10.10.2012, 23:25 | #1 |
Lyrische Emotion
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Der Angeber
Der Angeber Er wollte täglich sich im Insgeheimen mit jeweils zwei Quartetten und Terzetten in vierzehn Zeilen Klammerreimmanschetten ein biederes Sonett zusammen reimen. Doch lassen sich in klassischen Sonetten nicht Worte nur formal wie Holz verleimen, erst müssen sie in den Gedanken keimen, um sie zu edlen Versen zu verketten. Hart konfrontiert mit solcherlei Problemen streckt mancher Zeilenschinder schnell die Waffen in Anbetracht der anspruchsvollen Themen. Doch heute ist die Muse ihm verblieben, hat er doch, um sich Luft zu schaffen, gleich drei auf einen Handstreich hingeschrieben. Falderwald . .. .
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11.10.2012, 09:40 | #2 |
TENEBRAE
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Hi, Faldi!
Ich hoffe doch sehr, da ist nicht von MIR die Rede! Schönes Sonett, abzüglich der Kleinigkeit, dass die Terzette 3 Reime beinhalten. Zwei wären perfekt gewesen... Da ich diesbezüglich aber im eigenen Glashaus sitze, steht es mir nicht zu, mit Kieseln zu schmeißen. Sprachlich formidabel und inhaltlich kurzweilig, entlarvst und hinterfragst du durch Verwendung derselben Form, deren Verwendung du einen Autor inhaltlich kritisch zeihst, gleichermaßen! Sehr gern gelesen und herzlich geschmunzelt über dieses schöne Lehrstück in ironischer Doppeldeutigkeit! LG, eKy
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Weis heiter zieht diese Elend Erle Ute - aber Liebe allein lässt sie wachsen. Wer Gebete spricht, glaubt an Götter - wer aber Gedichte schreibt, glaubt an Menschen! Ein HAIKU ist ein Medium für alle, die mit langen Sätzen überfordert sind. Dummheit und Demut befreunden sich selten. Die Verbrennung von Vordenkern findet auf dem Gescheiterhaufen statt. Hybris ist ein Symptom der eigenen Begrenztheit. |
11.10.2012, 11:46 | #3 |
Erfahrener Eiland-Dichter
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Hallo Falderwald,
ich möchte mich Erichs Lob anschließen. Du sprichst meiner Meinung nach eine grundlegende Frage an, die über das Sonettschreiben hinausgeht und die Lyrik insgesamt betrifft. Gerade bei moderner Lyrik, habe ich oft den Eindruck, dass das "in den Gedanken keinem" lassen nicht stattgefunden hat. Ich sage das auch aus eigener Erfahrung. Wenn ich vorsichtige Versuche mit angeblich freieren Formen mache, dann bildet sich nach einigem "Gedanken-keimen-lassen" meistens doch eine metrische Form und oft sogar ein Reimschema aus. Dabei habe ich dann nicht das Gefühl etwas an Freiheit verloren zu haben. Ist da nicht seltsam? Liebe Grüße Thomas |
15.10.2012, 22:58 | #4 |
Lyrische Emotion
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Servus Erich,
jeder zieht sich den Schuh an, der ihm passt... Den ironischen und durchaus selbstkritischen Unterton zwischen den Zeilen hast du ja gebührend herausgestellt. Tief zerknirscht musste ich zur Kenntnis nehmen, daß ich es hätte perfekter machen können. Aber ich habe es mir zu Herzen genommen und, wie du schon weißt, in meinem neuesten Text "Lupus" besser gemacht. Momentan liegt mir diese Form einfach und es macht mir einen Höllenspaß, damit zu experimentieren. Ich finde, sie eignet sich u.a. perfekt für ein kurzes Gedicht mit einer knappen und präzisen Aussage, dann kann es richtig "fluffig" kommen. Das sind dann nicht immer Sonette im eigentlichen Sinne, aber was heißt das schon? Danke fürs schmunzeln und das gern gelesen... Moin Thomas, du hast des Pudels Kern erkannt, denn das Sonett steht lediglich stellvertretend für die gesamte Lyrik. Dieses Gefühl, nichts an Freiheit einzubüßen, wenn ich mich in metrischen Gefilden aufhalte, kenne ich nur zu gut. Die handwerkliche Kunst des Dichters besteht darin, die Sprache nach seinem Willen zu formen. Wenn er sich nun eine Form vorgibt, wie z. B. das Sonett, dann muss er seine Sprache dementsprechend strukturieren, d.h. handwerklich bearbeiten, so wie der Bildhauer den Stein und der Maler die Leinwand. Dabei führt jeder seine eigene und ganz persönliche Handschrift, doch sollte das Subjektive des Kunstwerks kein Übergewicht bekommen, weil es sonst zu abstrakt wird. Es sei denn, die Handschrift ist so unverwechselbar, daß sie als außerordentlich oder einzigartig gilt. In diesem Falle wäre diese dann selbst das Kunstwerk, was aber äußerst selten vorkommt. Die schönsten Kunstwerke entstehen, wenn es dem Künstler gelingt, die eigene Muse mit einem hohen Maß an Objektivität zu kombinieren, damit seine Werke von anderen zumindest nachvollzogen werden können. Das aber lassen viele Künstler oft vermissen, weshalb sie sich auch verkannt fühlen, denn für sie ist ihre Kunst absolut nachvollziehbar. Aber das ist nur meine ganz persönliche Sicht der Dinge. Es gibt ja auch Musik, die mir gefällt und solche, die ich nicht hören mag. So geht es mir mit Bildern, Büchern und Gedichten... Ich danke dir für deine lobenden und zustimmenden Worte... Vielen Dank für eure Kommentare, ein Angeber hat sich sehr darüber gefreut... Liebe Grüße Bis bald Falderwald
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16.10.2012, 11:00 | #5 |
Erfahrener Eiland-Dichter
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Hallo Falderwald,
das ist ganz bestimmt nicht nur deine "persönliche Sicht der Dinge". Ein gewisser Goethe war der gleichen Meinung. Natur und Kunst, sie scheinen sich zu fliehen Und haben sich, eh man es denkt, gefunden; Der Widerwille ist auch mir verschwunden, Und beide scheinen gleich mich anzuziehen. Es gilt wohl nur ein redliches Bemühen! Und wenn wir erst in abgemessnen Stunden Mit Geist und Fleiß uns an die Kunst gebunden, Mag frei Natur im Herzen wieder glühen. So ist s mit aller Bildung auch beschaffen: Vergebens werden ungebundne Geister Nach der Vollendung reiner Höhe streben. Wer Großes will, muss sich zusammenraffen; In der Beschränkung zeigt sich erst der Meister, Und das Gesetz nur kann uns Freiheit geben. "Widerwille" bezieht sich darauf, dass dieser Herr Goethe in seinen jungen Jahren Gedichte in freien Rhythmen (wirklich gute) geschrieben hatte und Sonette ursprünglich gar nicht mochte. Liebe Grüße Thomas |
16.10.2012, 18:00 | #6 | |
ADäquat
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17.10.2012, 21:01 | #7 |
Slawische Seele
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Lieber Faldi,
solche Angeber dürfen auf die Tonne hauen, was das Zeug hält. Wer kann, der darf. Ein wunderbares Schmunzel-Sonett, eine herrliche Aussage und ein sehr schöner Kommentarfaden. Liebe Grüße, zugleich einen Extragruß an alle "Angeber" , Dana
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Ich kann meine Träume nicht fristlos entlassen,
ich schulde ihnen noch mein Leben. (Frederike Frei) |
26.10.2012, 21:40 | #8 |
Lyrische Emotion
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Moin Thomas,
ich wusste um des jungen Goethes Abneigung gegen Sonette. Umso erstaunlicher ist es, welch schöne Klanggedichte dieser Art er dann doch geschrieben hat. Und du stellst hier eines der besten, wenn nicht gar sein bestes, vor: Natur und Kunst. Danke, ich habe es gerne wieder gelesen... Hi Chavi, mit Kritik ist das eine Sache, mit Selbstkritik eine ganz andere. Man muss auch wissen, welche Ansprüche man an sich selbst stellt, bzw. stellen kann. Mir ist selbstverständlich klar, daß nicht jeder Text, der dem äußeren Anschein genügt, auch ein Sonett ist. Ich persönlich finde nur diese Form momentan besonders interessant und es ist eine Herausforderung, sich immer wieder aufs Neue darauf einzulassen. Man kann ernste, aber auch humorvolle Themen hineinpacken und vor allem (kleine) wunderbare Begebenheiten wiedergeben. Mir macht das momentan einfach sehr viel Spaß. Sonettigen Dank für die sonettigen Grüße... Liebe Dana, wenn du das sagst, dann will ich das mal tun. Ich freue mich, daß du darüber schmunzeln konntest und deine Grüße sind auch angekommen. .. . Vielen Dank für eure Rückmeldungen an diesen Angeber... Liebe Grüße Bis bald Falderwald
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