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Alt 08.09.2016, 15:05   #1
juli
Gast
 
Beiträge: n/a
Standard Das Schattenkind

Das Schattenkind

Ganz ungezwungen ist dein Lachen
wenn du in stille Wasser zielst,
du machst sehr gern verrückte Sachen,
wenn du mit deinen Freunden spielst.

Die Ängste wachsen in den Nächten,
weil niemand dich am Morgen sieht.
Die Blicke nach dem Bruder flechten
ein Band, das deinen Tag durchzieht.

Er wurde viel zu früh geboren,
verbannt in seine eigne Welt,
er spricht nicht und wirkt so verloren
alleine unterm Himmelszelt.

Und deiner Eltern große Sorgen
gehören ihm - und wer du bist,
vergessen sie auch diesen Morgen,
wenn du die Milch mit Cornflakes isst.


Geändert von juli (12.09.2016 um 14:18 Uhr)
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Alt 08.09.2016, 17:34   #2
Erich Kykal
TENEBRAE
 
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Ort: Österreich
Beiträge: 8.570
Standard

Zitat:
Zitat von syranie Beitrag anzeigen
Das Schattenkind

Die Ängste wachsen in den Nächten,
weil niemand dich am Morgen sieht.
Du bist gesund und frei von Mächten,
die seine Krankheit an sich zieht.

Er wurde viel zu früh geboren,
verbannt in seine eigne Welt,
er spricht nicht und wirkt so verloren
alleine unterm Himmelzelt.

Und deiner Eltern große Sorgen
gehören ihm, und wer du bist -
vergessen sie auch diesen Morgen,
wenn du die Milch mit Corn Flakes isst.

Hi, Sy!

Ein autistisches oder zurückgebliebenes Kind? Gut geschrieben, aber einige der Bezüge verwirren mich.

Moment! Aha! Es sind zwei Kinder! Das behinderte, das alle Aufmerksamkeit bekommt, und das Schattenkind, das sich vernachlässigt fühlt. Sein Funktionieren wird für selbstverständlich genommen.

Ich fürchte, dieses Missverständnis könnte öfter passieren, weil schon zu Beginn nicht klar definiert wird, dass es zwei sind. Ich rate zu einer weiteren Str. davor, die ins "Set-up" einführt.

Peanuts:

S1Z3 - "Mächten" wirkt hier etwas seltsam, schwer einzuordnen, da das Wort an sich nicht negativ belegt ist. "... frei vom Schlechten // das ..." wäre zwar leicht unrein, aber viel verständlicher.

S2Z4 - "Himmelszelt".

S3Z1 - WICHTIG!! - Der Bindestrich gehört eigentlich nach "ihm" gesetzt, statt des Kommas dort. Dafür normales Komma nach "bist". Deine Zäsur ist inhaltlich betrachtet an der falschen Stelle.

S3Z4 - "Cornflakes" im Deutschen zusammen.


Sehr gern gelesen! Es gibt viele solcher Schattenkinder, dazu muss das Geschwister nicht mal behindert sein! Eltern sind oft sehr grausam wertend, oder sie bemerken ihre Einseitigkeit nicht einmal. Was mag schlimmer sein? Offene Ablehnung oder gefühlte Gleichgültigkeit?

LG, eKy
__________________
Weis heiter zieht diese Elend Erle Ute - aber Liebe allein lässt sie wachsen.
Wer Gebete spricht, glaubt an Götter - wer aber Gedichte schreibt, glaubt an Menschen!
Ein HAIKU ist ein Medium für alle, die mit langen Sätzen überfordert sind.
Dummheit und Demut befreunden sich selten.

Die Verbrennung von Vordenkern findet auf dem Gescheiterhaufen statt.
Hybris ist ein Symptom der eigenen Begrenztheit.
Erich Kykal ist offline   Mit Zitat antworten
Alt 09.09.2016, 12:28   #3
juli
Gast
 
Beiträge: n/a
Standard Hallo eKy :)

Nun habe ich noche eine weitere S. dazugeschrieben. Ich hoffe das der Inhalt deutlicher wird, weil es sich um zwei Kinder handelt. Ich hatte zunächst überlegt, ob ich dem Kind einen Namen gebe, aber so ist es unverfänglicher, da hat der Leser freieres Denken.

Na klar hast du Recht. Schattenkinder können auch ganz einfach Geschwister haben, die gesund und munter sind. Schattenkinder werden aus den verschiedensten Gründen nicht gesehen. Vielleicht hatten sich die Eltern einen Jungen gewünscht, und nun ist es ein Mädchen, oder umgekehrt.... Vielleicht hat das Kind Eigenschaften mit denen die Eltern nicht zurecht kommen, es ist "viel zu schlau"? Oder die beruflichen Wünsche und die Talente des Kindes gehen in eine ganz andere Richtung und die Familientradition wird nicht gewahrt. Das sind hier nur ein paar Beispiele, es gibt noch unzählige andere.

Es heißt nicht das Schattenkinder nicht glücklich sein können, aber es begleitet sie ein Leben lang ein Makel. Aus diesem Schatten kann man sich natürlich befreien. Und die Sonne kann auch im Leben eines ehemaligem Schattenkind scheinen.

"Nächten" und "Mächten" fand ich eigentlich ganz gut.

Aber ok, "Schlechten" bringt den Leser gleich auf den richtigen Weg

Danke für genaue Lesen. Der Bindestrich nach "ihm" ist natürlich richtig, dahin gehört er. Danke für die Erdnüsse.

Liebe Grüße sy

PS: wenn die erste S. nicht reicht schreibe ich noch eine.


Geändert von juli (09.09.2016 um 12:50 Uhr)
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Alt 09.09.2016, 17:46   #4
Erich Kykal
TENEBRAE
 
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Hi Sy!

Leider klärt die neue Str. auch nicht die Lage, da sie nur von dem einem Kind spricht.
Mal sehen, ob ich minimalinversiv helfen kann:


Ganz ungezwungen ist dein Lachen
weil du in stille Wasser zielst,
du machst sehr gern verrückte Sachen,
wenn du mit deinen Freunden spielst.

Die Ängste wachsen in den Nächten,
weil niemand dich am Morgen sieht.
Du bist gesund und frei vom Schlechten,
das seine Krankheit an sich zieht. Hier musst du noch angleichen.

Der Bruder, viel zu früh geboren,
verbannt in seine eigne Welt,
er spricht nicht und wirkt so verloren
alleine unterm Himmelszelt.

Und deiner Eltern große Sorgen
gehören ihm - und wer du bist,
vergessen sie auch diesen Morgen,
wenn du die Milch mit Cornflakes isst.


So wird - nur eine Zeile nach seiner anonymen Einführung mit "seine" - der Bruder genannt, die Verhältnisse geklärt. Der Leser kann nun sofort klar erkennen, worum es geht.

LG, eKy
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Dummheit und Demut befreunden sich selten.

Die Verbrennung von Vordenkern findet auf dem Gescheiterhaufen statt.
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Erich Kykal ist offline   Mit Zitat antworten
Alt 09.09.2016, 20:33   #5
Thomas
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Liebe syranie,

ein sehr interessantes und gutest Gedicht, wie ich finde. Das Hinzufügen der ersten Strophe war gut und das von Erich lokalisierte Problem ließe sich meiner Meinung nach beheben, indem die beiden Schlusszeilen der 2. Strophe ersetzt werden, z.B. indem statt:
"Du bist gesund und frei vom Schlechten,
die seine Krankheit an sich zieht."
gesagt wird:
"Die Blicke nach dem Bruder flechten
ein Band, das deinen Tag durchzieht."

Liebe Grüße
Thomas
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© Ralf Schauerhammer

Alles, was der Dichter uns geben kann, ist seine Individualität. Diese seine Individualität so sehr als möglich zu veredeln, ist sein erstes und wichtigstes Geschäft. Friedrich Schiller
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Alt 09.09.2016, 21:41   #6
Dana
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Liebe Syranie,

Sehr schön etwas sehr Trauriges verdichtet.
Ich denke diese Kinder gibt es sehr, sehr oft. Zumindest kennen sie das Gefühl. Es gehört nicht immer ein tragischer Hintergrund dazu - wobei Dein Gedicht es speziell meint. Sehr gut gelungen und frei von Wertung geblieben.

Liebe Grüße
Dana

Ich habe mich 2010 auch damit beschäftigt. Der Titel: Schattenkind

Schattenkind, du musst es wagen
aus dem Kreis heraus zu treten,
hören, was die Freunde sagen,
ohne, dass du sie gebeten

hast um Rat. Sie übersehen,
überhören deine Klagen.
Deinen Weg sollst du nicht gehen,
denn sie wollen weiter tragen

deine Lasten, die vertrauten.
Neue Kreise, Leichtigkeiten,
sind nicht das, worauf sie bauten.
Du allein musst dafür streiten,

Neuem dich und Freunden stellen
und dich selbst ins Leben kleiden.
Schöpfe aus noch tiefern Quellen.
Schattenkind, du musst entscheiden.
__________________
Ich kann meine Träume nicht fristlos entlassen,
ich schulde ihnen noch mein Leben.
(Frederike Frei)
Dana ist offline   Mit Zitat antworten
Alt 12.09.2016, 14:37   #7
juli
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Hallo Erich, hallo Thomas & Dana

Erich, ja, es stimmt was du sagst, deine Idee ist super, aber die Idee von Thomas finde ich noch besser, weil sie das Wort “schlechten“ eleminiert. Und auch die Wertung in eine Richtung des negativen. „schlechten“ führt zwar mehr zur Klarheit, um das Gedicht zu verstehen, aber das von Thomas gefundene:

"Die Blicke nach dem Bruder flechten
ein Band, das deinen Tag durchzieht."


finde ich gelungener. Der „Bruder“ ist auch in dem Satz drinne für die Verständlichkeit, und flechten ist nicht zu krass, zu negativ.

Dana, dein „Schattenkind“ nimmt sich dem Thema mit einem anderen Blickwinkel an. Hier drängen Freunde Das Kind in ein bestimmtes Schema. Mir gefällt in der letzten S. Der Zuspruch sich aus diesem Stigma zu befreien, und sein Leben in die Hand zu nehmen. Dein Gedicht und deine Gedanken gefallen mir.

Ich kenne viele „Schattenkinder“, die weil sie so groß geworden sind, unabhängig geworden sind, sie sind willensstark, autonom und kraftvoll in ihrem Erwachsenen leben geworden.

Meine Idee zum „ das Schattenkind“ kam, weil ich vor Weihnachten letzten Jahres auf einer Musikveranstaltung war. Dort wurde alles, Eintritt, was man gegessen hatten, den „Schattenkindern“ gespendet. Es gibt einen Verein dafür in Lübeck. Mir hat diese Idee besonders gut gefallen, weil sie nicht5 für das Außergewöhnliche ist. Die Kinder konnten in einen Verein gehen, Urlaub machen, Tage alleine mit Papa und Mama haben, weil das kranke Geschwisterkind anders versorgt wurde.

Danke Euch Dreien, das ihr bei mir vorbeigeschaut habt, besonders bedanke ich mich für eure Ideen ( Hirnschmalz) und Dana dein Gedicht.

Liebe Grüße sy

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Alt 13.09.2016, 00:36   #8
Kokochanel
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Guten Abend,syranie,

ein Gedicht, das ich gerne gelesen habe, auch wenn es traurig ist. Du hast gut die Situation eines Schattenkindes beschrieben, dessen Sitaution hier wie oft durch ein behindertes oder krankes Geschwisterchen entsteht.
Eine psychische Belastung, das das Kind durch sein ganzes Leben mitnimmt.
Schön, dass du diesen Kindern ein Gedicht geschrieben hast.

Grüße von Koko
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Alt 13.09.2016, 17:26   #9
Chavali
ADäquat
 
Benutzerbild von Chavali
 
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Ort: Mitteldeutschland
Beiträge: 13.004
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Liebe sy,

eigentlich ist das Schattenkind hier ja das gesunde, unbeachtete, das sich mit seiner Rolle als Zaungast
zufrieden geben muss, weil die Eltern sich um das kranke Kind, seinen Bruder, kümmern (müssen).

Einzig bei seinen Freunden genießt es die Aufmerksamkeit, die es braucht wie jeder Mensch.

Sehr berührend geschrieben.
Gern gelesen, auch oder gerade weil es ein sensibles Thema ist.

Lieben Gruß,
chavi
__________________
.
© auf alle meine Texte
Die Zeit heilt keine Wunden, man gewöhnt sich nur an den Schmerz

*
Chavali ist offline   Mit Zitat antworten
Alt 14.09.2016, 11:40   #10
juli
Gast
 
Beiträge: n/a
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Liebe Koko,

Ja, ich wollte den gesunden Kindern ein Gedicht schreiben, weil sie im Alltag so oft untergehen. Ich weiß nicht, ob du diesen Faden ganz gelesen hast. Es gibt viele Möglichkeiten ein „ Schattenkind“ zu sein. Es muß nicht immer so etwas Schlimmes wie die Krankheit des hier beschriebenen Bruders sein. Manchmal reicht es schon kein Junge zu sein oder umgekehrt, ungewollt zu sein und und und... Und nicht jedes Schattenkind muß daraus folgend eine psychische Belastung haben, manche gehen durch den Makel ihren eigenen sehr persönlichen positiven Weg, Meine Gedichtsinhalte sind aus Fiktion und Lebenserfahrungen zusammengesetzt. Selten poste ich etwas sehr persönliches, ich muß immer genügend innerlichen Abstand haben.

Danke für deine Meinung.

Liebe Grüße sy

Liebe Chavali,

Schön das du wieder da bist!

Ja hier sind die gesunden Kinder gemeint. Und die Eltern, ob sie es wollen oder nicht müssen sich um das kranke Kind kümmern. Freunde sind fürs Lebens wichtig! Und um so mehr für dieses Schattenkind hier. Danke fürs Lesen und deinen Kommentar.

Liebe Grüße sy

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