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Alt 23.08.2011, 09:27   #1
Thomas
Erfahrener Eiland-Dichter
 
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Registriert seit: 24.04.2011
Beiträge: 3.375
Standard Was es nicht ist

Was es nicht ist

Es ist Unsinn
sagt die Vernunft.
Es ist Poesie
sagt der Dichter.

Es ist reimlos
sagt die Berechnung.
Es ist nicht zu merken
sagt das Gedächtnis.

Es ist ganz formlos
sagt der Geschmack.
Es ist Poesie
sagt der Dichter.

Es ist kein Lied
sagt das Gehör.
Es ist dunkelhell
sagt die Blindheit.

Es ist wie Wehen
sagt die Seele.
Es ist Poesie
sagt der Dichter.

Geändert von Thomas (23.08.2011 um 10:54 Uhr)
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Alt 24.08.2011, 16:32   #2
Ida
Gast
 
Beiträge: n/a
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guten tag thomas,

du hast das gedicht 'es ist die liebe" (oder so ähnlich) sehr gelungen modifiziert,
die bilder sind gut getroffen, es wirkt nicht wie ein plagiat, eher wie eine inspiration

gefällt mir lg ida
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Alt 24.08.2011, 19:40   #3
Stimme der Zeit
Erfahrener Eiland-Dichter
 
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Beiträge: 1.836
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Hallo, Thomas,

eine interessante "Variante", aber auf ihre eigene Weise "richtig". Gehört die Liebe zur Poesie etwa nicht dazu? Natürlich gehört sie dazu, sie ist die Hauptsache.

Sagt der Dichter.

Ida hat recht, es ist eine inspirative "Übertragung" von Erich Frieds "Was es ist", und durch den anderen Inhalt wirkt es auf mich wie eine Ergänzung bzw. die Darstellung eines speziellen Aspekts des Phänomens "Liebe". Wobei durch die Gegenüberstellung von "Es ist - es ist nicht" (worauf der Titel bereits hinweist) eine Art "Dualität" zweier konstrastierender Ansichten entsteht. Das ist etwas, das mir gut gefällt.

Da es freie Verse sind, überlasse ich eine formale Beurteilung anderen, die sich in diesem Bereich besser auskennen als ich. (Diese Art von Gedichten ist eben nicht "meine". Ich bin der Ansicht, dass Kunsthandwerk das Handwerk benötigt, damit sich die Kunst entfalten kann.)

Das ist keine Kritik, ich finde den Inhalt sehr gut gelungen. Für mich sind freie Verse eben immer nur "die Hälfte", das ist nicht abwertend gemeint. Nichts für ungut, ja?

Gerne gelesen und kommentiert.

Liebe Grüße

Stimme
__________________
.

Im Forum findet sich in unserer "Eiland-Bibliothek" jetzt ein "Virtueller Schiller-Salon" mit einer Einladung zur "Offenen Tafel".

Dieser Salon entstammt einer Idee von unserem Forenmitglied Thomas, der sich über jeden Beitrag sehr freuen würde.



Geändert von Stimme der Zeit (24.08.2011 um 19:42 Uhr) Grund: Kleine Ergänzung.
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Alt 26.08.2011, 21:13   #4
Dana
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Beiträge: 5.637
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Hallo Thomas,

es ist, was es ist - ein Gedicht.

Trotz Unsinn, Freiheit und gewollter Reimlosigkeit - die Liebe des Dichters zur Dichtung ist unverkennbar und die Idee der Gegenüberstellung zu E. Fried gelungen.

Liebe Grüße
Dana
__________________
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ich schulde ihnen noch mein Leben.
(Frederike Frei)
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Alt 29.08.2011, 19:14   #5
Thomas
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Beiträge: 3.375
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Hallo Ida, hallo Stimme der Zeit, hallo Dana,

vielen Dank für eure Kommentare. Es hat mich angenehm überrascht, dass sie recht positiv ausgefallen sind. Ich hatte nämlich harsche Kritik befürchtet, da ich mich auf dem reimlosen Feld freier Rhythmen nicht besonders heimisch fühle. Der Text ist bei der Beschäftigung mit Erich Fried entstanden (um diese Art lyrischer Texte besser verstehen zu lernen) und ist im Grunde Ausdruck meiner Ratlosigkeit. Frieds 'Was es ist' empfinde ich durch die Refrainzeile und die feste rhythmische Struktur als sehr geschlossen gefügt, also eher untypisch für den freien Vers.

Ich würde gerne noch etwas zur anderen 'Hälfte' sagen, die Stimme der Zeit erwähnt, weil dadurch die Frage vielleicht deutlicher wird. In 'Über Matthissons Gedichte' definiert Friedrich Schiller Poesie als 'die Kunst, uns durch einen freien Effekt unserer produktiven Einbildungskraft in bestimmte Empfindungen zu versetzen' (der Definition stimme ich zu) und sagt: 'daraus ergeben sich zweierlei Forderungen, denen kein Dichter, der diesen Namen verdienen will, sich entziehen kann. Er muss fürs erste unsre Einbildungskraft frei spielen und selbst handeln lassen und zweitens muss er nichts desto weniger seiner Wirkung gewiss sein und eine bestimmte Empfindung erregen.' Als ich vor einiger Zeit darüber nachdachte, was Schiller zu Lösung dieses scheinbaren Widerspruchs schrieb, wurde mir klar, wie wesentlich die poetischen Formen sind, welche die Dichter im Lauf der Zeit entwickelt haben, um die Einbildungskraft des Hörers erstens frei spielen zu lassen und zweitens die Empfindung zu bestimmen. Das 'Zweitens' ist vermutlich das, was Stimme der Zeit mir 'der anderen Hälfte' meint. Auch ich habe bisher nicht verstanden, wie bei den 'freien Versen' dieser 'zweiten Hälfte' Genüge getan wird, was natürlich nicht bedeutet, dass dem nicht so ist, ich würde es aber gerne verstehen und hoffe, dass es mir jemand erklären kann.

Liebe Grüße
Thomas
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Alt 29.08.2011, 21:27   #6
Dana
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Hallo Thomas,

ich werde zu deiner Frage keine "fachliche Erklärung" leisten können, aber zur Empfindung fällt mir einiges ein, hoffe ich.

Die so genannten freien Gedichte verleiten sehr schnell zu Diskussionen, ob es denn Gedichte sind oder nicht.
Ich kann es leider nicht belegen, dass es so ist, aber angelesen habe ich mir Folgendes:

Der Sprachklang (die gebundene Sprache) macht ein Gedicht aus und Reime sind dafür nicht zwingend.
Es gibt viele, wunderschöne ungereimte Gedichte, die dem Leser eingehen, ohne dass er sofort bemerkt, dass darin nicht ein einziger Reim enthalten ist.
Im Gegenteil. Nach dem Bemerken ist sein Staunen noch größer.
Für mich ist auch dieser Teil ein großes Handwerk der Kunst.

Ich habe z.B. oft erlebt, wenn mir dann zwei "reimlose Strophen" gelungen sind, dass es unheimlich schwer ist, reimlos zu bleiben - also genau das Gegenteil.

Deine Strophe 2 ist ein feines Beispiel dafür. Sie fühlt sich vom Klang her durchaus gereimt an, oder besser: Der Sprachklang gibt diese Empfindung her. Die ganz große Kunst bestünde wohl darin, jede Strophe in diesen Sprachklang zu bringen, was weitaus schwerer ist, als passende Reime zu suchen. So sehe ich es.

Auch mich würden hier weitere Meinungen interessieren. Schauen wir mal.

Liebe Grüße
Dana
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(Frederike Frei)
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Alt 04.09.2011, 09:25   #7
Thomas
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Beiträge: 3.375
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Hallo Dana,

ich stimme dir zu, es gibt sogar Prosastellen von guten Autoren, die 'eigentlich' Gedichte sind, und als solche verstanden würden, wenn man sie in Zeilen schriebe. Andererseits sind viele Texte, die in Zeilen aufgeteilt geschrieben sind, nicht unbedingt Gedichte. Ein objektives Kriterium zur Bewertung des Untershieds habe ich noch nicht gefunden.

Der Endreim muss natürlich nicht sein. Er wurde etwa vor etwas 1500 Jahren von den Arabern erfunden, er hat sich jedoch offensichtlich bewährt. Auch bestimmte Formen, wie z.B. das Sonett, welches kurz nach 1200 erfunden wurde, müssen nicht sein, aber sie sind sehr gut geeignet, bestimmte Inhalte zu vermitteln. Die Formen sind hilfreiche Optionen. Wenn du sagst, dass es 'unheimlich schwer ist, reimlos zu bleiben' dann ist es genau das. Mit geht es übrigens genauso, und ich denke mir, ich muss ja nicht reimlos bleiben.

Also: Wenn man die 'produktiven Einbildungskraft' des Hörers sich 'frei' entfalten lassen möchte, und ihn gleichzeitig in eine 'bestimmte Empfindungen versetzen' möchte, dann sind diese Formen hilfreich. Hut ab vor dem, der dieses Ziel reimlos in freien Rhythmen erreicht. Es kann auf alle Fälle nur jemand sein, der auch die 'alten' Formen mit spielerischer Leichtigkeit beherrscht.

Viele Grüße
Thomas
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