Selbstportrait

[Walther]

Selbstportrait


Ich bin der böse Metrenrichter.
Ja, ich vernichte alle Dichter,
Die dichten wie der Schnabel wächst.
Bei mir wird alles weggeflext,

Was hinten etwas übersteht,
Wenn mal bei Reimen nichts mehr geht:
Nicht drechseln, feilen, auch nicht hämmern.
Wenn umgebrochen Zeilen dämmern,

Weil ihr Erfinder halt nichts kann,
Dann muss ich mit dem Versmaß ran,
Erkläre ich, was freier Rhythmus
Im Kern bedeutet. Musenkuss

Ist bei mir Arbeit, nicht von oben.
Kritik kommt bei mir nicht von Loben:
Hart kommt sie, deutlich und mit Wucht.
Drum werde ich gehasst, verflucht,

Man fühlt sich tief im Ich verletzt
Getroffen und als blöd verpetzt.
Am liebsten würd man mich dann killen,
Mit Worten, Tropfen, Messer, Pillen.

Doch ich bleib da und töte Dichter
Als hässlicher Talentvernichter.
Es hilft am Ende nur das Träumen,
Man könnte mich beiseite räumen.

Und ich? Ich liebe meinen Job.
Ich fühl mich gut, ich fühl mich top!
Wenn Widerstand am stärksten schallt,
Erstrahle ich als Lichtgestalt!

Ich bin der Nörgler, bin der Troll,
Den Mund nehm ich ganz gern zu voll,
Mach mir auf dies und das den Reim:
I gotta go. It is high time.

[Falderwald]

Guten Abend Walther,

du bist aber auch ganz schön fies.
Wie kann man die armen Dichter nur so entmutigen?
Wo bleibt da der christliche Gedanke?

So ist das mit den Amateuren,
sie wollen es partout nicht hören,
denn kaum entsprungen aus der Masse,
sind sie ja auch schon Meisterklasse.

Wenn dann erst mal der Kritikus
sich einlässt auf den Lyrikstuss,
dann ist man, statt man sich verteidigt,
am Ende auch noch tief beleidigt.

Dann kommen auch noch diese Schlichter
hinzu, die meinen, jeder Dichter
sei, weil man es nicht besser kennt,
im Grunde ein Naturtalent.

Es gibt die Blinden und die Tauben,
die noch an Gottes Wunder glauben,
und denen man die Meinung lässt:
Oh yes my dear, you are the best.

Manchmal muss so etwas einfach raus.

Nettes Selbstportrait, welches ich gerne gelesen und schmunzelnd und gehässig kommentiert habe...


Liebe Grüße

Bis bald

Falderwald

[Walther]

Lb. Falderwald,

das größte Dummheit begeht, wer sich selbst ernst nimmt. Und es nutzt nichts, sich etwas vorzumachen.

Es freut mich, daß Dich dieses launige Gedicht zu Deinen Versen angestiftet. War ein schmunzelndes Vergnügen, sie zu lesen!

Lieben Dank dafür und besten Gruß W.