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#1 |
TENEBRAE
Registriert seit: 18.02.2009
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Denn sieh: sie werden leben und sich mehren
und nicht bezwungen werden von der Zeit, und werden wachsen wie des Waldes Beeren, den Boden bergend unter Süßigkeit. Denn selig sind, die niemals sich entfernten und still im Regen standen ohne Dach; zu ihnen werden kommen alle Ernten, und ihre Frucht wird voll sein tausendfach. Sie werden dauern über jedes Ende und über Reiche, deren Sinn verrint, und werden sich wie ausgeruhte Hände erheben, wenn die Hände aller Stände und aller Völker müde sind.
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Weis heiter zieht diese Elend Erle Ute - aber Liebe allein lässt sie wachsen. Wer Gebete spricht, glaubt an Götter - wer aber Gedichte schreibt, glaubt an Menschen! Ein HAIKU ist ein Medium für alle, die mit langen Sätzen überfordert sind. Dummheit und Demut befreunden sich selten. Die Verbrennung von Vordenkern findet auf dem Gescheiterhaufen statt. Hybris ist ein Symptom der eigenen Begrenztheit. |
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#2 |
TENEBRAE
Registriert seit: 18.02.2009
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Die armen Worte, die im Alltag darben,
die unscheinbaren Worte, lieb ich so. Aus meinen Festen schenk ich ihnen Farben, da lächeln sie und werden langsam froh. Ihr Wesen, das sie bang in sich bezwangen, erneut sich deutlich, dass es jeder sieht; sie sind noch niemals im Gesang gegangen und schauernd schreiten sie in meinem Lied. Ich bin zu Hause zwischen Tag und Traum. Dort wo die Kinder schläfern, heiß vom Hetzen, dort wo die Alten sich zu Abend setzen, und Herde glühn und hellen ihren Raum. Ich bin zu Hause zwischen Tag und Traum. Dort wo die Abendglocken klar verklangen und Mädchen, vom Verhallenden befangen, sich müde stützen auf den Brunnensaum. Und eine Linde ist mein Lieblingsbaum; und alle Sommer, welche in ihr schweigen, rühren sich wieder in den tausend Zweigen und wachen wieder zwischen Tag und Traum. Du musst das Leben nicht verstehen, dann wird es werden wie ein Fest. Und lass dir jeden Tag geschehen so wie ein Kind im Weitergehen von jedem Wehen sich viele Blüten schenken lässt. Sie aufzusammeln und zu sparen, das kommt dem Kind nicht in den Sinn. Es löst sie leise aus den Haaren, drin sie so gern gefangen waren, und hält den lieben jungen Jahren nach neuen seine Hände hin. Vor lauter Lauschen und Staunen sei still, du mein tieftiefes Leben; dass du weißt, was der Wind dir will, eh noch die Birken beben. Und wenn dir einmal das Schweigen sprach, lass deine Sinne besiegen. Jedem Hauche gieb dich, gieb nach, er wird dich lieben und wiegen. Und dann meine Seele sei weit, sei weit, dass dir das Leben gelinge, breite dich wie ein Feierkleid über die sinnenden Dinge. Schau, wie die Zypressen schwärzer werden in den Wiesengründen, und auf wen in den unbetretbaren Alleen die Gestalten mit den Steingebärden weiterwarten, die uns übersehn. Solchen stillen Bildern will ich gleichen und gelassen aus den Rosen reichen, welche wiederkommen und vergehn; immerzu wie einer von den Teichen dunkle Spiegel immergrüner Eichen in mir halten, und die großen Zeichen ungezählter Nächte näher sehn. Ich war ein Kind und träumte viel und hatte noch nicht Mai; da trug ein Mann sein Saitenspiel an unserm Hof vorbei. Da hab ich bange aufgeschaut: "Oh Mutter, lass mich frei..." Bei seiner Laute erstem Laut brach etwas mir entzwei. Ich wusste, eh sein Sang begann: Es wird mein Leben sein. Sing nicht, sing nicht, du fremder Mann: Es wird mein Leben sein. Du singst mein Glück und meine Müh, mein Lied singst du und dann: Mein Schicksal singst du viel zu früh, so dass ich, wie ich blüh und blüh, - es nie mehr leben kann. Er sang. Und dann verklang sein Schritt, - er musste weiterziehn; und sang mein Leid, das ich nie litt, und sang mein Glück, das mir entglitt, und nahm mich mit und nahm mich mit - und keiner weiß wohin... Es ist noch Tag auf der Terasse. Da fühle ich ein neues Freuen: wenn ich jetzt in den Abend fasse, ich könnte Gold in jede Gasse aus meiner Stille niederstreuen. Ich bin jetzt von der Welt so weit. Mit ihrem späten Glanz verbräme ich meine ernste Einsamkeit. Mir ist, als ob mir irgendwer jetzt leise meinen Namen nähme, so zärtlich, dass ich mich nicht schäme und weiß: ich brauche keinen mehr. Der Abend ist mein Buch. Ihm prangen die Deckel purpurn in Damast; ich löse seine goldnen Spangen mit kühlen Händen, ohne Hast. Und lese seine erste Seite, beglückt durch den vertrauten Ton, - und lese leiser seine zweite, und seine dritte träum ich schon. Ich fürchte mich so vor der Menschen Wort. Sie sprechen alles so deutlich aus: Und dieses heißt Hund und jenes heißt Haus, und hier ist Beginn und das Ende ist dort. Mich bangt auch ihr Sinn, ihr Spiel mit dem Spott, sie wissen alles, was wird und war; kein Berg ist ihnen mehr wunderbar; ihr Garten und Gut grenzt grade an Gott. Ich will immer warnen und wehren: Bleibt fern. Die Dinge singen hör ich so gern. Ihr rührt sie an: sie sind starr und stumm. Ihr bringt mir alle die Dinge um. Nenn ich dich Aufgang oder Untergang? Denn manchmal bin ich vor dem Morgen bang und greife scheu nach seiner Rosen Röte - und ahne ein Angst in seiner Flöte vor Tagen, welche liedlos sind und lang. Aber die Abende sind mild und mein, von meinem Schauen sind sie still beschienen; in meinen Armen schlafen Wälder ein, - und ich bin selbst das Klingen über ihnen, und mit dem Dunkel in den Violinen verwandt durch all mein Dunkelsein. Die Nacht ist wie eine schwarze Stadt, wo nach stummen Gesetzen sich die Gassen mit Gassen vernetzen und sich Plätze fügen zu Plätzen, und die bald an die tausend Türme hat. Aber die Häuser der schwarzen Stadt, - du weißt nicht, wer darin siedelt. In ihrer Gärten schweigendem Glanz reihen sich reigende Träume zum Tanz, - und du weißt nicht, wer ihnen fiedelt... Das ist die Sehnsucht: wohnen im Gewoge und keine Heimat haben in der Zeit. Und das sind Wünsche: leise Dialoge täglicher Stunden mit der Ewigkeit. Und das ist Leben. Bis aus einem Gestern die einsamste von allen Stunden steigt, die, anders lächelnd als die andern Schwestern, dem Ewigen entgegenschweigt.
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Weis heiter zieht diese Elend Erle Ute - aber Liebe allein lässt sie wachsen. Wer Gebete spricht, glaubt an Götter - wer aber Gedichte schreibt, glaubt an Menschen! Ein HAIKU ist ein Medium für alle, die mit langen Sätzen überfordert sind. Dummheit und Demut befreunden sich selten. Die Verbrennung von Vordenkern findet auf dem Gescheiterhaufen statt. Hybris ist ein Symptom der eigenen Begrenztheit. Geändert von Erich Kykal (31.12.2012 um 09:01 Uhr) |
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#3 |
ADäquat
Registriert seit: 07.02.2009
Ort: Mitteldeutschland
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![]() Hier habe ich ein tolles Gedicht entdeckt:
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#4 |
Slawische Seele
Registriert seit: 07.02.2009
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Beiträge: 5.637
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Das Lied vom Dichter (Heinrich Seidel)
Was ein gerechter Dichter ist, Macht Verse fast zu jeder Frist, Er reitet seinen Pegasum Und dichtet Alles um und um. Darum wird er auch selten fett, Denn morgens früh in seinem Bett, Bevor ein Andrer kaum erwacht, Hat er schon ein Sonett gemacht. Terzinen werden eingestippt, Wenn er den Blümchen-Kaffee nippt; Verzehrt zum Frühstück er sein Ei, Macht er ein Triolett dabei. Und wenn er seine Suppe isst, Er löffelweis' die Jamben misst, Und wenn er seinen Braten kaut, Im Geiste er Trochäen baut! Thut weiter nichts in dieser Welt, Darum hat er auch nie kein Geld! Dies kümmert ihn zu keiner Frist, Weil's auch ein Stoff zum Dichten ist. Hat er kein Bett, hat er kein Haus, So macht er ein Gedicht daraus! Hat er ein Loch im Rock, im Schuh So stopft er es mit Strophen zu! Nichts ist zu gross, nichts ist zu klein: Er sperrt's in seine Verse ein. Nur was man nicht besingen kann, Das sieht er als ein Neutrum an. Der Frosch, der auf der Wiese hüpft, Die Maus, die in ihr Löchlein schlüpft, Der Käfer, der im Teich ersoff, Sind alle miteinander "Stoff". Was kühn noch in die Lüfte strebt, Was schon die Erde umgebebt, Ob heil und ganz, ob kurz und klein - In seinen Vers muss es hinein! So zählt er seine Silben ab Vergnügt bis an sein kühles Grab, Und unter seinen letzten Band Schreibt "finis" hin des Todes Hand. Was ein gerechter Dichter ist, Benutzet auch die letzte Frist, Macht eine Grabschrift noch zuvor Und legt sich auf sein Dichterohr. Die Leute stehen trauervoll Dann um sein Grab und schauervoll. Ein Jeder denkt sich, was er will, Doch meist: "Gottlob, nun ist er still!" Es wächst dann in der Jahre lauf Dort eine Zitterpappel auf; Und ob der Wind schläft oder wacht: Die Blätter flüstern Tag und Nacht!
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Ich kann meine Träume nicht fristlos entlassen,
ich schulde ihnen noch mein Leben. (Frederike Frei) |
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#5 |
ADäquat
Registriert seit: 07.02.2009
Ort: Mitteldeutschland
Beiträge: 13.009
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![]() Sehr schön, Dana Tod der Armen Es ist der Tod, der Trost und Leben schenkt;
Er ist das Ziel, das einzig Hoffnung macht, Ein Elixier, das uns berauschend tränkt, Und Mut gibt, durchzuhalten bis zur Nacht, Durch Sturm und Schnee ist er das schwache Licht, Für uns am dunklen Horizont entzündet; Ist jene Bleibe, die das Buch verspricht, wo man zur Rast ein Mahl und Schlummer findet, Ein Engel, dessen Finger lockend zeigen Den Schlaf und Träume, die uns übersteigen; Armen und Nackten er ein Bett bereitet; Der Götter Ruhm, der Speicher, der nie leer, Der Armen Beutel, Heimat von jeher, Das Tor, das uns zu fremden Himmeln leitet! Charles Baudelaire *
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#6 |
Lyrische Emotion
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![]() Sonett Die lange Winternacht will nimmer enden, Als käm’ sie nimmermehr, die Sonne, weilet; Der Sturm mit Eulen um die Wette heulet; Die Waffen klirren an den morschen Wänden. Und off’ne Gräber ihre Geister senden: Sie wollen, um mich her im Kreis vertheilet, Die Seele schrecken, daß sie nimmer heilet; - Doch will ich nicht auf sie die Blicke wenden. Den Tag, den Tag, ich will ihn laut verkünden! Nacht und Gespenster werden vor ihm fliehen: Gemeldet ist er schon vom Morgensterne. Bald wird es licht, auch in den tiefsten Gründen: Die Welt wird Glanz und Farbe überziehen, Ein tiefes Blau die unbegränzte Ferne. Weimar 1808. Arthur Schopenhauer, 1788-1860
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Oh, dass ich große Laster säh', Verbrechen, blutig kolossal, nur diese satte Tugend nicht und zahlungsfähige Moral. (Heinrich Heine) Für alle meine Texte gilt: © Falderwald --> --> --> --> --> Wichtig: Tipps zur Software |
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#7 |
ADäquat
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![]() Einer meiner Lieblingsdichter: Theodor Storm Gedenkst du noch? Gedenkst du noch, wenn in der Frühlingsnacht
Aus unserm Kammerfenster wir hernieder Zum Garten schauten, wo geheimnisvoll Im Dunkel dufteten Jasmin und Flieder? Der Sternenhimmel über uns so weit, Und du so jung; unmerklich geht die Zeit. Wie still die Luft! Des Regenpfeifers Schrei Scholl klar herüber von dem Meeresstrande; Und über unsrer Bäume Wipfel sahn Wir schweigend in die dämmerigen Lande. Nun wird es wieder Frühling um uns her, Nur eine Heimat haben wir nicht mehr. Nun horch ich oft, schlaflos in tiefer Nacht, Ob nicht der Wind zur Rückfahrt möge wehen. Wer in der Heimat erst sein Haus gebaut, Der sollte nicht mehr in die Fremde gehen! Nach drüben ist sein Auge stets gewandt: Doch eines blieb - wir gehen Hand in Hand.
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#8 |
Kiwifrüchtchen
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Mechtildis unter der Buche (Ludwig Strauss)
Auszug: Als sie seufzte, wurden Geister Wach in Bäumen, letzten Blumen, Schwebten auf und schwebten nieder, Webten fein ein glänzend Leinen, Nahmen ihr die schlichten Kleider, Hüllten sie ins Sterbeleinen Tauchten in die künftigen Tage, Griffen in die künftigen Sommer, Wählten Rosen, sie zu schmücken, Weiße Rosen für die Stirne, Rote Rosen für die Brust. Als die Bilder in den Augen Der Mechtildis sanft erloschen, Füllte ihren Blick ein zarter, Innrer Schimmer grünen Laubs.
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.................................................. ........................................... "Manchmal ist es so demütigend, ein Mensch sein zu müssen..." Erich Kykal Geändert von Lailany (13.07.2014 um 06:23 Uhr) |
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#9 | |
ADäquat
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![]() Das Feuerschiff
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#10 |
Kiwifrüchtchen
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Aus
"Hugdietrichs Brautfahrt" von Wilhelm Hertz. Dieser Auszug fasziniert mich deshalb so sehr, weil er eindrucksvoll die Kraft der Bildersprache demonstriert. Aus der schier überwältigenden Fülle der hier in 28 Kurzzeilen geschilderten Eindrücke und Einzelheiten ließe sich ein exquisites Gemälde schaffen. In solchen Momenten wünsche ich mir nichts sehnlicher, als malen zu können. Sie trug ihn am Gestad entlang Und glitt durch einen Felsengang. Der mündete nach kurzer Zeit In eine Grotte hoch und weit. Still kreist die Fluth mit dichtem Schaum, Und grüne Dämm'rung füllt den Raum; Nur durch der Wölbung Ritzen bricht In Streifen goldnes Tageslicht. Doch durch die Pfeilerhallen, Da geht ein seltsam Schallen, Ein Klimpern und ein Klirren, Ein Schnurren und ein Schwirren: Es sitzt mit schilfdurchflocht'nem Haar Am Webstuhl rings der Nixen Schar. Die Stühle sind von schlankem Bau, Korallenroth und veilchenblau, Die Muschelschifflein hüpfen, Die Perlenfäden schlüpfen, Und von des Meersterns Spule rollt Melodisch das geschmeid'ge Gold. Sie weben Schleier und Gewand, Zu fein der feinsten Menschenhand. Sie weben Mäntel ohne Gleichen, Unschätzbar in der Erde Reichen, Mit lichten Wappenschildern Und wundersamen Bildern Aus uralt dunkeln Sagen Von längst vergess'nen Tagen.
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.................................................. ........................................... "Manchmal ist es so demütigend, ein Mensch sein zu müssen..." Erich Kykal Geändert von Lailany (15.07.2014 um 06:43 Uhr) |
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