ritter der strasse

zu viele ungeübte planken leiten
mich immer wieder auf die falsche bahn,
mein wagen, eingedellt auf allen seiten
hängt öfters würdelos am abschleppkran.

ich hab schon jede ausfahrt falsch genommen,
in jeden auffahrunfall mich verkeilt,
den führerschein hat man mir abgenommen -
mein gott, es hilft kein öv, wenn es eilt!

ich habe es versucht mit geisterfahren,
hab wahllos richtungspfeile umgebracht,
wenn hinweisschilder neu errichtet waren,
bin ich mit sicherheit hineingekracht.

so suche ich seit jahren, tagen, stunden
und hab den gral noch immer nicht gefunden.

[Stimme der Zeit]

Hallo, wolo,

ich habe tatsächlich erst im letzten Vers verstanden, was das Gedicht unter "Auf der Suche nach Spiritualität" zu suchen hat. Gut gemacht!

Ja, der "Gral". Ich vermute, damit ist die Antwort auf die Frage aller Fragen gemeint: Was zum Geier mache ich hier eigentlich? Oder so ähnlich.

Wieder, wie so oft bei dir, ein Gedicht, das die "Suche" mit Humor nimmt. Na ja - was bleibt uns letzten Endes schon anderes übrig?

Also die Beschreibung, wie das LI so "unterwegs" ist, die ist wirklich klasse. Da bin ich nur froh, dass es sich hier um Metaphern handelt, sonst wäre das eine echte Gefahr im Straßenverkehr. Und ich gebe unumwunden zu - ein wenig erkenne ich mich auch darin wieder - äh, ja, aber halb so schlimm, ich hatte nie einen Führerschein, also kann ich nicht so viel Unheil anrichten, bin ja nur Fußgängerin ...

Die Stelle gefällt mir besonders gut:

mein wagen, eingedellt auf allen seiten
hängt öfters würdelos am abschleppkran.

Ich habe ein richtig deutliches Bild vor Augen.

so suche ich seit jahren, tagen, stunden
und hab den gral noch immer nicht gefunden.

Dass du hier eine Antiklimax verwendest, finde ich originell und gelungen, eine feine Idee - die auch inhaltlich darauf hindeutet, dass das LI noch nicht aufgegeben hat, denn die letzte "Suche" ist noch gar nicht lange her.

Formal ist es ein gut gemachtes englisches Sonett: Kreuzreim-Schema, alternierende Kadenzen, das couplet im Paarreim - Lob, wem Lob gebührt!

Es gefällt mir wirklich sehr gut, aber etwas möchte ich anmerken: Du hast in 3 Strophen (2. und 3. Quartett + couplet) 4x habe/hab verwendet und "öv" wird eigentlich xX betont (öffentlicher Verkehr). Letzteres ist aber nicht so wild, ich kann's mir schon zurechtbetonen. Das ist keine Kritik, kann schon alles so bleiben, wie es ist, ich erwähne es nur.

Hm - wenn du den Gral per Auto nicht findest und ich zu Fuß auch nicht, dann sollten wir vielleicht doch mal an früher denken und ein Pferd in Betracht ziehen ...

Gerne gelesen und kommentiert.

Liebe Grüße

Stimme

P.S.: Ich fragte mich, ob der Titel irgendeine besondere Bedeutung hat, und bin bei der Suche im Web auf die Schweizer "Ritter der Straße" gestoßen; das sind "Helden des Straßenverkehrs", die sozusagen einen "Ritterschlag" erhalten, wenn sie Leben unter der Gefährdung des eigenen gerettet haben (z. B. bei einem brennenden Auto). Interessant, wusstest du das?

hallo stimme der zeit
nett, dass du meine geisterfahrt beobachtest, obwohl du nicht zu den autofahrern gehörst. danke für die zahlreichen hinweise.
eigentlich ist es ein "mitmachgedicht": jeder kann im prinzip statt "gral" einsetzen, was ihm passt.
da ich nie bergeifen werde, wie man richtig sonette schreibt, mag ich es, wenn eine häufung von "haben"-formen gleich mal klar macht, dass ich ein prolet bin und bleibe.
trotz meinem vorgeschobenen proleten-poeten-tum sind mir (als schweizer) die ritter der strasse natürlich sehr wohl bekannt. das mit dem pferd werde ich mir überlegen. gebe aber zu bedenken, dass trotz pferd die sänger fahrende hiessen.
wo kann man die korrekte betonung von öv herausfinden? (wir hier und auch meine freunde in südbaden betonen unzweifelhaft das ö).
lg wolo

[Stimme der Zeit]

Guten Morgen, wolo,

und gleich: Ja, du hast recht, jetzt bin ich anders an die "Sache ÖV" herangegangen. Also, mea culpa, mea maxima culpa und einen Kübel Asche auf mein Haupt! Frag mich jetzt aber nicht, wieso ich mir da gestern so sicher war - keine Ahnung. Synapsenfehlschaltung?

Und was das Pferd betrifft: Für mich wäre das ein Fortschritt ...

Nichts für ungut, sieh mir meinen Fehler nach. Mir macht es nichts aus, das auch im "öffentlichen Forumsverkehr" zuzugeben. Niemand ist perfekt. Aber manchmal steht jemand auf dem Schlauch.

Liebe Grüße

Stimme

fehler? culpa? na, na, na...
ich nehme also an, dass wir am hochrhein bis auf weiteres das ö betonen dürfen.
dank und gruss
w.