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Denkerklause Philosophisches und Nachdenkliches

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Alt 12.08.2014, 01:34   #1
Erich Kykal
TENEBRAE
 
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Standard Was wir sehen

Wir sehen Schönheit, und der Klang der Dinge
erhebt den Geist zu mancher Sinfonie,
indes wie sehr das Herz auch damit singe,
die letzte Note übersteht es nie.

Wir sehen Wahnsinn, und der Schmerz des Lebens
zerstückelt uns und wirft uns aus dem Takt,
als wären alle Sinfonien vergebens,
und alle Herzen darin schlügen nackt.

Wir sehen Größe, und das Licht der Güte
erleuchtet den vernunftgeweihten Pfad
zur wahren Reife und zu voller Blüte,
der letzten Speiche auf dem großen Rad.

Wir sehen Kleinmut, und die Sterne blassen
und sinken unbesungen, ohne Glanz
nach einer Ordnung, die sie ganz erfassen
und prüfen will in oberster Instanz.

Wir sehen uns, und ewig unser Trachten
durch viele Augenblicke dieser Welt,
und lieben, hassen, achten und verachten
das eigne Lied und den, dem es gefällt.
__________________
Weis heiter zieht diese Elend Erle Ute - aber Liebe allein lässt sie wachsen.
Wer Gebete spricht, glaubt an Götter - wer aber Gedichte schreibt, glaubt an Menschen!
Ein HAIKU ist ein Medium für alle, die mit langen Sätzen überfordert sind.
Dummheit und Demut befreunden sich selten.

Die Verbrennung von Vordenkern findet auf dem Gescheiterhaufen statt.
Hybris ist ein Symptom der eigenen Begrenztheit.

Geändert von Erich Kykal (24.07.2019 um 01:10 Uhr)
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Alt 12.08.2014, 11:40   #2
a.c.larin
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Ort: wien
Beiträge: 4.893
Standard

hi erich,
ich fange da mal gleich von hinten an:
schlimme sache, wenn man das eigene lied nicht mag und auch nicht den , dems gefällt!
was ist da zu tun?

das lied ändern?
oder doch die einstellung zum eigenen lied?
schließlich heißt es ja : liebe deinen nächsten wie dich selbst ( moderner formuliert. ich bin ok- du bist ok.

wenn man sich selber aber nicht ok fühlt ist es gar kein wunder, dass man dieses gefühl in die welt hineinprojiziert.
so wie der film, den man im kino an der leinwand betrachtet, ja gar nicht "vor" einem ist, sondern eingentlich "hinten" im vorführraum.
großer trugschluss:
das, was einem das leben vor augen führt, hat man meist eigentlich dahinter -nämlich im eigenen kopf!

man muss also schon sehr auf dieses kopfkino achtgeben.
klar kanns da sein, dass einem mancher film nicht gefällt.
deshalb aber gleich den ganzen projektor zu verschmähen, scheint übertrieben.
öfter mal die filmrolle wechseln, das wäre das thema!


jetzt erhebt sich nur noch die eine frage: wie geht das?

wie auch immer es gehen kann: ohne lernen und üben geht es nicht!


und jetzt springe ich ganz nach vorne.
das ist wohl eine zutiefst philosophische frage:
gibt es die "schönheit an sich" - oder existiert sie nur im auge des betrachters?
und wäre dann mit dem verschwinden des betrachters auch die schönheit verschwunden?
an beispiel "musik von mozart" : wenn sie mir gefällt und ich versterben - ist diese musik dann weniger schön? nein, wirst du sagen - es gibt ja auch noch andere leute.
stimmt, soweit richtig. aber gesetzt denn fall, alle wären weg?
wenn alle menschen weg sind, gibts das ganze problem nicht mehr - da stellt sich keiner mehr diese frage.
und ist dann die schönheit immer noch schön?

strophe zwei: schlimme dinge überlagern schöne erlebnisse sofort!
da ist unser gehirn leider so gemacht.
es war für den affen im urwald viel überlebenswichtiger, rechtzeitig angst vor dem tiger zu haben als sich über die schöne, gelbe banane zu freuen, die er in händen hat!
daher sind wir immer noch sehr leicht auf die palme zu treiben - banane hin oder her.

Wir sehen Größe und Kleinmut und hätten so gerne was Absolutes -End- Gültiges (weil es uns ein Gefühl der Sicherheit gibt in einer unsicheren Welt?) und müssen und dennoch mit einem Haufen Relativität herumschlagen. (Und durch die moderne Medien kriegen wir jede Menge davon rund um die Uhr ins Haus geliefert, oder gleich aufs Handy, gewissermaßen "körperwarm"....
Ob wir uns damit wirklich ein Gefallen getan haben???

Und dann werden wir letzten Endes doch wieder nur auf uns selbst zurückgeworfen, als Anfang und Endpunkt aller Betrachtungen.
Was heißt das also?
Dass man zuallererst die Beziehung zu sich selbst auf eine gute Basis stellen müsste - denn wo könnte man sonst stehen, wenn nicht genau da, wo man steht?

Was wir sehen ist, wie wir stehen - wie es um uns steht. Und so geht es uns dann auch im Leben.

Aber es gibt ja immer noch ein kleines Wunder, und das heißt: Lernen!

Ein plastisches Gehirn modifiziert sich zeitlebens! (Hirnphysiologisch nachgewiesen!)

Somit könnte jeden Tag etwas ganz Neues passieren:

Wir dürfen also hoffen, und diese Hoffnung ist nicht unbegründet.


lg, larin
__________________
Cogito dichto sum - ich dichte, also bin ich!

Geändert von a.c.larin (12.08.2014 um 11:45 Uhr)
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Alt 12.08.2014, 12:37   #3
Erich Kykal
TENEBRAE
 
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Hi, larin!

Ich fürchte, du hast die letzten Zeilen - und damit meine Intention - missinterpretiert.

Ich schrieb ja: "lieben (UND) hassen, achten UND verachten - darin liegen immer BEIDE Extreme. Es soll die Vielzahl der Möglichkeiten, je nach persönlicher Sichtweise, andeuten, mit der wir Wertmaßstäbe an das eigene und das Leben anderer anlegen - je nachdem, was und wie wir es eben "sehen".

Auch in den Strophen spiegeln sich diese Extreme: einer positiven folgt stets eine negative Sichtweise, so wie wir es gerne tun, wenn wir bewerten und einordnen. Je nach Menschenschlag, Kulturkreis, ja sogar Charakter oder purer Laune des einzelnen könnte es sich dabei sogar um ein und dieselbe Sache handeln.

Was ich aussagen wollte: Was wir sehen, ist eben nie die "Wahrheit". Absolute Objektivität gibt es nicht, und des einen Himmelreich ist eines anderen Hölle.
In unseren Maßstäben sind wir derart subjektiv und emotional, dass wir niemals an einem Strang ziehen werden, diesbezügliche Utopien verbieten sich schon auf Grund unserer divergierenden Wahrnehmungsfilter und soziokulturellen Prägungen.

Dasselbe gilt für die Selbstsicht: Wir lieben oder hassen uns selbst, je nach Auslegung des Konformitätsgrades. Was in der einen Kultur erwünscht sein mag, gilt in einer anderen vielleicht als unsittlich oder als Charaktermangel. So subjektiv beurteilen wir sogar uns selbst!

LG, eKy
__________________
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Geändert von Erich Kykal (13.08.2014 um 10:33 Uhr)
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Alt 16.08.2014, 20:25   #4
Dana
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Lieber eKy,

ich weiß, dass ich mich hier wiederhole, aber es passt immer wieder:

"Das Leben ist gar nicht so. Es ist ganz anders." (K. Tucholsky)

Gerade heute habe ich eine kleine Lehrstunde in Punkto SEHEN angeschaut, beim Schalten nur, also Ausschnitte. Sie hat mich sehr beeindruckt.

Nicht minder dein Gedicht, das in lyrischer Sprache wiedergibt, was wir sehen oder zu sehen glauben und das die Eindrücke sehr subjektiv und nicht zuletzt wandelbar sind.
Fast kann man es auch physikalisch betrachten - alles ist in Bewegung und wir können nichts festhalten.
Wie du schon in der Antwort an Larin geschrieben hast:

Zitat:
Zitat von Erich Kykal
Je nach Menschenschlag, Kulturkreis, ja sogar Charakter oder purer Laune des einzelnen könnte es sich dabei sogar um ein und dieselbe Sache handeln.
Das Gedicht klingt nur scheinbar "traurig", gibt aber eine wahre Erkenntnis wieder.

Vor allem hat mir aber wieder einmal die Sprachkunst imponiert:

Jede Strophe beginnt gleich (Chavali hat den Ausdruck dafür in einem anderen Gedicht von dir benannt - Anaphern) - nach jedem Komma im ersten Vers ein "und" und es fließt gerade darum.

Die letzte Strophe pointiert das Sehen auf unvergleichliche Weise.
Ein und dieselbe Sache, ein und derselbe Mensch wird nicht nur von anderen, auch von uns selbst für ein und dasselbe geliebt, gehasst, geachtet und verachtet werden.

(Wieder einmal ein Gedicht, bei dem ich glaube mehr verstanden zu haben, als ich in Worten erklären kann. )

Liebe Grüße
Dana
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Ich kann meine Träume nicht fristlos entlassen,
ich schulde ihnen noch mein Leben.
(Frederike Frei)
Dana ist offline   Mit Zitat antworten
Alt 17.08.2014, 09:55   #5
a.c.larin
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hi eky,

gut möglich, dass ich deine zeilen anders verstanden habe, als du sie gemeint hast.

ich lese die letzten zeilen mehr individuell - ein individuum, das sich selbst hasst tut es - warum?

ich glaube nicht, dass an diesem selbsthass primär die "gesellschaft" ganz allgemein "schuld" ist - sondern sehe die verursachung eher in einem konliktreichen beziehungsgefüge zur wichtigen personen der persönlichen herkunftsgeschichte. ( also eltern, großeltern, familie im weiteren sinne)

kinder, die in ihre familien gut eingebettet sind, können sich nämlich emotional ganz gut behaupten gegen gesellschaftlichen" gegenwind" ( und zwar ganz ohne selbsthass, nämlich deshalb, weil sie die liebe der eltern hinter sich wisssen)

selbsthass bedeutet immer unsicherheit über den eigenen wert - und das entsteht vor allem im innersten kern der familie.....

diese perspektive ist also mir dazu eingefallen und ich wollte sie mitteilen.

ambivalenzen treten natürlich am allerfhäufigsten auf.
was es aber bedeuten mag, den zu verachten, dem das eigene lied gefällt, mag ich jezt gar nicht weiter erörtern. (heißt wohl soviel wie: ich bin nicht ok- wenn du mich aber ok findest, so wie ich bin, dann bist du auch nicht ok. ist das nicht das strickmuster, aus dem eine tiefe ausweglosigkeit resultiert? )

möge jeder an sich auch was gutes finden - egal, was andere dazu sagen!

lg, larin
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Cogito dichto sum - ich dichte, also bin ich!
a.c.larin ist offline   Mit Zitat antworten
Alt 17.08.2014, 13:43   #6
Erich Kykal
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Hi, Dana, larin!

Ich bedanke mich für eure vertiefenden Ausführungen und pflichte rundweg bei!

LG, eKy
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