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#1 |
Lyrische Emotion
Registriert seit: 07.02.2009
Ort: Inselstadt Ratzeburg
Beiträge: 9.947
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Servus Erich,
die Diskussion bezüglich der formellen Dinge habe ich interessiert gelesen. Ich frage jetzt mal, warum du nicht, wenn du schon nicht unreflektiert an gewissen Vorgaben der Form klebst, auch einfach noch einen Schritt weitergehst. Man könnte durchaus auch die strenge Struktur der Strophen aufbrechen, und trotzdem bleibt das Sonett ein Sonett: "Geschwinde ziehen an der alten Linde die Winde eines Frühlingstags vorüber. Von Knospen quellen ihre Zweige über, und neues Moos ergrünt in dunkler Rinde. Das ist der Ort, an dem ich Ruhe finde, versunken in entufernden Gedanken, und wo die Äste in der Brise schwanken, erwächst mir Traulichkeit, dem müden Kinde im Arm der Mutter gleich, darin geborgen. In warme Lüfte, die sie weiter tragen, entgleiten milde alle welken Sorgen ins Niemandsland erblauender Gefilde, als könnten sie mich niemals wieder plagen als dunkler Fleck auf diesem bunten Bilde." Auch dies könnte eine moderne Form des Sonetts sein, da sind mir schon einige andere untergekommen. Mir persönlich gefallen die strophenübergreifenden Enjambements nämlich auch nicht in allen Fällen. Meines Erachtens ist es sinnlos, einen Text in äußerliche Sinnabschnitte, sprich Strophen, zu gliedern, nur um einer gestrengen Form gerecht zu werden. Das Gedicht würde unter einer Änderung sicherlich nicht leiden. Denn inhaltlich und sprachlich gefällt mir der Text ausgesprochen gut. Er beschreibt schöne Bilder und erschafft eine angenehme und leichte Atmosphäre, in die man sich, genau wie der Protagonist, gern fallen lassen möchte. Noch eine Anmerkung zum Schluss. Müsste es in der letzten Zeile nicht die Flecken heißen? Es entgleiten ja die welken Sorgen, die den Protagonisten nicht mehr plagen können. Und da dies mehrere und verschiedene Sorgen sind, wäre es nur logisch, dass diese auch mehrere Flecken auf dem bunten Bilde ergäben. Vielleicht: "als dunkle Flecken auf dem bunten Bilde" ? Das Sonett und seine darin transportierten Aussagen haben mir gut gefallen. ![]() Sehr gern gelesen und kommentiert... ![]() Liebe Grüße Bis bald Falderwald
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Oh, dass ich große Laster säh', Verbrechen, blutig kolossal, nur diese satte Tugend nicht und zahlungsfähige Moral. (Heinrich Heine) Für alle meine Texte gilt: © Falderwald --> --> --> --> --> Wichtig: Tipps zur Software |
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#2 |
TENEBRAE
Registriert seit: 18.02.2009
Ort: Österreich
Beiträge: 8.570
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Hi, Faldi!
Das Problem mit diesen "modernen" Versionen: Mitunter ERKENNT man sie gar nicht mehr als Sonett, da die Strophenform 4-4-3-3 einen sehr hohen Wiedererkennungswert hat. Viele erkennen sogar nur unmittelbar daran, dass es sich bei einem Text um ein Sonett handeln soll. Ich MÖCHTE aber, dass man meine Sonette auf jeden Fall als solche erkennt. Und ehrlich gesagt finde ich dir von dir vorgeschlagene Aufteilung - mag sie die Sinneinheiten des Inhalts auch besser transportieren - vergleichsweise optisch plump und behäbig - wie Strophen mit Übergewicht! ![]() Kaum eine mögliche Form wirkt optisch so elegant wie diese magische 4-4-3-3! Da nehme ich strophenübergreifende Enjambements gern in Kauf. Der versierte Leser schafft derlei auch flüssig - auf jeden Fall beim 2. Anlauf! ![]() Zu deiner Frage bezügleich der Flecken: Wenn man jeden Fleck für sich nimmt (es mögen viele sein, aber eben hintereinander oder zusammenhanglos auftretend), also quasi eine Sorge nach der andern, die das bunte Bild befleckt, dann kann man es so schreiben, da jede Sorge eben nur EIN Fleck ist, bzw. EINEN Fleck macht. Oder man betrachtet alle Sorgen GESAMMELT als einen einzigen Fleck. ![]() Falsch ist es jedenfalls nicht - nach meinem "Gefühl"! ![]() Ich könnte es ändern: "als dunkle Flecken auf dem bunten Bilde." - Es klänge sogar flüssiger! Leider steht dieses Werk schon so wie oben in meinem neuen Buch ... Dein guter Tipp kommt also leider etwas zu spät. Vielen Dank für deine Gedanken! ![]() LG, eKy
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Weis heiter zieht diese Elend Erle Ute - aber Liebe allein lässt sie wachsen. Wer Gebete spricht, glaubt an Götter - wer aber Gedichte schreibt, glaubt an Menschen! Ein HAIKU ist ein Medium für alle, die mit langen Sätzen überfordert sind. Dummheit und Demut befreunden sich selten. Die Verbrennung von Vordenkern findet auf dem Gescheiterhaufen statt. Hybris ist ein Symptom der eigenen Begrenztheit. Geändert von Erich Kykal (15.06.2015 um 17:37 Uhr) |
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#3 |
Lyrische Emotion
Registriert seit: 07.02.2009
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Servus Erich,
ich weiß, dass es so in deinem Buch steht, aber dort konnten wir es nicht besprechen. Hier aber können wir grundsätzliche Gedanken erörtern. Natürlich kann ich dir auch nur sagen, wie der Text auf mich wirkt und ich mich persönlich zumindest mit dem ersten Enjambement im Sonett einfach nicht anfreunden kann. Eben weil es diese magische 4-4-3-3 - Aufteilung hat, erwarte ich da einfach etwas anderes. Ob du nun als Autor möchtest, dass der Text als Sonett erkannt wird oder nicht, ist für mich als Leser in einem gedruckten Buch z. B. zunächst einmal völlig egal, ich werde es für mich trotzdem anmerken und sehe die strenge Struktur unterbrochen. Wenn lediglich die Quartette oder die Terzette solcherweise miteinander verbunden wären, dann würde ich das wohl widerspruchslos hinnehmen, wenn es Sinn macht. Hier wirkt es aber, als ob den Aussagen, die in die Quartette gehören, einfach zu viel Platz eingeräumt wurden, der ihnen strukturell eigentlich gar nicht zusteht. Wofür dann also noch die strenge 4-4-3-3 - Form, die sich auf diese Weise meines Erachtens selbst ad absurdum führt? Aber das sind nur meine Gedanken dazu. ![]() Bei den Flecken verhält es sich so, dass ich sie für mich nicht auf einen einzigen Fleck beschränken mag. Dafür nehme ich im Leben zu viele Rollen ein, in denen Probleme und Sorgen auftreten können. Und alle diese müssen dann auch in der entsprechenden Rolle gelöst oder verarbeitet werden. ![]() Aber wie du schon schriebst, die Angelegenheit ist gegessen, das Buch gedruckt und wir können es dabei belassen. ![]() Liebe Grüße Falderwald
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#4 |
TENEBRAE
Registriert seit: 18.02.2009
Ort: Österreich
Beiträge: 8.570
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Hi, Faldi!
Für mich ist die Strophenstruktur ein so wesentlicher Bestandteil des Konstruktes "Sonett", dass ich nicht darauf verzichten mag, Sinneinheit her oder hin. Belassen wir es dabei - eine individuelle Macke eben ... ![]() LG, eKy
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Weis heiter zieht diese Elend Erle Ute - aber Liebe allein lässt sie wachsen. Wer Gebete spricht, glaubt an Götter - wer aber Gedichte schreibt, glaubt an Menschen! Ein HAIKU ist ein Medium für alle, die mit langen Sätzen überfordert sind. Dummheit und Demut befreunden sich selten. Die Verbrennung von Vordenkern findet auf dem Gescheiterhaufen statt. Hybris ist ein Symptom der eigenen Begrenztheit. |
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#5 |
Senf-Ei
Registriert seit: 26.04.2014
Beiträge: 861
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Hi Erich,
verzeih, wenn ich mich hier nur zur umstrittenen Gliederung äußere. Ich sehe keinen Grund, Dir Deine sprachlichen Vorlieben schlechtzureden, nur weil ich sie persönlich so gar nicht teilen kann. Deine Strophenaufteilung finde ich thematisch weitgehend stimmig: 1. Quartett: Geschwindigkeit 2. Quartett: Ruhe 1. Terzett: Geborgenheit - nur der letzte Vers (Entgleiten) nimmt bereits Kurs auf den ersehnten "Idealzustand" im 2. Terzett: Vergessen der Sorgen V11 kann ich aber als Übergang, der sich aus dem Geborgenheitsgefühl entwickelt, problemlos noch dem 1. Terzett zuordnen. Nach meinem Verständnis geht es in der Sonettstruktur nicht darum, die Sätze thematisch zu bündeln, sondern die einzelnen Verse. Es gibt Autoren mit dem Bestreben, den Satzbau dem Vers vollkommen anzugleichen, also jeden Satz mit dem Versende enden zu lassen. Kann man so machen, muss man m.E. aber nicht. Die Gliederungseinheit im Gedicht ist doch wohl unumstritten der Vers. Deswegen finde ich es andererseits überhaupt nicht abwegig (auch wenn ich das selbst selten mache), dem Vers in puncto "Großschreibung am Anfang" den gleichen Rang einzuräumen wie dem Satz. Das kann ich gut so stehen lassen, ohne jedes Mal darauf rumzureiten, wenn ich es bei anderen sehe. ![]() Kurz gesagt: Nach meinem Empfinden kannst Du die Strophenaufteilung so lassen. Liebe Grüße Claudi
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. Rasple die Süßholzwurzel so fein, dass es staubt, in den reichlich |
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#6 |
TENEBRAE
Registriert seit: 18.02.2009
Ort: Österreich
Beiträge: 8.570
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Hi, Claudi!
Danke für dein unterstützendes Argument, das mir sehr gefallen hat. Bloß mit dem Großschreiben jeder neuen Verszeile stehe ich auf Kriegsfuß: Nur beim Akrostichon finde ich das angebracht, ansonsten führt es eher zu Missverständnissen und Irritation, wenn Bindeworte, Fürwörter, Eigenschaftsworte oder Verben plötzlich groß geschrieben werden, bloß und nur weil sie am Beginn einer Zeile platziert sind! ![]() ![]() Da verliest man sich leicht oder steht erst mal so da: ![]() Nein, ich finde es natürlicher und vor allem nicht so großspurig, im Gedicht die normale deutsche Rechtschreibung walten zu lassen. In bescheidenem Gewand erhöhe der Vers seinen Inhalt, und die schlichte Schönheit der Sprache räume ihm den Platz ein, den er verdient. Grundsätzliche Großschreibung vorneweg ist nur eine Form von lyrischer Wichtigtuerei - nach meinem Empfinden. ![]() LG, eKy
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Weis heiter zieht diese Elend Erle Ute - aber Liebe allein lässt sie wachsen. Wer Gebete spricht, glaubt an Götter - wer aber Gedichte schreibt, glaubt an Menschen! Ein HAIKU ist ein Medium für alle, die mit langen Sätzen überfordert sind. Dummheit und Demut befreunden sich selten. Die Verbrennung von Vordenkern findet auf dem Gescheiterhaufen statt. Hybris ist ein Symptom der eigenen Begrenztheit. |
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