Gedichte-Eiland  

Zurück   Gedichte-Eiland > Gedichte > Finstere Nacht

Finstere Nacht Trauer und Düsteres

Antwort
 
Themen-Optionen Ansicht
Alt 28.05.2018, 20:11   #1
Erich Kykal
TENEBRAE
 
Benutzerbild von Erich Kykal
 
Registriert seit: 18.02.2009
Ort: Österreich
Beiträge: 8.570
Standard Seelenverkäufer

Den Bug zerschunden von den Kollisionen,
die keinen stören, fährt das Narrenschiff
mit allen, die es wie ein Volk bewohnen
und sich verschaukeln lassen, Richtung Riff.

Der Mann am Steuer sieht den Kurs verschwommen,
die Brille in der Hand, doch in Gedanken.
Der Maschinist erbricht sich, liegt benommen
von Abgas hustend auf den morschen Planken.

Der Ausguck schreit sich unablässig heiser,
doch niemand hört auf ihn, den Ungelenken.
Zur Nacht erst wird er endlich etwas leiser -
Gefahr kann jeder sich ins Dunkel denken.

Und die Matrosen spielen trunken Fangen
mit irgendetwas, das sie kaum erkennen,
und alle Lieder, die sie früher sangen,
verschweigen sie, wo sie vor Geilheit brennen.

Bei voller Fahrt lässt man den Anker fallen
und wettet lüstern, wann die Kette bricht,
und während Gläubige von Eden lallen,
verbirgt ihr Gott beschämt sein Angesicht.
__________________
Weis heiter zieht diese Elend Erle Ute - aber Liebe allein lässt sie wachsen.
Wer Gebete spricht, glaubt an Götter - wer aber Gedichte schreibt, glaubt an Menschen!
Ein HAIKU ist ein Medium für alle, die mit langen Sätzen überfordert sind.
Dummheit und Demut befreunden sich selten.

Die Verbrennung von Vordenkern findet auf dem Gescheiterhaufen statt.
Hybris ist ein Symptom der eigenen Begrenztheit.

Geändert von Erich Kykal (28.05.2018 um 23:19 Uhr)
Erich Kykal ist offline   Mit Zitat antworten
Alt 28.05.2018, 20:31   #2
Thomas
Erfahrener Eiland-Dichter
 
Benutzerbild von Thomas
 
Registriert seit: 24.04.2011
Beiträge: 3.375
Standard

Lieber Erich,

eine eindrucksvolle Beschreibung des Narrenschiffs. Die Zeile "doch niemand hört auf ihn, den Ungelenken" scheint mir nicht optimal, kann es aber nicht begründen. Das Schlussbild des beschämten Gottes ist fast rührend.

Liebe Grüße
Thomas
__________________
© Ralf Schauerhammer

Alles, was der Dichter uns geben kann, ist seine Individualität. Diese seine Individualität so sehr als möglich zu veredeln, ist sein erstes und wichtigstes Geschäft. Friedrich Schiller
Thomas ist offline   Mit Zitat antworten
Alt 28.05.2018, 21:49   #3
Chavali
ADäquat
 
Benutzerbild von Chavali
 
Registriert seit: 07.02.2009
Ort: Mitteldeutschland
Beiträge: 13.004
Standard

Lieber Erich,

beschreibst du wirklich das Buch *Das Narrenschiff* von Sebastian Brant?

Mir scheint, es könnte auch ein Gleichnis sein.

Super gemacht!

LG Chavali
__________________
.
© auf alle meine Texte
Die Zeit heilt keine Wunden, man gewöhnt sich nur an den Schmerz

*
Chavali ist offline   Mit Zitat antworten
Alt 28.05.2018, 23:25   #4
Erich Kykal
TENEBRAE
 
Benutzerbild von Erich Kykal
 
Registriert seit: 18.02.2009
Ort: Österreich
Beiträge: 8.570
Standard

Hi Thomas, Chavi!

Das Buch "Narrenschiff" kenne ich nicht, das gleichnishafte Bild sehr wohl. Ich schrieb dies als Gleichnis auf eine träge, politikfaule Gesellschaft oder korrupte politische Ordnung (oder eigentlich ja: Unordnung).

Der Kurs eines Landes/Staates, mit dem Präsidenten oder Potentaten als Steuermann, das Volk als Mannschaft oder Passagiere, die Wirtschaftsbosse als Heizer und Maschinisten, und die wenigen Weisen im Ausguck, auf die aber nie jemand hört ...

Vielen Dank für euer freundliches Echo!

LG, eKy
__________________
Weis heiter zieht diese Elend Erle Ute - aber Liebe allein lässt sie wachsen.
Wer Gebete spricht, glaubt an Götter - wer aber Gedichte schreibt, glaubt an Menschen!
Ein HAIKU ist ein Medium für alle, die mit langen Sätzen überfordert sind.
Dummheit und Demut befreunden sich selten.

Die Verbrennung von Vordenkern findet auf dem Gescheiterhaufen statt.
Hybris ist ein Symptom der eigenen Begrenztheit.
Erich Kykal ist offline   Mit Zitat antworten
Alt 29.05.2018, 11:32   #5
Chavali
ADäquat
 
Benutzerbild von Chavali
 
Registriert seit: 07.02.2009
Ort: Mitteldeutschland
Beiträge: 13.004
Standard

Lieber Erich,

ich weiß nicht, ob Thomas auch das *Narrenschiff* meinte?
Zitat:
Zitat von Thomas
eine eindrucksvolle Beschreibung des Narrenschiffs.
Deshalb fragte ich dich, ob dein Text eine Bedichtung desselben wäre
Da hatte ich doch den richtigen Riecher:
Zitat:
Zitat von Ch.
Mir scheint, es könnte auch ein Gleichnis sein.
und wie du schreibst, ist es ja auch so.
Ich hätte noch dazu schreiben können:
unserer Gesellschaft - aber ich wollt mich nicht blamieren, falls es nicht so
gewesen sein sollte

Gern nochmal gelesen!
LG Chavi
__________________
.
© auf alle meine Texte
Die Zeit heilt keine Wunden, man gewöhnt sich nur an den Schmerz

*
Chavali ist offline   Mit Zitat antworten
Alt 29.05.2018, 11:39   #6
juli
Gast
 
Beiträge: n/a
Standard

Hi eKy,

Dein Gedicht erinnert an Staaten, die zu viele alte Menschen als Volk haben. Der demographische Wandel wird verleugnet, es wird einfach so weitergemacht wie immer. Das Schiff ist der Staat. Auch ich finde die letzte S. für mich am Eindringlichsten. Der beschämte Gott dreht sich weg...

Auch ist mir noch ein anderes Bild sofort bei deinem Gedicht in den Kopf geschossen.

Das Schiff: Black Pearl und deren Phantomkapitän : David Jones, der eine Untotenmannschaft regiert. Fies gesagt gibt es schon solche Staaten in Südamerika. Ich hoffe, und ich weiß, dass ich egoistisch bin, dass wir hier mit unseren Staatenschiffen noch eine Weile auf ruhigeren Gewässern schippern.

Ich hoffe die Black Pearl ist nicht zu weit hergeholt.

Sehr gerne kommentiert von ju
  Mit Zitat antworten
Alt 29.05.2018, 16:37   #7
Erich Kykal
TENEBRAE
 
Benutzerbild von Erich Kykal
 
Registriert seit: 18.02.2009
Ort: Österreich
Beiträge: 8.570
Standard

Hi Juli!

Die "Black Pearl" ist das Schiff von Käpt'n Jack Sparrow. Davy Jones fährt den "Flying Dutchman" - den Fliegenden Holländer.

Das mit den alten Leuten mag ein Detail sein, aber es ist die Weltgemeinschaft insgesamt, die blind oder sehenden Auges in den Untergang steuert. Und dank egomanischer Lokalinteressen, Kleinstaaterei und unversöhnlicher politischer oder religiöser Systeme kann niemand das Ruder herumreißen, weil alle nur über den Kurs streiten, oder welche Farbe der Schornstein haben sollte ...

Traurig.

LG, eKy
__________________
Weis heiter zieht diese Elend Erle Ute - aber Liebe allein lässt sie wachsen.
Wer Gebete spricht, glaubt an Götter - wer aber Gedichte schreibt, glaubt an Menschen!
Ein HAIKU ist ein Medium für alle, die mit langen Sätzen überfordert sind.
Dummheit und Demut befreunden sich selten.

Die Verbrennung von Vordenkern findet auf dem Gescheiterhaufen statt.
Hybris ist ein Symptom der eigenen Begrenztheit.
Erich Kykal ist offline   Mit Zitat antworten
Antwort

Lesezeichen


Aktive Benutzer in diesem Thema: 1 (Registrierte Benutzer: 0, Gäste: 1)
 

Forumregeln
Es ist Ihnen nicht erlaubt, neue Themen zu verfassen.
Es ist Ihnen nicht erlaubt, auf Beiträge zu antworten.
Es ist Ihnen nicht erlaubt, Anhänge hochzuladen.
Es ist Ihnen nicht erlaubt, Ihre Beiträge zu bearbeiten.

BB-Code ist an.
Smileys sind an.
[IMG] Code ist an.
HTML-Code ist aus.

Gehe zu


Alle Zeitangaben in WEZ +2. Es ist jetzt 08:02 Uhr.


Powered by vBulletin® (Deutsch)
Copyright ©2000 - 2024, Jelsoft Enterprises Ltd.

http://www.gedichte-eiland.de

Dana und Falderwald

Impressum: Ralf Dewald, Möllner Str. 14, 23909 Ratzeburg