04.01.2014, 04:38 | #1 |
Furzeulenlyriker
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Eiswind
Erst wenn die letzte Illusion zerschrotet,
die letzte faule Träumerei vorbei, und wenn das Leben, diese Zoterei, die jeder Komik bar, sich ausgezotet, wenn alles Hohle gründlich ausgelotet, der Blick gewendet und nach vorne frei, wenn jede scheuverklappte Eselei auf hohe See gesetzt und ausgebootet, geschieht es, daß sich alle Nebel legen. Dann bläst ein schroffer Eiswind dir entgegen, und es erlöschen Wunsch und Traum und Schwäche. Dir aber öffnet sich auf allen Seiten, zu ungeahnten, jäh erkannten Weiten, die klare Sicht auf gleißend weiße Fläche. |
04.01.2014, 11:35 | #2 |
TENEBRAE
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HI, Schamansky!
Ein gelungenes Sonett über die Zweischneidigkeit der Erkenntnis. Wer lieber im Nebel der Unwissenheit und des Glaubens befangen bleiben will, öffne die Augen nicht, denn die klare Kälte dieses Universums ertrüge er nicht, und er würde in der Weite der grellen Realität jämmerlich erfrieren. Viele ziehen eben ein kleineres, diffuseres Universum vor, verbringen ihr Leben in einer engen, aber geborgen wirkenden scheinheilen Welt, die nicht die Wirklichkeit spiegelt, sondern das, was man gerne dafür halten möchte. Die watteweiche Illusion dieses Nebels ist greifbarer, tröstlicher als die nie endende Suche nach der wahren Grenze des Wissenkönnens! Was mich einzig hier störte, waren die unvollständigen Sätze. Ich biete mal Alternativen an: Ist erst die letzte Illusion zerschrotet, die letzte faule Träumerei vorbei, und hat das Leben, diese Zoterei, der Komik bar, sich endlich ausgezotet, ist alles Hohle gründlich ausgelotet, der Blick gewendet und nach vorne frei, und jede scheuverklappte Eselei auf hohe See gesetzt und ausgebootet, geschieht es, daß sich alle Nebel legen. Dann bläst ein schroffer Eiswind dir entgegen, und es erlöschen Wunsch und Traum und Schwäche. Dir aber öffnet sich auf allen Seiten, zu ungeahnten, jäh erkannten Weiten, die klare Sicht auf eine weiße Fläche. Diese Zeile war einen Heber zu lang für ein Sonett. Ausgesprochen gern gelesen und beklugfummelt! LG, eKy
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Weis heiter zieht diese Elend Erle Ute - aber Liebe allein lässt sie wachsen. Wer Gebete spricht, glaubt an Götter - wer aber Gedichte schreibt, glaubt an Menschen! Ein HAIKU ist ein Medium für alle, die mit langen Sätzen überfordert sind. Dummheit und Demut befreunden sich selten. Die Verbrennung von Vordenkern findet auf dem Gescheiterhaufen statt. Hybris ist ein Symptom der eigenen Begrenztheit. |
04.01.2014, 20:02 | #3 |
Furzeulenlyriker
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Nein, nein, nein.
Die Quartette sind eine klimaktische Aufschichtung von Konditionalsätzen, die sich in Z9 in den Hauptsatz, die Folge auflösen. --- WENN 1. die letzte Illusion zerschrotet, 2. die letzte Träumerei vorbei, 3. das Leben sich ausgezotet, 4. das Hohle ausgelotet, 5. der Blick frei, 6. die Eseleien ausgebootet, DANN geschieht es, daß sich alle Nebel legen. --- Ein System von Bedingungen, damit eine Konsequenz eintreten kann. An dieser syntaktischen Struktur werde ich nichts ändern. Die letze Zeile ist, so wie sie da steht, metrisch einwandfrei. Fünfhebiger Jambus, weibliche Kadenz. Und ein netter Binnenreim in "gleißend weißer". Das bleibt. xX xX xX xX xXx Geändert von Schamansky (04.01.2014 um 20:06 Uhr) |
04.01.2014, 20:20 | #4 |
TENEBRAE
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Hi, Schamansky!
Uups - da habe ich in der letzten Zeile wohl unbewusst beim Lesen den unbestimmten Artikel mit eingebaut - sorry! Dass der Satz mit "eine" statt "gleißend" aber stilistisch schöner und melodisch runder wäre, kannst du wohl kaum leugnen! Das bringt uns zu deiner "Konstruktion" in den Quartetten: Viel zu lang, um übersichtlich zu sein oder leicht verständlich lesbar, zudem fehlen trotzdem jede Menge Hilfszeitwörter, was nicht schön klingt, egal, ob es korrekt ist oder nicht (was ich bei dir ohnehin nicht anzuzweifeln wage...). Wie du ja weißt, geht es bei guter Lyrik eben nicht allein um grammatikalische Korrektheit, auch Sprachmelodie und Satzaufbau spielen eine wesentliche Rolle für den Lesegenuss. Einzig diese gedachte ich zu befördern und nicht, dich einer Unrichtigkeit zu zeihen! LG, eKy
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Weis heiter zieht diese Elend Erle Ute - aber Liebe allein lässt sie wachsen. Wer Gebete spricht, glaubt an Götter - wer aber Gedichte schreibt, glaubt an Menschen! Ein HAIKU ist ein Medium für alle, die mit langen Sätzen überfordert sind. Dummheit und Demut befreunden sich selten. Die Verbrennung von Vordenkern findet auf dem Gescheiterhaufen statt. Hybris ist ein Symptom der eigenen Begrenztheit. |
04.01.2014, 20:26 | #5 |
Eiland-Dichter
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finde dieses Werk echt sehr überzeugend und gut gelungen, nicht nur weil es sich schön liest, sondern gerade auch deswegen, weil hier sehr viel Tiefsinn enthalten ist.
Vielleicht würde ich nach meiner eigenen philosophischen Überzeugung nicht behaupten, dass Erkenntnis erst mit Ablegen von Träumen und Illusionen einhergehen muss - das ganze zielt aber wahrscheinlich ohnehin nicht darauf ab eine philosophische Bewusstseinstheorie zu publizieren, sondern vielmehr den damit verbundenen gesellschaftlichen Aspekt, wie von Erich treffend formuliert, aufzuzeigen. Aber echt ein tolles Werk, schön zu lesen!
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Es ist nicht wenig Zeit, die wir haben, sondern es ist viel Zeit, die wir nicht nutzen. Lucius Annaeus Seneca |
04.01.2014, 20:36 | #6 |
Furzeulenlyriker
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Erich:
a) Dir fehlen da ein paar "ist" und ein "hat". Das muß ich anerkennen. Allerdings wird die Konjunktion "wenn" viermal wiederholt, um die konditionale Syntaxstruktur zu stützen. Das muß, finde ich, reichen. b) Ich finde die "gleißend weiße" Fläche melodischer und schöner, und das ist unbestritten reine Geschmackssache. --- gerig1: Um gesellschaftliche Aspekte geht es hier überhaupt nicht, eher um den Weg des Zen, soviel ich davon begriffen habe, und das ist ungefähr soviel, um mir vom Zen-Meister den Stock über die Rübe hauen zu lassen. Erst müssen die Schleier der Maya komplett hinweg, bevor überhaupt etwas gesehen werden kann. Bis dahin ist alle Wahrnehmung nur Illusion. Geändert von Schamansky (04.01.2014 um 20:41 Uhr) |
04.01.2014, 21:57 | #7 | |
Eiland-Dichter
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Zitat:
Ahja, die Stock-und-Rüben-Technik zur Prajna-Einstellung Nein aber wenn man einen Gesellschaftsaspekt sucht, kann man sicher auch anmerken, dass gerade in sehr materialistischen Kulturen wie unserer westlichen Welt zum Teil starker Nebel einen gewissen bewussten Klarblick in die wahre Welt verschleiert. Nur philosophisch gesehen kann man wieder zur Frage des Seins, der Existenz an sich und was überhaupt als wirkliche Welt gesehen werden kann, kommen. In jedem Fall interessante Aspekte in einem interessanten Gedicht verpackt.
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04.01.2014, 22:13 | #8 | |
Furzeulenlyriker
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Zitat:
Und ja, ein guter Teil der faulen Träumereien, Hohlheiten und Eseleien sind von der umgreifenden Kultur determiniert, jetzt sehe ich es auch. Du hast recht, der Gesellschaftsaspekt ist da. Er ist eigentlich immer da, nichts ist isoliert. |
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