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Finstere Nacht Trauer und Düsteres

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Alt 24.01.2012, 12:58   #1
Stimme der Zeit
Erfahrener Eiland-Dichter
 
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Standard Bedingungslose Kapitulation.

Bedingungslose Kapitulation.

Die Welt versenkt die letzte Illusion
ins Grab für Hoffnungen und Träume.
Getreten wird, wer längst am Boden liegt;
geschlagen heißt: Noch nicht genug besiegt.
Wer irgendetwas glaubt, der erntet Hohn,

denn was er sagt, bleibt unverstanden.
Ein Narr: Am falschen Ort? Zur falschen Zeit?
Denn alles, was er schreibt, ist Mist.
Warum? Weil er ein Spinner ist,
der fliegt, um ständig bruchzulanden.

Das Gutgemeinte, das ist schlecht,
die Sprache, die er spricht, bleibt fremd.
Er sucht nach einem Platz, um zu verweilen
und legt sein ganzes Herz in seine Zeilen.
Es bricht. Er weint. Doch das wirkt selbstgerecht.

Allmählich lernt ein Träumer, zu verstehen,
das, was er meint, kommt falsch, kommt anders an.
In Wirklichkeit bleibt alles ungelesen
und unerkannt des Schelmen Wunschtraumwesen –
als ob sich dessen Worte selbst verdrehen.

Triumphgefühl, das kann er nicht begreifen,
nur ratlos durch die vielen Worte streifen.
Verständnislos blickt er auf Wut, auf Rache,
auf Ritter, Ehre, Trolle und Duelle.
Was soll er tun? Das ist nicht seine Sache.

Er wehrt sich, hält sich fest an seinem Glauben.
Gelingt es, ihm den letzten Traum zu rauben,
den Traum, dass es noch Dichter gibt,
dass jemand Lyrik, nicht sein Ego liebt
und irgendwo noch Menschen sind,
die dulden, dass er hofft und spinnt,
das Übel anklagt, Wolken räumt,
sein Luftschloss baut und Träume träumt,
dann bleibt ihm nur die Kapitulation
und er verbeugt sich vor dem Königsthron.

Verzweifelt ging er einmal selbst zu weit,
verlor sein Lachen, seine Heiterkeit,
nun kann er beides nicht mehr wiederfinden.
Weil ihm am Kampf, am Krieg, am Sieg nichts liegt,
ergibt er sich. Entkräftet und besiegt.

Ja, er versteht. Es wird nie anders sein.
Der Narr, der war, der ist und bleibt: allein.
Zu viele Tränen. Er gibt auf.
Und lässt den Dingen deren Lauf.
__________________
.

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Dieser Salon entstammt einer Idee von unserem Forenmitglied Thomas, der sich über jeden Beitrag sehr freuen würde.


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Alt 24.01.2012, 14:12   #2
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asphaltwaldwesen
 
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Standard

eine tiefernste "abrechnung" les ich hier, liebe stimme.

das ziehen eines fazits, in dem der "träumer", von seiner umwelt missverstanden, in der rolle des "spinners" aufwacht und erkennt: er ist ein absoluter querschläger, querdenker, einer, der aneckt, obwohl er doch stets nach nähe, nach verstehen sucht.

da schmerzen die zurückweisungen, die fehldeutungen seiner annäherungsversuche umso härter. und da sich das so oft, zu oft, wiederholt - eigentlich dieses muster schon viel zu lange immer gleich abläuft - verliert er irgendwann den glauben in sich selbst. davor vielleicht den in die menschheit, zumindest den glauben in die angeblich gleichgesinnten. vermutlich von allem zusammen ein wenig.

der fall angesichts solcher desillusionierung kann nur ein tiefer sein. der sich selbst einen narren schilt, fällt schließlich aus allen wolken und erkennt erst im fallen, dass es nicht der feste boden war, auf dem er zu laufen meinte.

die frage, ob man alles falsch gemacht hat, ob man ev. selbst "falsch" ist, irgendwie anders gepolt, nicht funktionierend wie der große rest der menschheit, liegt nahe und die stellt der träumer, sich als solchen wähnend, sich in aller härte des aufpralls.

das gebrochen-werden von oder zerbrechen an der erkenntnis, die zugleich aber auf einen nullpunkt zurückwirft und somit andeutet, er müsse alle fragen neu stellen, weil er sie bisher anscheinend alle falsch stellte, kommt im text sehr nahegehend zum ausdruck und packt mich persönlich sehr an.

vermutlich auch, weil ich das so ähnlich recht gut kenne.

seit ich "mich" im raster des Myers-Briggs-Typindikators gefunden und erkannt habe und weiß, dass ich zu einer persönlichkeits-gruppe gehöre, die unter den menschen geschätzte 1 bis 3 prozent ausmacht, kann ich damit umgehen. davor aber war auch ich irgendwann an dem punkt, an dem der narr sich im gedicht nur noch verzweifelnd um sich selber dreht und nicht weiß, wieso. und vor allem nicht weiß, wohin.

Zitat:
Zitat von Stimme der Zeit Beitrag anzeigen
Das Gutgemeinte, das ist schlecht,
die Sprache, die er spricht, bleibt fremd.
Er sucht nach einem Platz, um zu verweilen
und legt sein ganzes Herz in seine Zeilen.
Es bricht. Er weint. Doch das wirkt selbstgerecht.

Allmählich lernt ein Träumer, zu verstehen,
das, was er meint, kommt falsch, kommt anders an.
...

...
ergibt er sich. Entkräftet und besiegt.
[/INDENT][/INDENT]
das trifft es nicht nur sehr genau, sondern auch mich beim lesen gradewegs im herzen.
aus heutiger sicht kann ich dazu sagen:

die "selbstgerechtigkeit" ist es, die tatsächlich "wirkt" in dieser dynamik. für einen selbst ist es das ja nicht - selbstlosigkeit scheint das eigene handeln zu motivieren. man meint es doch gut mit der ganzen welt - oder etwa nicht?
das eigene innenbild und die außenwahrnehmung durch andere - wie es in der psychotherapie so schön heißt - decken sich nicht ausreichend. dadurch kommt es zu diesen ständigen reibereien, zum anecken, sogar zur ablehnung. und da ein "ich immer erst am du wird", haben beide seiten (innen und außen) ihren berechtigten anteil an dieser wahrnehmung.

das ist, was der narr als erkenntnis bräuchte, um sich nicht mehr als solchen fühlen zu müssen.

das thema "nähe und distanz" spielen da eine entscheidende rolle. was der "narr" als liebevolle geste des nahestehens empfindet, ist für viele ein übergriff und kommt völlig falsch an. der narr ist nur insofern einer, als er noch nicht erkannt hat, dass sein maß nicht das maß aller ist. im gegenteil - aufgrund seiner persönlichkeit legt er es ganz anders an und begründet die messlatte auch an anderen kriterien. geht aber davon aus, dass alle so empfinden (müssten?) wie er. oder zumindest viele, vielleicht die meisten. weil einem selbst ja so selbstverständlich ist, was man wie fühlt und denkt.
sich vorzustellen, das manche empfindungen oder glaubenssätze nur man selbst so hat, gelingt einem nicht. wie auch! sie sind einem dermaßen inne, dass man sie als wahrheiten über die welt, über das leben annimmt.

aber genau da liegt die grenze zwischen einem selbst und unendlich vielen "wahrheiten". und eine nähe gibt es in diesem sinne nicht. der narr verhält sich aber so. für seine gegenüber kommt das an wie "selbstgerechte maßregelung" - was es ja auch ist. wenn auch in bester absicht.

den dingen also "ihren lauf zu lassen" ist eine weise entscheidung. die fühlt sich aber erst als solche an - und nicht als resignation - ,wenn der "narr" bei sich erkannt hat, aus welchen gründen diese entscheidung die richtige (und einzig mögliche) ist.

das ist die erkenntnis, die ich dem narr von herzen wünsche. weil sie ihm frieden bringen wird und ihn mit sich selbst aussöhnen. er ist anders. er ist nicht schlechter. er ist nicht "falsch".
die anderen sind es aber auch nicht.

die distanz halten zu können, um zu erkennen, wo versucht wird, andere zu ihrem "glück" zu zwingen, (das gar nicht deren glücksbegriffen entspricht) schützt davor, dieses scheiterkonzept weiterzuführen und sich so immer wieder neue enttäuschungen und vor allem zurückweisungen einzuhandeln.
(es macht übrigens auch aufmerksamer dafür, wo andere dasselbe mit einem versuchen... )

ja - das macht einsam in gewisser weise. aber auch besonders.

Zitat:
Ja, er versteht. Es wird nie anders sein.
Der Narr, der war, der ist und bleibt: allein.
zu entdecken, dass einen die eigene persönlichkeit doch zu einem großen teil "bestimmt" (und in bestimmten ebenen von anderen abgrenzt), ist eine der härtesten lektionen überhaupt, behaupte ich mal.
das gedicht hier beschreibt diese lektion sehr eindringlich.

wenn nun auch noch die schlussfolgerung daraus gezogen wird, dass die ziele des "narren" oder "träumers" nur von ganz wenigen erkannt und geteilt werden, fühlt es sich nicht mehr an wie "allein". man lernt zu unterscheiden zwischen "die anderen" und "die so ticken wie ich". und vor allem lernt man, dass keins davon "besser" oder "schlechter" ist. und man spürt zum ersten mal, wie es sich anfühlt, wenn man sich nicht unter dem "schutz" der masse fühlen darf, weil man eher "ungewöhnlich" "tickt".


ein gedicht, das mir persönlich sehr nahe geht.
auch deshalb sehr gerne gelesen, vieles wiedererkannt und nochmals revue passieren lassen. (was nie schadet)


liebe grüße


fee
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"Gedichte sind Geschenke an die Aufmerksamen" Paul Celan
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Alt 25.01.2012, 13:45   #3
Thomas
Erfahrener Eiland-Dichter
 
Benutzerbild von Thomas
 
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Beiträge: 3.375
Standard

Liebe Stimme der Zeit,

der weise Narr ist im Grunde immer allein und doch nicht. Auch die Rose blüht allein, sie müsste eigentlich nicht schön sein, und ist es doch. Es gibt etwas Tieferes noch, als der alltägliche Schein erkennen lässt, etwas, das in der Zukunft ein Versehen des heute Unverstandenen verspricht.

Wenn das stimme, dann sagt dein Gedicht auch, dass eine Kapitulation ein Sieg, ein schmerzlicher Sieg, aber ein Sieg sein kann. Ist es nicht so?

Liebe Grüße
Thomas

P.S.: Dein Gedicht erinnert mich an etwas, dass ich vor über 10 Jahren schrieb, aber bis heute niemandem gezeigt habe. Ich denke, jetzt ist es Zeit den alten Narren ins Forum zu stellen.
Thomas ist offline   Mit Zitat antworten
Alt 27.01.2012, 14:05   #4
horstgrosse2
Gedankenspringer
 
Registriert seit: 24.04.2009
Ort: Schönbrunn
Beiträge: 192
Standard

@Stimme


Ein mächtiger Text um die Resignation zu beschreiben, wäre bei mir bedeutend weniger geworden.
Narren? Die gibt es wohl noch reichlich. Die Frage aber steht, wer ist da wirklich der Narr, oder die Narren?

Fazit:
Gefällt mir, trotz der „Schwere“. Aber ob die richtigen Narren den Text verstehen?
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