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Alt 24.01.2012, 21:07   #1
fee
asphaltwaldwesen
 
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Ort: österreich
Beiträge: 961
Standard Zum 30-jährigen Klassentreffen

Die Susi war schon immer eine Petze,
schon seit der ersten Klasse ging das so.
Wir mochten sie wie Masern, Mumps und Krätze.

Die Eselsbänke waren unsre Plätze,
sie fand uns stets beim Rauchen auf dem Klo.
Die Susi war schon immer eine Petze.

Stets wusste sie die fehlerfreien Sätze.
Wir schafften unsre eben grad mal so.
Wir mochten sie wie Masern, Mumps und Krätze.

Unmöglich der Gedanke, Susi schwätze!
Ein Vorbild sei der Susi ihr Nivoh.
Die Susi war schon immer eine Petze.

Wir waren neben ihr bloß Hosenmätze,
die Susi war ein Fräulein. Sowieso!
Wir mochten sie wie Masern, Mumps und Krätze.

Sie starb vor vier, fünf Jahren - Stress und Hetze.
Die Nachricht macht von uns bloß keinen froh.
Die Susi war schon immer eine Petze.
Wir mochten sie wie Masern, Mumps und Krätze.





.fee ´12


edit: S2Z2 geändert. danke, dana!
__________________
"Gedichte sind Geschenke an die Aufmerksamen" Paul Celan

Geändert von fee (25.01.2012 um 12:46 Uhr)
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Alt 24.01.2012, 22:19   #2
Dana
Slawische Seele
 
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Ort: Inselstadt Ratzeburg
Beiträge: 5.637
Standard

Liebe fee,

ein Lied (eine Villanelle) über die Petze Susi.
Wenn sie denn war wie Masern, Mumps und Krätze, dann kann man auch zu ihrem Ende nur feststellen, dass:

Zitat:
Zitat von fee
Die Susi war schon immer eine Petze.
Wir mochten sie wie Masern, Mumps und Krätze.


Mich befällt bei "Strebergedichten" immer noch ein seltsames Gefühl.
Es hat mit mir zu tun. Ich war nicht Petze und auch sonst nicht übel - aber unnormal artig und folgsam. Ich tat nie etwas, was lt. Schulordnung nicht erlaubt gewesen ist, hörte immer zu und hatte immer ordentliche Zensuren.
Insgeheim bewunderte ich Mitschüler, die trotz Wissen, dass sie nicht durften, taten, was ihnen Spaß machte.
Heute bin ich Schülern beruflich sehr nah, den ganz kleinen und auch den großen. Ich erwische mich beim Reagieren immer noch beim eigenen "Problem". Die Guten bekommen ihr verdientes Lob und die auf den Eselsbänken liebe ich.

Gefällt mir sehr.

Nur hier:

Die Eselsbänke waren unsre Plätze,
wie oft verpfiff sie uns (rauchend am Klo).
(dort fand sie uns beim Rauchen auf dem Klo)
Die Susi war schon immer eine Petze.

Es ist nicht besser, was ich vorschlage. Mir geht es nur um die Melodie.
Das "Verpfeifen" kommt ja mit dem Refrain nach - oder was meinst du?

Liebe Grüße
Dana
__________________
Ich kann meine Träume nicht fristlos entlassen,
ich schulde ihnen noch mein Leben.
(Frederike Frei)
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Alt 25.01.2012, 00:10   #3
fee
asphaltwaldwesen
 
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Zitat:
Zitat von Dana Beitrag anzeigen
wie oft verpfiff sie uns (rauchend am Klo).
(dort fand sie uns beim Rauchen auf dem Klo)

danke, dana,


für die rettung. an dieser zeile bastel ich schon die ganze zeit rum, weil sie eben noch nicht ganz metrisch rein ist.

Die Eselsbänke waren unsre Plätze,
sie fand uns stets beim Rauchen auf dem Klo.
Die Susi war schon immer eine Petze.


ich denke, das ist viel besser so. lieben dank!

geht mir übrigens sehr ähnlich wie dir, was die schüler auf den "eselsbänken" angeht. ich selbst hab mich erst heute wieder - nicht weitersagen - dabei ertappt, dass ich mit dem gefühl kämpfte, ich wäre eine halbe schwerverbrecherin und auf jeden fall wie eine gesetzlose schlimmster güte, wenn ich zwei stationen mit dem bus schwarzfahre.

es hat mich echt gestresst - wohlwissend, dass viele andere das so handhaben, dass sie das risiko der geldstrafe gegen die mögliche ersparnis abwägen und einfach schwarzfahren. gehts gut, ist es gut, wenn nicht, wars halt pech. aber die fühlen sich, auch wenn sie ertappt werden, nicht wie schwerverbrecher. mir ginge es schon so. (ich bin also quasi aus therapeutischen gründen heute ganz bewusst die zwei stationen (mit der fahrkarte griffbereit in der jackentasche ) gefahren, ohne das ticket zu entwerten.... was das über mich aussagt, will ich gar nicht so genau erforschen... *grins.

ich war auch immer eine ganz brave. gepetzt hab ich allerdings nie. da ist für mich schon ein wesentlicher unterschied. und ich habe bisher auch noch jeden meiner schüler milde zurechtgewiesen, der sich im petzen besonders zu üben versucht hat in meinem unterricht. zu lernen, dass es wichtigeres (und erfüllenderes) gibt als ständig andere zu beobachten, halte ich für wichtiger als jeden lehrstoff der lehrpläne.

dass die susi zur zeit des (erzwungenen) zusammen"lebens" in der klasse nicht gemocht wurde, hat ja nicht allein mit der petzerei zu tun. der text spielt ja ein wenig mit dem empfinden der jungs damals und dem heute, in dem man plötzlich feststellt, dass man der susi vielleicht unrecht tat, indem man sie auch noch 30 jahre danach für etwas nicht leiden konnte, das sie vor langer zeit so getan hat. ich hoffe, das kommt dann doch rüber, dass die nachricht vom tode der so innig gehassten dann doch alles relativiert. ein feindbild hat man gebraucht anscheinend - aber den tod hat man ihr dann doch nicht vergönnt. andererseits muss man sie aber nur deswegen auch nicht lieben für das, was sie damals tat.


danke für deine befassung mit meiner villanelle. ich bin momentan wieder in gedichte-bastel-laune in festeren formen.


liebe grüße,


fee
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Alt 26.01.2012, 20:28   #4
Falderwald
Lyrische Emotion
 
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Beiträge: 9.912
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Hi fee,

eine schicke Villanelle ist das.

Die Susi, die du hier verdichtet hast, ist wohl in fast jedem Klassenverband anzutreffen.
Du findest sie in jedem Verein, in jeder Partei und einfach überall an jeder Ecke.

Ich habe das in meiner Gruppe auch schon erlebt.
Diese Person meldet jeden noch so kleinen Regelverstoß und natürlich auch die gegen sie gerichteten Dinge.
Oftmals werden solche Menschen gemieden und von den anderen ausgeschlossen, was ich ebenfalls beobachten konnte.

Auch das empfinden sie als Affront gegen sich, natürlich nicht ganz zu Unrecht, aber sie merken einfach nicht, daß es eine Konsequenz ihres eigenen Sozialverhaltens ist.

Meiner Person habe ich versucht, das zu erklären und musste feststellen, daß sich danach nicht wirklich etwas an ihrem Verhalten geändert hatte. Es war ihre ganz spezielle Art, sich Aufmerksamkeit zu verschaffen.
Damit versuchte sie einen persönlichen Bonus bei Autoritätspersonen zu erzielen.

Das Dumme dabei ist, es baut sich ein kleiner Teufelskreis auf.

Ein Lehrer oder Betreuer, um bei deinem Text zu bleiben, hat viele Schüler um sich und weiß ganz genau, daß immer wieder kleine Regelverstöße begangen werden. Er drückt auch hier und da ein Auge zu, weil es wirklich nur Kleinigkeiten gewesen sind und Kinder eben dazu neigen, solch geringfügige Grenzverletzungen mehr aus Unachtsamkeit, denn aus Vorsatz zu begehen. Und damit vermeidet er auch manchmal endlose Diskussionen.

Wenn man aber jetzt jemanden dabei hat, der alles, wirklich alles meldet, was man scheinbar nicht gesehen hat (wie gesagt, auch manchmal nicht sehen wollte), dann wird das auf die Dauer ganz schön nervig und man stumpft demgegenüber ab und neigt dazu, dem nur noch wenig Beachtung zu zeigen.

Somit hat die Petze dann bereits zwei Misserfolge erlitten.

Zum einen die Ablehnung durch die Mitschüler und zum zweiten nicht mehr ernst genommen zu werden von der Autoritätsperson.
Das ist fatal und stärkt ganz bestimmt nicht das Selbstbewusstsein.

Auf der anderen Seite bekommt auch der Lehrer ein Problem, wenn er mal die Petze bei einem der "Delikte" erwischt, die sie des öfteren anprangerte und bei anderen dann nicht beachtet und sanktioniert worden sind.
Das ist dann oft ungerecht und wirkt sogar noch inkonsequent.

Und wenn man über dieses Verhalten später einmal reflektiert, kann man nur zu dem Ergebnis kommen, daß hier ein ganz einsamer Mensch mit einem persönlichen Problem dahinter steckte, der einem eigentlich nur leid tun kann.

So kann man sich sicherlich auch nicht über den Tod einer solchen Person freuen, denn vom Leben hatte sie wahrscheinlich auch nicht viel.

Das sind die Gedanken, die mir bei deinem Gedicht so spontan gekommen sind.


Gerne gelesen und kommentiert...


Liebe Grüße

Bis bald

Falderwald
__________________


Oh, dass ich große Laster säh', Verbrechen, blutig kolossal, nur diese satte Tugend nicht und zahlungsfähige Moral. (Heinrich Heine)



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Alt 26.01.2012, 20:39   #5
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asphaltwaldwesen
 
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Zitat:
Zitat von Falderwald Beitrag anzeigen

Und wenn man über dieses Verhalten später einmal reflektiert, kann man nur zu dem Ergebnis kommen, daß hier ein ganz einsamer Mensch mit einem persönlichen Problem dahinter steckte, der einem eigentlich nur leid tun kann.

So kann man sich sicherlich auch nicht über den Tod einer solchen Person freuen, denn vom Leben hatte sie wahrscheinlich auch nicht viel.

Das sind die Gedanken, die mir bei deinem Gedicht so spontan gekommen sind.
danke, falderwald,


für diese gedanken. die sind in ungefähr das, was ich anstoßen wollte (ohne zu sehr mit dem zeigefinger draufzuzeigen). freut mich also total, dass das bei dir solche "wirkung" hatte beim lesen.

man erkennt solche "probleme" anderer auch meist erst, wenn das eigene problem, das diese person mit-verursacht hat, nicht mehr existiert. dann ist der blick frei für das gegenüber. leider meist zu spät.

andererseits war eben zu recht unangenehm, was diese person einem "zugemutet" hat.
dann wäre da noch das thema des (notwendigen?) feindbildes in einer gruppe. irgendeinen buhmann/buhfrau muss es anscheinend geben. das unterscheidet sich dann bestenfalls im ausmaß der ausprägung des abwehrverhaltens und der dynamik, glaube ich.

"gegen jemanden zu sein", und zwar zu mehreren, eint irgendwie. die einsamkeit der person, die da das mittel zum zweck ist, ist zu dem zeitpunkt nicht erkennbar für die "gegner". leider. aber menschlich irgendwie, oder?


lieben dank für deine gedanken und das vorbei-lesen!!! hab mich sehr gefreut.

fee
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