21.09.2014, 10:10 | #1 |
TENEBRAE
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Und einmal mehr...
Und einmal mehr ist mir ein Herbst geworden:
Die Nebel steigen auf aus feuchten Gründen wie die Erinnerung an alte Sünden: So kalt und klamm wie eines Grabes Schatten, bereit, die letzte Wärme zu ermorden, darauf die Bilder meiner Tage treiben. O ja, ich weiß, der Sommer kann nicht bleiben und nicht die Seligkeiten, die wir hatten. Und einmal mehr ist mir ein Herbst geronnen: Ein Düsteres, das all die lichten Dinge, mit denen ich mein Leben gern verbringe, in Reif begräbt und im Gekrächz von Raben. Und wird ein neuer Frühling einst gewonnen aus Winters Wehgebärde unter Schmerzen, so mag es sein, dass unter allen Herzen das meine fehlt - erfroren und begraben.
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Weis heiter zieht diese Elend Erle Ute - aber Liebe allein lässt sie wachsen. Wer Gebete spricht, glaubt an Götter - wer aber Gedichte schreibt, glaubt an Menschen! Ein HAIKU ist ein Medium für alle, die mit langen Sätzen überfordert sind. Dummheit und Demut befreunden sich selten. Die Verbrennung von Vordenkern findet auf dem Gescheiterhaufen statt. Hybris ist ein Symptom der eigenen Begrenztheit. |
21.09.2014, 20:20 | #2 |
Erfahrener Eiland-Dichter
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Oh, das ist Sommerausklangswehmut, live!
Wunderschön - mehr kann ich dazu gar nicht sagen. Ich ertappe mich in den letzten jahren auch immer öfter dabei, dass ich denke, den Winter irgendwie "überstehen" zu müssen. Als ich jung war, war einfach nur Winter - jetzt auf einmal hab ich jeden weiteren Winter "geschafft". Sehr seltsam ist das - schließlich kann man ja auch über den Sommer das Zeitliche segnen - sogar noch besser, weil man mehr in der Natur draußen ist, man also viel mehr Gelegenheit für Unfälle hätte. Hierzulande stirbt man wegen des Klimawandels wahrscheinlich auch eher am Hitzschlag denn am Erfrieren.... Die statistische Wahrscheinlichkeit dürfte also gleich hoch sein, doch interessanterweise denkt im Frühsommer kaum jemand daran, den Löffel abzugeben. Ich sterb sowieso mal im Frühling - bei Mailüfterl und Vogelgezwitscher.... Oder auch nicht. Gerne gelesen und weitergesponnen, larin
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Cogito dichto sum - ich dichte, also bin ich! |
21.09.2014, 21:13 | #3 |
TENEBRAE
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HI, larin!
Danke für deine Gedanken - denen ich mich nur vollinhaltlich anschließen kann! Ist dir das Reimschema aufgefallen? ABBCADDC - Die umarmenden Zeilen des ersten Vierzeilers reimen sich erst im zweiten, angehängten Vierzeiler. Der Zufall führte mich zu dieser Variante, als ich für die ersten umarmenden Verse keinen geeigenten Reim fand, ohne inhaltlich unangenehm umdisponieren zu müssen, was ich nicht wollte. Mögen uns - und vor allem dir - noch unzählige Herbste und Lenze vergönnt sein! LG, eKy
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21.09.2014, 21:30 | #4 |
Erfahrener Eiland-Dichter
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Lieber Erich,
gerade wollte ich das interessante Reimschema loben, da lese ich, dass du es schon verraten hast. Ob es wirklich nur ien Zufall ist? Auf diese Weise werden die beiden Quartett eng verwoben und es entsteht ein sehr geschlossener Achtzeiler, der für das getragene Thema gut passt. Es ist wieder ein (meiner Meinung nach) sehr gutes Gedicht von dir. Liebe Grüße Thoams
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© Ralf Schauerhammer Alles, was der Dichter uns geben kann, ist seine Individualität. Diese seine Individualität so sehr als möglich zu veredeln, ist sein erstes und wichtigstes Geschäft. Friedrich Schiller |
21.09.2014, 21:36 | #5 |
TENEBRAE
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Hi, Thomas!
Vielen Dank für deinen Beitrag, auch wenn dich mein Mitteilungseifer um die Erwähnung der Reimstruktur betrogen hat, und dass du dir des ungewöhnlichen Schemas durchaus bewusst warst. Es war aber wirklich so wie beschrieben: Es ergab sich aus dem dichterischen Prozess und dem Unwillen, noch länger nach einem geeigneten umfassenden Reim innerhalb des ersten Vierzeilers zu suchen. Das Lob freut mich wie immer sehr! LG, eKy
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21.09.2014, 23:14 | #6 |
Erfahrener Eiland-Dichter
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Lieber Erich,
egal wie du drauf gekommen bist, es ist eine gute Idee! Vielleicht solltest du öfters ungedultig werden (und den Rocker von einst ein wenig rauslassen) Liebe Grüße Thomas
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22.09.2014, 09:23 | #7 |
TENEBRAE
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Den "Rocker von einst" - gut gesagt! Der hätte sich eher angesoffen, als ein gutes Gedicht zu schreiben. In meiner Bikerzeit - ich möchte sie nicht missen, wohlgemerkt - habe ich eigentlich nur ein einziges erwähnenswertes Gedicht geschrieben: Es fiel mir tatsächlich am Morgen nach einem Besäufnis auf einem Zeltplatz im Waldviertel ein, im frühen Sonnenlicht eines Spätsommertages um die Jahrtausendwende: EIN NEUER TAG So bleiern dräut der Morgen, ein neuer Tag bricht auf, webt still die alten Sorgen in seinen jungen Lauf. Hab mir ein Lieb gefunden von Jugend und Gesicht, küsst mir die alten Wunden, doch macht sie heiler nicht. So sickern meine Stunden durch jeden neuen Tag, weil meine alten Wunden kein Lieb mir heilen mag. Mehr war nicht in fünfzehn Jahren Rock'n Rollerei! LG, eKy
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22.09.2014, 13:46 | #8 |
Gast
Beiträge: n/a
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Hallo eKy :)
Dieses Wochenende hat sich der wunderbare Spätsommer hier verabschiedet. Die Tage werden kürzer und auch die Spaziergänge in der Helligkeit.
Ich glaube die meisten Menschen versterben in Januar und Februar. Du schaffst es immer so schön Naturereignisse und Menschenschicksale miteinander zu verdichten. Besonders gut gefällt mir dieses Bild: So kalt und klamm wie eines Grabes Schatten, bereit, die letzte Wärme zu ermorden, darauf die Bilder meiner Tage treiben. Dein Reimschema passt zum Thema. Auf das Der Winter, danach der Frühling wieder kommt.... Liebe Grüße sy |
22.09.2014, 17:51 | #9 |
Erfahrener Eiland-Dichter
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Beiträge: 3.375
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Lieber Erich,
das ist zwar keine reiche Ausbeute, aber es klingt gut, man könnte es als Lied singen. Schön dass du es ausgepackt hast. Liebe Grüße Thomas
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23.09.2014, 05:22 | #10 |
Kiwifrüchtchen
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Ort: nördlich von Auckland/Neuseeland
Beiträge: 945
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Ach Eky,
wieder eins Deiner Werke, die tief in Seele und Gemüt dringen, um sich dort laut- und schwerelos niederzulassen und auszubreiten. Worte, so sensibel und zart gewebt, dass man beim Lesen schier den Atem anhält, sodass nicht ein Lufthauch dieses fragile Gespinst berührt, stört, oder gar entschweben lässt. Wieder eins Deiner Werke, bei denen man so viel mehr fühlt, als dass man es mit Worten ausdrücken kann. Wieder eins Deiner Werke, mit denen Du so vieles berührst, für das es gar keine Worte gibt. Gäbe es sie, wärst Du derjenige, der sie fände. Hohe Schule der Dichtkunst. Poesie vom Feinsten. HG von Lai die bei diesem Werk über eine Stunde verweilt und dabei etliche Tempo verschneuzt hat.
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.................................................. ........................................... "Manchmal ist es so demütigend, ein Mensch sein zu müssen..." Erich Kykal Geändert von Lailany (23.09.2014 um 06:23 Uhr) |
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