26.01.2018, 10:52 | #1 |
Gelegenheitsdichter
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Beiträge: 3.210
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Hippe Lippe
Hippe Lippe
Ich lege Wert darauf, von Wert zu sein, Und klimpre mit den Münzen in der Tasche. Dann nehme ich die goldne Schampusflasche, Die mit den Plättchen drin, und schenke ein: Das ist die neuste hippe Jetsetmasche. Ich rede mir schnell mein Gewissen klein, Vergesse kurz das Hungerkinderschrein, Geh raus zur Strandbar, greife eine rasche Und reife Dame, die beim Cocktail steht Und augenscheinlich nach Begleitung fleht. Sie schaut mir tief in meine trüben Augen, Die Lefze trieft bis an die Krokoschuhe. Die Meerschildkröte wünscht sich nur noch Ruhe, Als wir uns an den Botoxlippen saugen.
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Dichtung zu vielen Gelegenheiten -
mit einem leichtem Anflug von melancholischer Ironie gewürzt Alle Beiträge (c) Walther Abdruck von Werken ist erwünscht, bedarf jedoch der vorherigen Zustimmung und der Nennung von Autor und Urheberrechtsvorbehalt Geändert von Walther (26.01.2018 um 18:16 Uhr) |
26.01.2018, 13:53 | #2 |
Gast
Beiträge: n/a
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Lieber Walther,
Die Frau war wohl nichts... Schönes Sonett. Wie immer ungewöhnlich, spritzig, die letzten 3 Zeilen finde ich besonders gelungen. Liebe Grüße sy |
26.01.2018, 18:19 | #3 | |
Gelegenheitsdichter
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Beiträge: 3.210
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Zitat:
danke vielmals. in diesem spiel (eher erkennbar miesem) ist die frau ebenso trophäe wie die krokolatschen, den goldschampus und die botoxlippen. und umgekehrt der herr für die dame. lg W.
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07.02.2018, 10:42 | #4 |
Gast
Beiträge: n/a
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Ich verstehe deinen gesellschaftskritischen Ansatz, lieber Walter, dennoch denke ich, dass es diese Gepflogenheiten ein paar Stufen tiefer mit Bier in der Kneipe auch gibt.
Ich finde generell die Kritik, auf hungernde Kinder hinzuweisen, immer in Verbindung mit Reichen, klischeehaft. Es gibt in allen Schichten oberflächliche und geizige, unsoziale und egostische Menschen. Manchmal kommt es mir auch so vor, als wäre dies auch eine Neid-Debatte. Wenn ein großer Unternehmer zehntausend Arbeitsplätze schafft, für die er ja auch gerade stehen muss, und mit seinem Laden Geld verdient, was soll daran falsch sein? Ich empfinde das, wie gesagt , so, weil man diese Verbindung, dass Reiche an allem schuld sein sollen, oft liest. Differenzieren wäre gut... LG von Koko |
07.02.2018, 17:34 | #5 | |
Gelegenheitsdichter
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Beiträge: 3.210
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Zitat:
danke für dein statement. aber hier geht es durchaus nicht um die reichen. hier geht es um einen ganz bestimmten typ mensch, und für das, was ich beschrieben habe, reicht das gehalt eines studiendirektors, ledig, 52, dicke. ich finde es ebenso schade wie aufschlußreich, wohin diese lebensart delegiert wird - dort ist sie übrigens weit überwiegend falsch. schickimicki hat mit reicher unternehmer äüßerst wenig gemein. lg W.
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02.03.2018, 13:45 | #6 |
Wortgespielin
Registriert seit: 18.07.2014
Ort: NRW
Beiträge: 664
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High Walther,
die dicke Lippe die du da riskierst gefällt mir. Den einzigen Haken, den ich an deinem Gedicht sehe, ist der hohe Reflexionsgrad des LI's. Du lässt es auf der einen Seite sagen, dass es sich sein Gewissen klein redet und das Kinderhungergeschrei kurz vergisst, im nächsten Moment schon saugt es sich an den geilen Botoxlippen fest. So eine Botoxlippe lässt aber eine Lebenseinstellung vermuten, welche schon nachhaltig auf Schein ausgerichtet ist. Jemand, der sich solch eine Scheinwelt mit ihren Statusymbolen zu eigen gemacht hat, wird Gewissen und Kindergeschrei längst überhören und verdrängen, und dieses nicht im engen zeitlichen Rahmen der Beschreibung seines amourösen Abenteuers erwähnen. Ich weiß nicht, ob ich dir damit diese Unstimmigkeit erklären konnte, die sich mir beim Lesen auftat. ansonsten gerne gelesen, AZ |
06.03.2018, 12:08 | #7 | |
Gelegenheitsdichter
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Zitat:
danke fürs reinlesen und die lippen schürzen (geht nur ohne botox). in der tat ist das ein widerspruch in sich. aber hast du schonmal einen logischen menschen kennengelernt? im ernst: die interpretationen des lesers sind gewünscht und erhofft. der dichter tut gut daran, dem leser das recht zu belassen, sich den text "fertig zu denken" (was dieser eh täte, selbst wenn man die sache quasi interpretationsfrei gestalten wollte). in diesem sinne ein frohes lippennippen! lg W.
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