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Finstere Nacht Trauer und Düsteres

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Alt 06.03.2017, 19:25   #1
Erich Kykal
TENEBRAE
 
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Hi Sy, Fee!

Das Schlimmste ist die triefende Verachtung in Blicken und Stimme jener, die dich ansprechen, ihre absolute Nichtachtung deiner Person und ihr Wille, dass du das auch mitbekommst: Alles in dir will sich wegkrümmen darunter, aber du bleibst stehen und versuchst so zu tun, als ginge dir das alles am Arsch vorbei, weil du ihnen nicht auch noch die Genugtuung gönnen willst, dich zum Weinen zu bringen.
So lernst du, deine Gefühle zu unterdrücken, wie Stein zu werden, innen wie außen. Niemand kann dir da drinnen mehr wehtun ...
Mit den Jahren wird dir das erst zur zweiten, dann zur ureigenen Natur. Irgendwann kannst du es dann gar nicht mehr, selbst wenn du wolltest. Selbst wenn du die Beherrschung verlierst, ist es ein gesteuerter, weil innerlich zugelassener und wohlkontrollierter Akt - es wirkt nur nach außen echt, aber man weiß immer gneau, was man tut und warum.

Das einzige Mal habe ich mit 15 "wirklich" die Beherrschung verloren und bin für ca. 15 Sekunden Amok gelaufen, ehe die Wut verraucht war. Als ich zu mir kam, saß ich schon auf einem 16-Jährigen drauf (er hatte mich - ich war vollständig bekleidet - mit zwei Eimern Wasser überschüttet, einen von vorn, und als ich mich umdrehte und einfach nur gehen wollte, noch einen von hinten. Dabei ist dann irgendwas in mir zerrissen ...), den ich zuvor durch die Luft geworfen hatte wie einen Mehlsack und würgte ihn mit beiden Händen, knurrend und brüllend wie ein Tier ...
Es ging so schnell, er kam nicht mal dazu, ein einziges Mal zurückzuschlagen, obwohl er um einiges stärker war! Wäre ich länger "weg" gewesen, ich hätte ihn töten können - in diesem Zustand wäre es mir egal gewesen, ja ich hätte es sogar genossen!
Seither habe ich niemals wieder "auf ernst" gekämpft, auch wenn man mich noch so piesackte. Ich hatte zu große Angst vor dem, was ich sein konnte ...

Das ist heute über 35 Jahre her und bewältigt - ebenso wie die Jahre des Mobbings, auch wenn das damals noch nicht so hieß - auch wenn gewisse Spuren immer zurückbleiben, in meinem Fall der Hang zu Isolationismus und die Unfähigkeit, mit Gefühlen umzugehen (außer in Gedichten, warum auch immer - wahrscheinlich wieder: controlled environment).
Und alles hat sein Gutes: Wäre ich nicht da durchgegangen, könnte ich heute wohl vielleicht nicht so durchdringend schreiben. Hätte ich überhaupt begonnen zu schreiben und mein lyrisches Talent entdeckt? Wäre mein Geschreibsel heute belanglos und seicht, wäre meine Kindheit sorgenfrei gewesen? Wer weiß ...

LG, eKy
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Weis heiter zieht diese Elend Erle Ute - aber Liebe allein lässt sie wachsen.
Wer Gebete spricht, glaubt an Götter - wer aber Gedichte schreibt, glaubt an Menschen!
Ein HAIKU ist ein Medium für alle, die mit langen Sätzen überfordert sind.
Dummheit und Demut befreunden sich selten.

Die Verbrennung von Vordenkern findet auf dem Gescheiterhaufen statt.
Hybris ist ein Symptom der eigenen Begrenztheit.

Geändert von Erich Kykal (10.04.2017 um 07:28 Uhr)
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Alt 06.03.2017, 20:47   #2
Dana
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Lieber eKy,
ich ahnte es, dass Dein Werk auch Autobiografisches beinhaltet. In Deiner letzten Antwort -

Zitat:
Zitat von Erich Kykal
Und alles hat sein Gutes: Wäre ich nicht da durchgegangen, könnte ich heute wohl vielleicht nicht so durchdringend schreiben. Hätte ich überhaupt begonnen zu schreiben und mein lyrisches Talent entdeckt? Wäre mein Geschreibel heute belanglos und seicht, wäre meine Kindheit sorgenfrei gewesen? Wer weiß ...
sagst Du etwas, was meinem Denken entspricht. "Alles hat sein Gutes" ist eine tiefe Weisheit. Sie ist Antwort auf das, was wir in Umkehr heute als Positiv erleben, soweit wir es erkennen. Für mich immer ein leiser Trost, für das, was zur Zeit absolut negativ ist. Ich habe inzwischen die "Stärke" und Hoffnung mir zu sagen, dass ich irgendwann sagen kann, dafür wäre es gut gewesen.
Es betrifft all unser Handeln auf allen Gebieten.

Ein wahrlich gutes Gedicht.

Liebe Grüße
Dana
__________________
Ich kann meine Träume nicht fristlos entlassen,
ich schulde ihnen noch mein Leben.
(Frederike Frei)
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Alt 03.04.2017, 17:13   #3
Eisenvorhang
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Sehr schönes Gedicht.
Auch mir sind jene Zeilen nicht ganz unbekannt.

vlg

EV
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Alt 04.04.2017, 10:01   #4
Chavali
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Hi Erich,

was könnte ich noch sagen, was nicht schon gesagt wurde:
aufwühlend, berührend ist dein Text, aber auch entschlossen und mutig,
im Nachhinein zu versuchen, die Kindheit zu beleuchten und eventuell aufzuarbeiten.

4 starke Strophen - allerdings hätte ich mir noch so etwas wie ein Fazit gewünscht,
vielleicht wie der erwachsene Mensch damit fertig geworden ist.
Ein wenig schreibst du ja davon in deinen Antworten, aber so als letzte Strophe wäre auch nicht schlecht,
was meinst du?


Nachdenkliche und mitfühlende Grüße,
Chavali


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.
© auf alle meine Texte
Die Zeit heilt keine Wunden, man gewöhnt sich nur an den Schmerz

*
Chavali ist offline   Mit Zitat antworten
Alt 04.04.2017, 18:28   #5
Erich Kykal
TENEBRAE
 
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Beiträge: 8.570
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Hi, EV!

Vielen Dank.


Hi, Chavi!

Eigentlich habe ich nie was dran geändert. Ich lebe heute noch allein und sozial isoliert aus freien Stücken - meine einzigen direkten Kontakte zu Menschen finden schulisch statt, oder wenn ich einkaufe, zum Arzt gehe oder was reparieren lasse. Sehr selten treffe ich jemanden bewusst, das kann man pro Jahr an einer Hand abzählen.

Deshalb gibt es keine Strophe, die beschreibt, wie der Erwachsene etwas überwindet und reifer damit umgeht. Ich bin einfach so geblieben, wie ich als Teen war ... Ist mir lieber so. Das Rechtfertigungslametta mag intellektueller sein als damals und wissenschaftlich fundierter, mit mehr Fachtermini und so - aber tief drinnen sitzt immer noch der gekränkte, gemobbte Junge, der sich an der Welt nicht mehr weh tun möchte ...

Lass gut sein. Es ist okay - ich leide nicht mehr. Ab und zu ein Gedicht dazu, so als Frustventil, und ich funktioniere wieder ein Jahr. Mehr würde ich wohl auch gar nicht mehr ertragen.

Jedenfalls vielen lieben Dank für deine aufrichtige Anteilnahme.

LG, eKy
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Weis heiter zieht diese Elend Erle Ute - aber Liebe allein lässt sie wachsen.
Wer Gebete spricht, glaubt an Götter - wer aber Gedichte schreibt, glaubt an Menschen!
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Dummheit und Demut befreunden sich selten.

Die Verbrennung von Vordenkern findet auf dem Gescheiterhaufen statt.
Hybris ist ein Symptom der eigenen Begrenztheit.

Geändert von Erich Kykal (15.08.2018 um 11:01 Uhr)
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