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Denkerklause Philosophisches und Nachdenkliches

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Alt 08.03.2009, 09:49   #1
ReinART
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Liebe Dana
so wie Du das Gedicht aufgesetzt und geschrieben hast, wird dem Leser die ganze Hektik des Alltags übermittelt. Sehr gut gelungen!!!
Dieses Gedicht hätte nicht mit ruhigen, beschaulichen Worten geschrieben werden können!
Ich würde statt creme crem' schreiben- der Metrik wegen und die erste Zeile:
Zitat:
Die Abendstund hat wieder sich gedehnt,
Und wieder hat die Abendstunde sich gedehnt

Deine Fassung kommt mir etwas verdreht vor- aber wie immer: Geschmackssache
Ansonsten sehr gerne gelesen und mich darin wiedererkannt

Lieben Gruß
reinhard
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Alt 08.03.2009, 15:21   #2
Leier
gesperrte Senorissima
 
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Liebe Dana,

ich interpretiere den Inhalt ganz anders als d.k.P.



Die Abendstund hat wieder sich gedehnt,
seit Wochen schon bis weit nach Mitternacht.
Das Folienessen blieb im Kühlschrank stehn,
weil das Projekt dir alles abverlangt.
Dafür hast du den Rotwein dir gegönnt,
wenn alles steht, bist du ein großer Mann.
Mit diesem Traum fällst du wie tot ins Bett.

Der Wecker ruft! Es ist dein Tinnitus,
was du nicht merkst, du hast bereits geduscht.
Mit Zahncremeschaum spuckst du den Albtraum aus
und fast gejagt fliegst du die Stufen ab ( und wie gejagt fliegst Du die Trepp hinab?)
mit dem Termin im Kopf, genau um Acht.
Doch vor der Tür stoppt dich die Dunkelheit.
Du bist allein und endlich aufgewacht.

Die Treppe hoch ist erster Rückwärtsgang,
er zaubert dir ein Lächeln ins Gesicht,
weil du das Maß der Traurigkeit erkennst.
Wann hat zuletzt ein Freund nach dir gefragt,
wann hat der Mond den Weg dir ausgeleuchtet?
Dir wird bewusst, du hast so viel versäumt
für ein Projekt und einen großen Mann.


Ich sehe jemanden vor mir, der von einem Projekt schier aufgefressen, so daß für das "normale" Leben keine Zeit und keine Gedanken mehr übrig sind, bis dann doch irgendwann leicht die Erkenntnis aufblitzt, was es da an Versäumnissen gibt.
Und doch: Weiter, weiter - bis das Projekt unter Dach und Fach und jemand (ein Anderer?) ein großer Mann ist.
Aber ich kann auch danebenliegen.

Es liest sich sehr flüssig und fast wie gereimt, obwohl da keine Reime sind.

Lieben Gruß
von
cyparis

Geändert von Leier (09.03.2009 um 05:46 Uhr)
Leier ist offline   Mit Zitat antworten
Alt 09.03.2009, 00:01   #3
Archimedes
der mit dem Reim tanzt
 
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Ort: SpreeAthen
Beiträge: 565
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Liebe Dana, ich sehe die Interpretation so wie cyparis, ein Termingehetzter mit Verschleißerscheinung, an dem das Leben vorbeigeht.
Für mich ist dein Gedicht nur eine Vorstufe, die letzte Verdichtung fehlt mir. Ich versuche mich mal an deiner letzten Strophe, um zu verdeutlichen, was ich meine:

Die Treppe hoch ist Rückwärtsgang
zum Lächeln in dein Angesicht,
da doch die Traurigkeit war lang.
Hat noch ein Freund nach dir gefragt,
den Weg gezeigt im Mondeslicht,
den längst verloren du, der es gewagt,
Projekt, Termin und Ruhm zu ernten?

Das ist nur ein Vorschlag. Ich meine da müsstest du noch etwas dran arbeiten.
Gruß Archimedes ...der sich mit seinen Kreisen stets abplagt
__________________
gestörte Kreise
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Alt 23.03.2009, 19:52   #4
Dana
Slawische Seele
 
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Lieber kleiner Prinz,
dein Kommentar gefällt mir sehr.
Nichts zu mäkeln (obwohl ich andererseits immer offen und dankbar für jeden Hinweis bin, wo es etwas zu ändern gibt) - aber vor allem deine "Filmgeschichte" an die dich mein Gedicht erinnert hat. Ich kann das direkt nachvollziehen und bin nicht minder berührt.

Lieber ReinART,
wie ich bereits oben schrieb, danke ich für dein aufmerksames Lesen.
Aber: Zähl mal die Silben nach - darin war ich gerade hier sehr penibel und ich würde mit der Satzumstellung zwei Silben mehr haben.
Creme wird in "meinem Umkreis" Crem gelesen.

Eines las ich jedoch ein wenig besorgt: Du hast dich darin wiedererkannt.
Lieber Dichter, ich bestehe darauf, dass du jetzt den Rückwärtsgang einlegst, bitte.


Liebe Cypi,
ich glaube "wie gejagt" übernehme ich gern, danke. Bei der "Trepp" bin ich aber nicht so überzeugt.
Deine Interpretation ist schon korrekt, nur wird der Mann nicht vom Projekt schier aufgefressen. Er läßt sich ganz einvernehmen und verliert sein eigenes Lebensgefühl, bzw. beinahe.


Lieber Archi,
vielleicht habe ich das berühmte Brett vor'm Kopf oder ich bin zu tief in unseren See abgetaucht.
Ich sage ja aus, dass der Termingeplagte im ersten Rückwärtsgang die gesamte Traurigkeit seines Strebens erkennt und flöße ihm Gedanken an Freunde, Spaziergänge und Leben überhaupt ein.
Ich möchte es gern lassen, wie es ist - schlimm?

Ich danke euch allen für's Lesen und eure Gedanken dazu.

Liebe Grüße
Dana
__________________
Ich kann meine Träume nicht fristlos entlassen,
ich schulde ihnen noch mein Leben.
(Frederike Frei)
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Alt 10.06.2009, 00:19   #5
forelle
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Beiträge: 513
Standard Nach Mitternacht

Liebe Dana,

da schon alles interpretiert ist, brauche ich mich nur noch dem Loben hinzugeben
Ich will mal nur leicht anmerken, wie sehr eine zu starke Verdichtung viel
verloren gehen kann. So wie du deine Verse niederschriebst, klingen so viel mehr Emotionen heraus,
als bei dem etwas verdichteterem Beispiel . Da fehlt so viel, dadurch ist es schlecht zu verstehen.

Sehr schön und klangvoll geschrieben - und das bei soooo viel Stress

liebe Grüße von forelle

.
__________________

Es muss einen anderen Weg geben,
durchs Leben zu gehen,
als kreischend und um sich tretend
hindurchgezerrt zu werden.
(Hugh Prather)
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Alt 10.06.2009, 16:23   #6
RiffRaff
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Hallo Dana,

bin mal wieder in Mittwochseile, werde aber in so zwei Stunden mehr Zeit und Ruhe haben. Auf den ersten Durchgang ein sehr fein gearbeiteter Text mit nur sehr kleinen Mankos.

Die Abendstunden hat er wieder ausgedehnt
wie schon seit Wochen bis nach Mitternacht.
Das Chinese-Deli blieb im Kühlschrank stehen
weil das Projekt all seine Zeit verschlingt.

Das ist in aller Eile formuliert, ob das Gedicht nun im "man" oder "du" oder "ich" Form läuft hab ich jetzt nicht so genau beachtet. Es geht da mehr mal ums Prinzip.

So mal auf die Schnelle weil mir das "Abendstund" so gar nicht behagt. Ebensowenig die "fliegst du die Stufen ab". NAchher guck ich nochmal mit dem VErgrößerungsglas, aber im Moment meine ich, dass das die einzigen Stellen sind, die ich quer empfinde.

lG

RiffRaff

Geändert von RiffRaff (10.06.2009 um 16:25 Uhr)
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Alt 10.06.2009, 19:49   #7
RiffRaff
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Hallo Dana,

noch ein Detail:

Zitat:
wenn alles steht, bist du ein großer Mann.
ein Schwein, wer böses dabei denkt. Aber "klappt" anstatt steht vielleicht?

und rennst wie ein gehetztes Wild treppab?

Doch draußen stoppt dich eine Dunkelheit? "Vor der Tür" kann man prima Haare spalten. Ich behaupte, da ist das LI noch im Haus

Zitat:
erster Rückwärtsgang
gibts einen zweiten Rückwärtsgang? Das "erster" klingt so nach Silben- bzw Zeilenfüller.

Zitat:
wann hat der Mond den Weg dir ausgeleuchtet?
leise Inversion ----> Geschmacksfrage

Das war jetzt aber nun wirklich alles. Gern gelesen.

lG

RIffRaff
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Alt 10.06.2009, 20:39   #8
Helene Harding
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Liebe Dana, deine Inversionen geben dem LyrDu etwas Verletzendes, Verstörtes. Es scheint allein darin begründet, bei aller Vielfältigkeit des Lebens > ihm fehlen Freunde. So sitzt er womöglich unendlich allein, in der einen Hand das Glas Rotwein, in der anderen, das ihm derweil elende Produkt der Natur und t/reibt sich hoch, an geilen Gesichtern vorbei, einmal mehr in den kleinen Tod.
Was für eine traurige Gestalt.

Das Wort Krise setzt sich im Chinesischen aus 2 Schriftzeichen zusammen - das eine bedeutet Gefahr und das andere Gelegenheit.
(John F. Kennedy)

Sehr gern gelesen.

alles liebe, Helene
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Alt 16.06.2009, 18:55   #9
Dana
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Liebe forelle,
dass der Stress ernst gemeint ist, siehst du an der Zeit, die ich mir für die Antwort genommen habe.
Aber dein Tauchgang hat mich sehr gefreut.

Lieber RiffRaff,
du bist gut und konstruktiv eingeschritten. Ich habe zuerst erifrig und gern übernommen und legte dann doch einen "Rückwärtsgang" ein.
Ich möchte gern im fünhebigen Jambus bleiben. Schon bei "Abendstunden" wäre er weg und ich hätte sehr viel zu tun.
Vieleicht ist die "Abendstund" auch ein "Generationsproblem". Ich sehe darin sogar einen Hauch Poesie.

Einen zweiten Rückwärtsgang gibt es nicht, aber jener hat das erste Mal einen Rückwärtsgang eingelegt. Dieser Ruck hat etwas bewirkt. Er wurde sich seiner "Übertüchtigkeit" bewusst. (Natürlich habe ich darin auch die Silben ausgezählt.)

Bestimmt nehme ich mir dieses Gedicht noch öfter vor, weil deine Einwürfe mich aufhorchen ließen. Das muss aber in Muße geschehen.

Das mit der Tür ist so eine Sache. Es kommt darauf an, wie man wohnt.
Wenn ich die Stufen hinabjage, draußen stehe und die Tür hinter mir von selbst zuklappt, dann stehe ich schon entweder in der Dunkelheit und manchmal sogar im Regen.
"Klappt" übernehme ich sofort. Es hört sich viel besser beim Projekt an.

Ich liebe nächtliche Spaziergänge, möglichst bei Vollmond. So einen Gang habe ich dem lyr. Ich gegönnt. Einverstanden?

Mir ist ganz wichtig, mich besonders herzlich zu bedanken.
Das ist ja schon eine richtige Gedichtbesprechung

Liebe Helene,
es handelt sich wirklich um eine traurige Gestalt. Das Dilemma besteht aber darin, dass diese Menschen es sehr lange nicht merken. Sie jagen einem Projekt nach, um sich selbst belohnt zu sehen.
Diesem Protagonisten habe ich noch gerade die Kruve kratzen lassen.

Nochmals, herzlichen Dank euch allen zusammen,
liebe Grüße
Dana
__________________
Ich kann meine Träume nicht fristlos entlassen,
ich schulde ihnen noch mein Leben.
(Frederike Frei)
Dana ist offline   Mit Zitat antworten
Alt 16.06.2009, 19:52   #10
RiffRaff
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Hallo Dana

Zitat:
Schon bei "Abendstunden" wäre er weg und ich hätte sehr viel zu tun.
Die Abendstunden sind erneut gedehnt
wie schon seit Wochen bis nach Mitternacht
oder alternativ
bis weit nach Mitternacht, schon wochenlang

Zitat:
Ich sehe darin sogar einen Hauch Poesie
Unschlagbares Argument

Zitat:
Mir ist ganz wichtig, mich besonders herzlich zu bedanken
Wäre nicht nötig gewesen, gern geschehen.
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