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Alt 22.02.2018, 05:57   #1
Thomas
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Lieber Laie,

meiner Meinung nach dürft auch "sehn" (richtig ist "sehen") in einem Text mit gehobenem Sprachstil, wie er hier vorliegt nich stehn, äh stehen.

Liebe Grüße
Thomas
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© Ralf Schauerhammer

Alles, was der Dichter uns geben kann, ist seine Individualität. Diese seine Individualität so sehr als möglich zu veredeln, ist sein erstes und wichtigstes Geschäft. Friedrich Schiller
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Alt 22.02.2018, 08:55   #2
Laie
Erfahrener Eiland-Dichter
 
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Beiträge: 539
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Hi Thomas,

ich verstehe de Kritik und danke dir dafür, sehe es aber dennoch anders Was zum Einhalten der Kadenz weitestgehend akzeptiert zu sein scheint, sollte auch sonst überall im Text erlaubt sein. Ich weiß man sollte nicht mit Beispielen argumentieren, aber dass gehobener Sprachstil derartige Verkürzungen ausschließt, halte ich für sehr streng gesehen. Daher will ich dennoch zwei Beispiele meiner beiden Lieblingsdichter als Belege vorzeigen:

Die Mädchen sehn der Kähne Fahrt

Die Mädchen sehn: der Kähne Fahrt
kehrt fernher hafenein,
und schauen scheu und dichtgepaart,
wie schwer das weiße Wasser ward:
denn das ist so des Abends Art,
wie eine Angst zu sein.

Und so ist keine Wiederkehr:
Es kommen von dem müden Meer
die Schiffe schwarz und groß und leer,
kein Wimpel oben fliegt:
als hätte alle irgendwer
besiegt.

Rainer Maria Rilke

Abendfriede

Und eine große Weihe ist in mir,
Der Abend kam auf mondverklärten Wegen,
So reich gesegnet gehe ich von dir,
Wie ein Versöhnter kehrt vom Abendsegen.

Wie ruhn sie tief im dämmerstillen Hafen,
Die bunten Wünsche, die der Tag erfand,
Ich bin so still. Nun werd ich selig schlafen,
Und meine Träume gehn ins Sehnsuchtsland.

Ernst Goll

Deshalb denke ich schon, dass "sehn" stehen bleiben darf

Gruß,
Laie
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Alt 22.02.2018, 10:06   #3
Sufnus
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Mit der Präambel, dass jede ästhetische Diskussion immer sehr subjektiv belegt ist blablabla... würde ich doch nochmal eine Gegenposition zur (natürlich begründeten und begründbaren) Meinung von Erich und Chavali vertreten wollen, wonach eine Abweichung von einem sonst durchgängigen Metrum automatisch ein Holpern darstellt.

Zum einen kann es ein wertvolles Instrument sein, um einem Text zusätzliche Spannung zu verleihen oder die Betonung auf eine besondere Aussage zu lenken und zum anderen kann es den Leser dazu bringen, eine Stelle mit schwebender Betonung zu lesen, was sogar eine leichte Entrücktheit in das sonstige Gleichschrittsmarschlamento eines Textes einbringt.

Im Fall von "sternweißen" haben wir es eindeutig mit einer natürlicherweise schon leicht schwebenden Betonung zu tun, denn auch wenn in einem Prosatext die natürliche Betonung eher auf er 1. Silbe erfolgen würde, schmiegt sich dieses Wort doch recht stark an einen vorgegebenen Rhythmus an: "Dein sternweißes Kleid" kann nur mit sehr starker Betonung auf stern- gelesen werden, wohingegen z.B. "sternweißes Gefunkel der Nacht" schon eine ziemlich ausgewogene Betonung von stern- und -weißes erzwingt.

Und abgesehen davon: was für ein wunderschönes Wort ist doch "sternweiß", ich hab das noch nie zuvor gelesen und bin am Boden zerstört, es jetzt durch "beglänzten" ersetzt zu sehen...

Vorschlag:

Am Wegesende steht bereits die Nacht,
belehrt die Welt beinahe sanft mit ihren
sternweißen Villen: Strahlen heißt flanieren
auf solchen Pfaden, die nur nachtwärts führen,
als wären sie schon immer so gemacht.
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Alt 24.02.2018, 10:39   #4
Laie
Erfahrener Eiland-Dichter
 
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Hi Sufnus,

vielen Dank für deinen Kommentar. Ich finde "sternweiß" eigentlich auch recht passend. Dass die Betonung aber nicht passend und daher passend gemacht werden muss, ist eine Sache, die mir die endgültige Entscheidung für dieses Adjektiv schwer macht. Ich lass das Gedicht jetzt erst einmal liegen, lese es dann in ein paar Tagen wieder und entscheide dann, wie es mir am besten gefällt


Grüße,
Laie
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Alt 24.02.2018, 10:41   #5
Erich Kykal
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