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Denkerklause Philosophisches und Nachdenkliches

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Alt 02.03.2017, 10:58   #1
Friedhelm Götz
Schüttelgreis
 
Registriert seit: 02.11.2011
Beiträge: 954
Standard Dichter, Philosoph und Leser, Versuch eines Dialogs über die Zeitläufte

Leser:

Wer spürt bei unsrer Lebensweise
denn noch die Kraft des Webens leise,
die im Geheimen leise webt,
auch wenn er gar nicht weise lebt?

Dichter:

Recht schwer ist da das Wort zu finden,
um die Gedanken fortzuwinden.

Philosoph:

Der Logos, Gott, das Wort - gefällt!
Vom Zeit- und Sprachstrom fortgewellt.

Dichter:

Wie soll sich hier was fortbewegen,
was kann da noch das Wort befegen?
Was Dichter noch mit Sätzen wollen,
wozu den Stift sie wetzen sollen?

Leser:

Wo selbst die Eingeweihten zittern,
der Zukunft dunkle Zeiten wittern.
Wie setzt ihr geistig Wirken Zeichen,
wenn sie aus den Bezirken weichen?

Philosoph:

Der Dichter muss die Scherben kehren
und darf sich nicht um Kerben scheren!

Leser:

Einst oben ein Gefreiter stand,
der leider viele Streiter fand.

Dichter:

Wird einer so zum Herrn gekört,
bestimmt er, wer zum Kern gehört.

Philosoph:

Auch andere an Schranken denken,
und darauf folgt: Gedanken schränken!

Dichter:

Ihr könnt an andere Gesichter denken,
die ihren Blick nicht vor dem Dichter senken.
Ich möchte mir in meinen späten Jahren
nur schüttelnd reimend mühsam Jäten sparen.

Leser:

Wir sind vom Thema abgekommen,
der Dichter hat die Kapp genommen.

Philosoph:

Was denn der Geist des Webens lehrt?

Leser:

Mach selbst dein Leben lebenswert.
Humor, nicht ein paar Lagen bloß!,
macht mich von vielen Plagen los.

Gäbs Frohsinn nicht und Lachen weit,
mir wär's um das Erwachen Leid.
__________________
Reime zu schütteln, gilt vielen als Nonsens von Spaßern, nichts Rechtes!
Aber die Spaßer mit Ernst suchen im Unsinn den Sinn!
Friedhelm Götz ist offline   Mit Zitat antworten
Alt 03.03.2017, 01:52   #2
Erich Kykal
TENEBRAE
 
Benutzerbild von Erich Kykal
 
Registriert seit: 18.02.2009
Ort: Österreich
Beiträge: 8.570
Standard

Hi Fridolin!

Meisterlich! Auch lyrisch betrachtet.

Ich denke, ich weiß, was dich hier inspirierte: Das "Vorspiel auf dem Theater", einer der Prologe zu Goethe's Faust I. Jedenfalls fühlte ich mich sofort an dieses Gespräch zwischen Theaterdirektor, Dichter und Mephistopheles erinnert - und ganz und gar nicht unangenehm!

Sehr gern gelesen!

LG, eKy
__________________
Weis heiter zieht diese Elend Erle Ute - aber Liebe allein lässt sie wachsen.
Wer Gebete spricht, glaubt an Götter - wer aber Gedichte schreibt, glaubt an Menschen!
Ein HAIKU ist ein Medium für alle, die mit langen Sätzen überfordert sind.
Dummheit und Demut befreunden sich selten.

Die Verbrennung von Vordenkern findet auf dem Gescheiterhaufen statt.
Hybris ist ein Symptom der eigenen Begrenztheit.
Erich Kykal ist offline   Mit Zitat antworten
Alt 03.03.2017, 21:04   #3
Friedhelm Götz
Schüttelgreis
 
Registriert seit: 02.11.2011
Beiträge: 954
Standard

Hi Erich,

ja, das hast du schön erkannt, dass mir das Vorspiel zu Goethes Faust Vorlage war. Vielen Dank für dein Lob.

LG Fridolin
__________________
Reime zu schütteln, gilt vielen als Nonsens von Spaßern, nichts Rechtes!
Aber die Spaßer mit Ernst suchen im Unsinn den Sinn!
Friedhelm Götz ist offline   Mit Zitat antworten
Alt 06.03.2017, 20:20   #4
Dana
Slawische Seele
 
Benutzerbild von Dana
 
Registriert seit: 07.02.2009
Ort: Inselstadt Ratzeburg
Beiträge: 5.637
Standard

Lieber Fridolin,

ich habe Faust von und mit Gustav Gründgens gesehen, noch gar nicht so lange her.
Ohne eKys Kommentar, gleich bei den ersten Strophen, hatte ich jene Bühnenbilder im Kopf.
Du hast Deine Inspiration "erfühlbar" und meisterlich dargestellt. Ein großes Kompliment an Dich.
Ein großartiger Dialog zwischen Dichter, Philosoph und Leser.

Liebe Grüße
Dana
__________________
Ich kann meine Träume nicht fristlos entlassen,
ich schulde ihnen noch mein Leben.
(Frederike Frei)
Dana ist offline   Mit Zitat antworten
Alt 06.03.2017, 20:44   #5
fee_reloaded
heimkehrerin
 
Registriert seit: 19.02.2017
Ort: im schönen Österreich
Beiträge: 389
Standard

Ein echtes Gustostückerl, lieber Fridolin!

Sehr gerne gelesen und fein geschmunzelt!


Ich find es wahrlich meisterlich
und einen Minderleister mich.

(...jedenfalls, wenn es auch nur ansatzweise ums Schütteln geht. Ich bin ja schon auf meinen Zweizeiler hier stolz... ).

Liebe, bewundernde Grüße,
fee
fee_reloaded ist offline   Mit Zitat antworten
Alt 07.03.2017, 03:22   #6
Jongleur
Hallig-Dichter
 
Registriert seit: 05.05.2016
Ort: Großstadt
Beiträge: 63
Standard

Jo Fridolin,

Uneingeschränktes Kompliment auch von mir: ich finde deine Zeilen klug, formvollendet - und noch dazu wirklich witzig gereimt! Sehr schön auch das Fazit:

Zitat:
Gäb 's Frohsinn nicht und Lachen weit
Mir wär' s um das Erwachen leid
Ja, Jo, ciao
Jongleur ist offline   Mit Zitat antworten
Alt 07.03.2017, 16:57   #7
Friedhelm Götz
Schüttelgreis
 
Registriert seit: 02.11.2011
Beiträge: 954
Standard

Hallo Dana, Fee, Jongleur.

Ich danke euch herzlich für die lobenden Worte.

LG Fridolin
__________________
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Friedhelm Götz ist offline   Mit Zitat antworten
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