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Alt 22.11.2015, 06:52   #1
charis
/ Bil-ly /
 
Registriert seit: 02.10.2015
Beiträge: 435
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Bodo hat mich auf eine Idee gebracht:

Das zarte Wort

Ich trage dieses Wort für dich,
der du vor Mord und Terror fliehst,
für dich, der aus der Heimat wich,
weil du dort keine Zukunft siehst.

Fürs Volk, das man brutal verriet,
hüt ich das Wort mit Herz und Hand,
für euch, die ihr im Chaos kniet,
beschimpft, verfolgt im eignen Land.

Ich wetze diesen Wort voll Wut
für euch, die ihr von weither kamt,
ihr sucht ein Heim, seid ohne Mut
und hofft, dass jemand sich erbarmt.

Ich stoße diesen Wort ins Mark
der Feigheit und Xenophobie.
Wann blitzt das Wort in eurer Hand,
und siegt das Herz mit dem Verstand?

Dann werden zarte Worte stark
und zwingen Wahnsinn in die Knie.
Durchtrennt das faulige Geflecht,
Barmherzigkeit wiegt mehr als Recht.

Lieben Gruß
charis

Geändert von charis (22.11.2015 um 06:54 Uhr)
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Alt 24.11.2015, 14:10   #2
Sidgrani
Von Raben umkreist
 
Benutzerbild von Sidgrani
 
Registriert seit: 27.12.2009
Ort: Am Niederrhein
Beiträge: 1.059
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Liebe Poeten und Poetinnen,

ich danke euch für eure Gedanken und die Zeit, die ihr ganz offensichtlich mit meinem Gedicht verbracht habt. Ihr habt mir wertvolle Anregungen gegeben.
Ja, liebe Lai, es war mir ein Anliegen, als Dichter etwas zu dem wohl größten Problem dieses Jahrhunderts beizutragen. Hoffentlich wird es die Terrorgefahr nicht noch überflügeln.

Der Paarreim, lieber Sanssouci, hat sich mehr oder wenig automatisch ergeben. Wahrscheinlich habe ich es sogar unbewusst so gewollt.

Ich habe inzwischen zur Kenntnis genommen, dass der Dolch eine unglückliche Wahl war. Das wurde mir auch in einem lokalen Forum hier am Niederrhein bewusst gemacht. Dabei habe ich ihn nicht als reale Waffe verstanden. „Was wolltest du mit dem Dolche, sprich? Die Stadt vom Tyrannen befreien.“ Das waren meine Idee und mein Ziel. Mit Hilfe der Metapher vom Tyrannen befreien. Schnee von gestern.

Die "frevelhafte Bourgeoisie" ist nun, ebenso wie andere Passagen, der Änderung zum Opfer gefallen. Für die guten Vorschläge bin ich euch, Bodo und Charis, wirklich sehr dankbar.

Ich freue mich, das war doch eine fruchtbare Zusammenarbeit.

Liebe Grüße
Sid
__________________
Alle meine Texte: © Sidgrani

"Nur wer erwachsen wird und Kind bleibt, ist ein Mensch"

»Erich Kästner«
Sidgrani ist offline   Mit Zitat antworten
Alt 28.11.2015, 01:27   #3
Lailany
Kiwifrüchtchen
 
Benutzerbild von Lailany
 
Registriert seit: 23.05.2009
Ort: nördlich von Auckland/Neuseeland
Beiträge: 945
Standard

Lieber Sid,
na das ist ja jetzt richtig stattlich geworden!
All die guten Rat- und Vorschläge und die Weise, wie du sie eingearbeitet hast, haben einen sehr guten Text zu einem ausgezeichneten Werk gemacht.
Prima!

HG von Lai
__________________
.................................................. ...........................................
"Manchmal ist es so demütigend, ein Mensch sein zu müssen..." Erich Kykal
Lailany ist offline   Mit Zitat antworten
Alt 28.11.2015, 10:27   #4
wolo von thurland
Gast
 
Beiträge: n/a
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Hallo Sidgrani

Die ganze Entwicklung und Umarbeitung hier ist echt spannend. Könnte man von A bis Z in ein Schulbuch über "engagierte Gedichte" abdrucken, mit Gewinn für Lehrer wie Schüler.

Nun bin ich allerdings ein Fan von Metaphern, auch wenn sie mir selber normalerweise nicht gut "in der Hand liegen". Deshalb sähe ich kein Problem, wenn "der Dolch" hier weiterhin in ganzer Schärfe vorkäme, sofern man jeden Zweifel an der echten Meuchelabsicht des Lyrischen Ichs ausräumen könnte. (Welche bei Schiller hinwiederum einen wichtigen Teil der Dichtung darstellte.)

Der Missgriff mit dem Wort Bourgeoisie, welcher für die meisten Leser nicht mal Sinn ergibt, schädigt auch die Dolch-Metapher.

Aber wenn der bereinigt ist, könnte auch der Dolch bestehen bleiben, z.B. so:

Ich stoße diesen Dolch ins Mark
der Missgunst und der Apathie.
Wann wird die Liebe endlich stark
und zwingt den Wahnsinn in die Knie?

Wann blitzt der Dolch in eurer Hand?
Wann siegt das Herz, zwingt's den Verstand?
Durchtrennt nun fauliges Geflecht!
Barmherzigkeit wiegt mehr als Recht!

So müsste m.E. der Dolch unzweideutig als Waffe des Geistes (oder der Emotionen) verstanden werden können.
Dein Gedicht handelt ja gerade davon, dass die Liebe, die Gute Absicht, das Herz zu wenig ausrichten und fragt: Wann ist es endlich so weit, dass die drei genügend Schärfe und Durchsetzungskraft erreichen?
Darum finde ich dieses Dolchproblem (welches ich bei deiner Originalfassung durchaus auch habe) so interessant.

Gruss
Wolo

edit: Ich dachte eigentlich, s1 biis s3 mehr oder weniger wie im Original zu belassen. Aber Bodos neu hinzugefügte Idee (s.u.) macht irgendwie auch Sinn.

Geändert von wolo von thurland (29.11.2015 um 09:24 Uhr)
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Alt 28.11.2015, 10:58   #5
Claudi
Senf-Ei
 
Registriert seit: 26.04.2014
Beiträge: 861
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Hallo Sid,

jetzt bin ich froh, dass Wolo eine so gute Alternative für S4 anbieten konnte. Ich habe den Dolch in Deiner Überarbeitung auch vermisst. Der kam so authentisch als Wutmetapher rüber und war eigentlich das Herzstück des Ganzen. Ich würde den Vorschlag unbedingt annehmen und das Dolchgedicht als Hauptversion behalten. Damit hast Du mich wirklich erreicht. Chapeau!

LG Claudi
__________________
.
Rasple die Süßholzwurzel so fein, dass es staubt, in den reichlich
Abgestandenen Quark; darüber verträufele Wermut,
Bis aus dem Rührwerk, Burps! endlich das Bäuerchen kommt.
Claudi ist offline   Mit Zitat antworten
Alt 28.11.2015, 19:45   #6
Bodo Neumann
Gesperrt
 
Registriert seit: 14.12.2014
Beiträge: 351
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Hallo Sidgrani und der ganze Rest...

ich fand schon deine Überarbeitung richtig klasse. Du hast unsere Vorschläge nicht einfach nur eingearbeitet, sondern sie gut überlegt ausgefeilt. Einzig die Wiederholung von "Liebe" in S4 und S5 schien mir überflüssig.
Ich selbst hätte wohl auch auf die Titeländerung in "Barmherzigkeit" verzichtet, da mir (persönlich) dieser Begriff zu religiös besetzt ist und so gar nicht ausdrückt, was in den folgenden 20 Versen auf den Leser zukommt - nämlich eine geballte Ladung Kraft und Energie, erzeugt in einer Explosion aufgestauter Wut. Vor allem dieser emotionale Aspekt, der hier im Vordergrund steht, ist es, der mir hier besonders gefällt. Er wirkt sehr authentisch und dadurch nicht belehrend, über den Ereignissen stehend.

Vor dem Hintergrund dieser beiden Kritikpunkte plädiere ich eindeutig für Wolos Idee, den Dolch ab S4 wieder einzuführen (und damit beim Originaltitel zu bleiben). Gleichzeitig wäre auch die Doppelung der Liebe aufgelöst.

Vielen Dank für diesen sehr konstruktiven Faden...

lg Bodo
Bodo Neumann ist offline   Mit Zitat antworten
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