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Alt 20.08.2014, 19:58   #1
Claudi
Senf-Ei
 
Registriert seit: 26.04.2014
Beiträge: 861
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Lieber Thomas,

dass ich an Deinem Sonett inhaltlich gar nichts zu meckern finde, wird Dich, wenn Du auch mich verstanden hast, jetzt nicht wundern. Du nimmst Bezug auf Faldis provokante Verse, insbesondere auf diesen:

Zitat:
du, Leser, bist auch nicht der Verse Richter
Was gemeint war, und das weißt Du , war das öffentliche Richten, speziell in Kommentaren, wie sie in Gedichteforen üblich sind. Selbstverständlich darfst Du Dir Deine eigenen Gedanken machen, so lange Du genießt und schweigst. Wer sollte Dir das verbieten wollen? Und Du verstehst sehr wohl, die Grenze zu wahren. Als Kommentator meiner Texte hast Du mir noch nie ein Problem bereitet, weil Dich die äußere Hülle so wenig interessiert, dass das LI zwischen uns einfach kein Thema ist.

Eine Diskussion, die wir mal über das LI hatten, wurde von einer dritten Person angestoßen. Und der verbale Ausrutscher ergab sich auch in einem anderen Kontext, nämlich weil Du Erich in seiner Offenheit bestätigen wolltest.

"Selbsternannte Wortkünstlerin" trifft das, was ich am liebsten mache, übrigens ziemlich genau und entspricht meiner Selbstwahrnehmung viel, viel besser als das Wort "Dichterin", das ich für mich noch nie ernsthaft verwendet habe. Ja, ich sehe überhaupt keinen Grund, es zu leugnen, die Worthülle ist mir in den meisten meiner Werke wichtiger als der Inhalt. Oft verändere ich die Kernbotschaft und sage etwas völlig anderes, weil mir ein originelles Wortspiel eingefallen ist.

Echte Mitteilungsgedichte, wie ich sie manchmal meinem Mann schreibe, veröffentliche ich gar nicht. Aber jetzt weiß ich, warum Du Dir einmal unter einem meiner wenigen ernsten Gedichte mehr davon gewünscht hast.

Doch zurück zu Deinem Sonett, das ja nun wirklich eine eindringliche Botschaft hat. Dreimal Huren kann man schon ein bisschen happig finden. Ich nicht. Durch diese klassische Steigerungsform, die man bei der zweiten Erwähnung noch nicht bemerkt, wird das erste Terzett für mich wirklich zu einem lyrischen Highlight:

Zitat:
Es ist die Freiheit, die dem Leser bleibt,
die in den Huren stets Madonnen spiegelt,
und immer ein Geheimes ich entsiegelt,
Sehr schön! Die gespiegelten Madonnen werden mich für eine ganze Zeit begleiten. Mehr möchte ich Dein Werk nicht zerreden. Ich denke, wir verstehen uns schon.


Liebe Grüße
Claudi
__________________
.
Rasple die Süßholzwurzel so fein, dass es staubt, in den reichlich
Abgestandenen Quark; darüber verträufele Wermut,
Bis aus dem Rührwerk, Burps! endlich das Bäuerchen kommt.

Geändert von Claudi (20.08.2014 um 20:01 Uhr)
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Alt 20.08.2014, 20:42   #2
Falderwald
Lyrische Emotion
 
Benutzerbild von Falderwald
 
Registriert seit: 07.02.2009
Ort: Inselstadt Ratzeburg
Beiträge: 9.986
Standard Der lyrische Leser

Moin Thomas,

auch ich habe formal nichts zu kritteln, vor allem nach der Änderung von "selbsternannte" in "eloquente Wortekünstler".

Selbstverständlich respektiere ich die Freiheit und die Meinung des Lesers.
Manche von ihnen bewundere ich sogar:

Der lyrische Leser

Ja, meinetwegen sei du, Leser, Richter,
du bist allwissend wie der liebe Gott,
dein Urteil ist verbindlich, sapperlot,
auf deinem Haupte leuchten tausend Lichter.

Gespiegelt wirkt ein Hurenbild als schlichter
madonnenhaft-romantischer Bankrott,
die Ironie des Schicksals wird zum Spott,
es zeigt den Leser, aber nicht den Dichter.

Geheimnisvoll eröffnet sich der Reigen
des eloquenten Lesers, seine Thesen
macht er in seiner Freiheit sich zu eigen.

Er kann dem Dichter aus der Feder lesen
und ihm die eignen Intentionen zeigen.
Wie klug ist doch ein solches Leserwesen…

Auf jeden Fall ist das eine interessante Diskussion und dabei noch sehr inspirierend.


Gerne gelesen und kommentiert...


Liebe Grüße

Bis bald

Falderwald
__________________


Oh, dass ich große Laster säh', Verbrechen, blutig kolossal, nur diese satte Tugend nicht und zahlungsfähige Moral. (Heinrich Heine)



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