hatt' im ummauerten Käfig vier Blätter gefunden: Inmitten des Herbstbrauns war restliches Grün noch zu sehen, hab Dank, weiße Birke und Dank auch dem Wind für sein Wehen! In trüben Zeiten blühte heut ein Feiertag: Auf meinem Tisch ein Brief der Liebsten lag. Ach, könnt ich vergolden die zierlichen Zeilen, ich fraß sie wie Nurmi einst Dutzende Meilen und las sie dann nochmal und tränengeblendet verschwamm mir der Blick - unendliches Glück - dann hab ich das Blättchen gewendet, da standen die Grüße - unsagbare süße - der besten der Töchter, dem besten der Söhne, drei Küsschen mit Lippenrot unter die Namen gedrückt, ich spürte die Liebe und hörte die himmlischsten Töne und küsste den Brief und ihr denkt nun, jetzt wird er verrückt. Verrückt, ja, das war ich, ver-rückt in die Welt, in die Zeit voll menschlicher Wärme und trauter wie teurer Geborgenheit. *) "Gelbes Elend" -so wurde das Stasi- Zuchthaus in Bautzen genannt Geändert von Felix (09.10.2017 um 16:09 Uhr) |
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