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Alt 16.03.2018, 22:05   #1
Falderwald
Lyrische Emotion
 
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Standard Ach ja...



Ach ja...


Ein heikles Thema wurde disputiert,
am Ende hatte eines sich erwiesen,
die Diskutanten blieben auch in diesen
Gesprächen immer auf sich selbst fixiert.

Das Universum hat nicht reagiert
auf Sinn und Unsinn jener Geistesriesen,
wie Rinder käuten sie auf ihren Wiesen
das Für und Wider völlig ungeniert.

Die einen meinen dies, die andren jenes,
ein jeder kennt der Wahrheit Leckerbissen,
pro Kopf ein paradoxes Homogenes.

Zusammen haben sie sich festgebissen
und werden Teil des irren Phänomenes:
Den Glauben an das eigene Gewissen.


Falderwald
. .. .


__________________


Oh, dass ich große Laster säh', Verbrechen, blutig kolossal, nur diese satte Tugend nicht und zahlungsfähige Moral. (Heinrich Heine)



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Alt 16.03.2018, 23:48   #2
Erich Kykal
TENEBRAE
 
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Hi Faldi!

Ist eben alles subjektiv, und somit auch die Präliminarien des individuellen Gewissens.

Dein Werk erinnert mich an die meisten TV-Diskussionen in Formaten für Gesprächsrunden, wo sich berufene Köpfe erhabenen bis bemessenen Intellekts "ang'scheiteln" (wie der Österreicher sagt ...), bis der Arzt kommt.

Letztlich kommt kaum je was bei raus, selten mehr als ein diffuses Stimmungsbarometer, an dem man seine Ansicht zum jeweiligen Thema nacheichen kann, so man dessen bedarf.

Man erzählt sich gegenseitig das jeweils eigene Credo, und zwar mit bestenfalls vorgetäuschtem Überzeugungscharakter, denn den meisten Disputanten ist - je nach Erfahrungsschatz bezüglich solcher Runden - zuvor schon klar, dass es da nicht um Konsens und Kompromiss geht, sondern um Konfrontation, intellektuellen Schlagabtausch und rhetorisches Geschick.

Die meisten dieser Redner sind Selbstdarsteller, und sie sollen es "für die Quote" ja auch sein. Ebenso funktioniert ja mittlerweile auch die hohe Politik: Man wirbt nicht mehr um Inhalte, sondern ist stets auf der Suche nach dem "neuen großen Gesicht", dem charismatischen Menschenführer, der die Wählerstimmen zu fokussieren vermag. Eben auch einem begnadeten Selbstdarsteller.

Wir haben verlernt, "richtig" miteinander zu kommunizieren. Nur selten (meist SEHR spät und nur bei ernstzunehmenden Kultursendern) findet man eine gut geführte Diskussionsrunde, die sowohl informativ als auch höflich ist, weil man einander ausreden und auch gelten lässt und die eigenen Emotionen zu beherrschen weiß.

In diesem Sinne sehr gern gelesen!

LG, eKy
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Weis heiter zieht diese Elend Erle Ute - aber Liebe allein lässt sie wachsen.
Wer Gebete spricht, glaubt an Götter - wer aber Gedichte schreibt, glaubt an Menschen!
Ein HAIKU ist ein Medium für alle, die mit langen Sätzen überfordert sind.
Dummheit und Demut befreunden sich selten.

Die Verbrennung von Vordenkern findet auf dem Gescheiterhaufen statt.
Hybris ist ein Symptom der eigenen Begrenztheit.
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Alt 17.03.2018, 11:02   #3
Falderwald
Lyrische Emotion
 
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Servus Erich,

ich bin sprachlos, denn du hast es genau auf den Punkt gebracht und meine Intentionen benannt.
Obwohl ich kaum TV schaue, bin ich Donnerstagnacht bei einer Talkrunde hängengeblieben und habe mir das mal angetan.
Es wurde dort nur Mist gequasselt, jeder beharrte auf seinen Standpunkten und versuchte diese zu belegen. Die Politiker in dieser Runde sagten, wie immer, viel und doch gar nichts, sie blieben bei ihren gebetsmühlenartigen Phrasen.

Spontan fielen mir die ersten Zeilen dieses Sonetts ein, die ich auch sofort niederschrieb.
Der Rest hat sich dann entwickelt.

Ich freue mich, dass du das sofort so aufgefasst hast, wie ich es auch gemeint habe.

Vielen Dank für deinen Kommi...


Liebe Grüße

Bis bald

Falderwald


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Alt 17.03.2018, 14:49   #4
Erich Kykal
TENEBRAE
 
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Hi Faldi!

Wenn dich eine exakte Deutung sprachlos macht, darf ich dir dieses Kompliment fürderhin nicht mehr machen, denn ein sprachloser Dichter (!) ist kontraproduktiv!


Es ist immer die Frage, worauf solche Diskussionsrunden abzielen. Meist haben sie nur Alibifunktion, und man tut so, als rede man miteinander, obwohl alle nur darauf abzielen, Werbung für das eigene Gedankengut zu machen. Und genau dazu dienen diese Formate auch, egal, welche "intellektuellen Ansprüche" sie vorschieben.
Ansonsten hofft man auf quotenwirksame Konfrontation - nichts ist fürs Publikum interessanter, als wenn zwei oder gar mehrere dieser Geisteskombattanten die Containance verlieren und sich vor laufenden Kameras anschreien oder gar tätlich werden!

Aus gutem Grund gibt es Koalitionsverhandlungen nur hinter verschlossenen Türen, denn wenn wirklich ein brauchbares Ergebnis unterm Strich stehen soll, hören sich solche "Gespräche" ganz anders an!
Da wird sich gegenseitig erpresst, man ringt sich Zugeständnisse ab, die man den eigenen Wählern noch irgendwie verkaufen kann, nur um die eigenen Einflussmöglichkeiten nur ja nicht zu gefährden. Eine Hand wäscht die andere, und jede weiß, wann sich welche das letzte Mal mit welcher anderen gewaschen hat.
Dort hört man keine idealisierenden Phrasen, keinen Statutensermon, keine eloquentes Tamtam, mit dem den Massen suggeriert werden soll, es gehe um Moral und kulturelle Werte - nein, DA geht es nur und ausschließlich um Macht, und wie man sie erhalten kann.
Würden diese Leutchen sich das öffentlich ausmachen, es würde sie wirklich keiner mehr wählen!

LG, eKy
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Die Verbrennung von Vordenkern findet auf dem Gescheiterhaufen statt.
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Erich Kykal ist offline   Mit Zitat antworten
Alt 18.03.2018, 20:54   #5
Dana
Slawische Seele
 
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Lieber Faldi,
boah, wie wahr und ganz und gar das, was mich immer wieder beschäftigt, auf die Palme bringt. Dein Gedicht bestätigt es.
Ich schließe mich dem Inhalt und dem Kommentar an.
Die Diskutanten bleiben immer auf sich selbst fixiert und käuen ungeniert.
Es stört sie auch nicht, dass sie durchschaut werden.
Darum geht es längst nicht mehr. Was heute wichtig war, zählt morgen nicht mehr. Selbst wenn es zählt, wird es nicht mehr erwähnt. Das "Universum" hat genug zu bieten, um zu übersehen, was bewegt. Es ist schlimm und darum Schlimmeres erforderlich.
Sehr gut dargestellt.
Liebe Grüße
Dana
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Ich kann meine Träume nicht fristlos entlassen,
ich schulde ihnen noch mein Leben.
(Frederike Frei)
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Alt 18.03.2018, 21:28   #6
Chavali
ADäquat
 
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Beiträge: 13.004
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Moin Faldi,

deine Beiträge in dieser Rubrik (und anderswo )
sind stets wohltuend erfrischend ehrlich und bringen die Sache auf den Punkt.
Ist hier jemand, der dir nicht zustimmen würde?

Hervorragend aufgespießt und in einem Gedicht allerster Güte verarbeitet!
Kompliment

Nur der Titel ist ein bisschen blass - wahrlich kein eyecatcher ;-))
Zitat:
Ach ja...
bisschen altjüngferlich, gelle

Lieben Gruß
Chavi
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.
© auf alle meine Texte
Die Zeit heilt keine Wunden, man gewöhnt sich nur an den Schmerz

*
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Alt 18.03.2018, 22:31   #7
Eisenvorhang
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Hi Faldi,

geiles Teil - paar Zeilen erinnern mich vom Sprachklang und Fluss an Rilke.

Was ich nicht oft in Foren vorfinde.

Sehr gern gelesen

Vlg

Ev
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Alt 20.03.2018, 19:57   #8
Falderwald
Lyrische Emotion
 
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Servus Erich,

naja, so ganz sprachlos hat es mich ja nicht gemacht, ich war nur erstaunt darüber, dass du quasi ganz genau das Ereignis erkannt hattest, was mich zu diesem Text inspirierte.
Die heutigen Talkshows sind nichts anderes als Quotenfänger. Jeder Zuschauer findet darin seine persönliche Überzeugung ebenfalls irgendwie vertreten.
Was Politik und Koalitionsverhandlungen angeht, stimme ich dir vollkommen zu. Man könnte dies mit einem leicht abgeänderten Zitat von Otto von Bismarck beschreiben: "Mit der Politik (den Gesetzen) ist es wie mit den Würsten. Es ist besser, wenn man nicht sieht, wie sie gemacht werden."

Danke für deine erneute Rückmeldung


Liebe Dana,

...er hörte eine Stimme, die sprach: "Lächle, es könnte schlimmer kommen." Und er lächelte. Und es kam schlimmer.
Wie es der Text schon beschreibt, jeder meint, die Wahrheit zu kennen und hält sie für die einzig mögliche.
Es gibt zwar den ein oder anderen faulen Kompromiss, doch der kann niemals allen Seiten gerecht werden.
Nach einem Konsenz wir meist erst gar nicht gesucht, obwohl dieser den eigentlichen Ausweg bieten könnte.
Das Universum schert sich einen Dreck um "unsere Probleme" und macht sein eigenes Ding. Das würde ich an seiner Stelle auch so handhaben...
Also komm wieder runter von der Palme, da oben zieht es nur...

Danke für deine Worte...


Hi Chavi,

der Titel ist altjüngferlich?

Ok, ich bin ja auch eine Jungfrau, zumindest vom Sternzeichen her.

Ein anderer Titel ist mir, ehrlich gesagt, auch gar nicht eingefallen. Du kannst ihn eher als so eine Art Stoßseufzer betrachten, so von ganz tief ihnen und voller "resignierender Inbrunst" getragen: Ach ja...

Die Leute labern und labern und labern und am Ende kommt, wie stets, nichts dabei heraus, es ist immer dasselbe. Deswegen kann ich das auch kaum noch ertragen.

Und so glaube ich, dass der Text mit dieser Thematik auch nicht wirklich einen anderen Titel verdient hat.

Ich bedanke mich für deine Kommi...


Hallo EV,

Rilke, ehrlich? Lass das nur den Erich nicht hören, der ist ein großer Rilke Fan...

Aber ich freue mich natürlich, dass dir der Text gefallen konnte.

Danke dafür...



Vielen Dank für eure Gedanken...)

Liebe Grüße

Bis bald

Falderwald


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