Gedichte-Eiland  

Zurück   Gedichte-Eiland > Gedichte > Ausflug in die Natur

Ausflug in die Natur Natur- und Tiergedichte

Antwort
 
Themen-Optionen Ansicht
Alt 07.12.2013, 21:55   #1
gerig1
Eiland-Dichter
 
Registriert seit: 07.12.2013
Ort: Oberösterreich
Beiträge: 35
Standard Natürlicher Tod

Das schönste Stückchen Erde,
ach wie ich es vermiss,
zertrampelt von 'ner Herde,
die alles da zerriss.

Dies Herde nennt sich Menscheit,
so schelmisch blickt herab,
die Erde kennt sie längst heut,
es geht seitdem bergab.

Bergauf ging einst ein Wäldlein,
so gnadenlos empor,
dann kam das Wesen Geldgeil,
und schröpfte es im Chor.

Allein des Flusses Korpus,
nun nicht mehr schlängeln mag,
ob gar des Waldes Lichtung,
erspäht den letzten Tag.

Den letzten Tag auf Erden,
wo die Natur verziert,
der Anfang für die Erben,
des Sterbend Will' verliert.
gerig1 ist offline   Mit Zitat antworten
Alt 08.12.2013, 11:32   #2
Erich Kykal
TENEBRAE
 
Benutzerbild von Erich Kykal
 
Registriert seit: 18.02.2009
Ort: Österreich
Beiträge: 8.570
Standard

Hi, gerig1!

Willkommen auf dem Eiland!

Ich habe deinen "Erstling" gelesen und will auch gleich ein wenig stänkern!

Das schönste Stückchen Erde,
ach wie ich es vermiss,
zertrampelt von 'ner Herde,
die alles da zerriss.


Die Verkürzung "vermiss" in Z2 ist natürlich dem Reim geschuldet, allgemein sollte man solche Buchstabenweglassungen möglichst meiden - es klingt einfach gediegener, wenn derlei nicht notwendig ist.
Das "'ner" in Z3 allerdings wirkt sehr unlyrisch - das ist Umgangssprache, wirkt flapsig und unsauber. Alternative: "verhehrt von einer Herde," oder so...

Dies Herde nennt sich Menscheit,
so schelmisch blickt herab,
die Erde kennt sie längst heut,
es geht seitdem bergab.


Kleiner Tippfehler in Z1: Es muss natürlich "Die..." heißen.
Z2 stimmt leider so nicht, diesem Satz fehlt das Subjekt. Auch die Aussage ist verschwommen: Schelmisch? Blickt herab? Vom hohen Ross sozusagen? Das hättest du aber zuvor erwähnen sollen, so ist man eher verwirrt. Da auch der Rest der Str. sprachlich nicht prickelnd ist, lautet mein Rat: Diese Strophe überarbeiten! zB so:

"Die Herde nennt sich Menschheit,
zertritt seit tausend Jahren
die Schönheit dieser Erde,
der einst sie Hüter waren." Oder so...
....................

Bergauf ging einst ein Wäldlein,
so gnadenlos empor,
dann kam das Wesen Geldgeil,
und schröpfte es im Chor.


"Bergan" passt hier besser, und das "ging" würde ich durch "wuchs" ersetzen, aber warum sollte ein Wäldlein "gnadenlos" sein???
"Das Wesen Geldgeil" ist eine eher naiv wirkende Personifizierung.
Es ist EIN Wesen - mit wem bildet es also einen "Chor"? Das ist so nicht stimmig. Und einen Wald zu "schröpfen", ist eine recht seltsame Wortwahl. Hier vermischen sich lyrisches Bild und die dahinter stehende Aussage, zu welcher das Bils als Metapher dienen soll. Das stört aber leider beides: Das Bild wie die Metabotschaft! Alternative:

"Bergan wuchs einst ein Wäldlein
so wunderbar ins Lichte,
dann kamen Gier und Missgunst
und machten es zunichte." Oder so...
...................

Allein des Flusses Korpus,
nun nicht mehr schlängeln mag,
ob gar des Waldes Lichtung,
erspäht den letzten Tag.


Was bedeutet das "Allein" eingangs der Strophe? Das scheint mir so falsch verwendet. "Korpus" klingt eher schulmeisternd, wie aus einer Vorlesung auf der Uni. Sprachen sollte man in der Lyrik möglichst nicht mischen.
Der Satz ist zudem recht verworren, und manche der Worte sind schlicht falsch verwendet, wohl, um es möglichst "lyrisch" klingen zu lassen. Glaube mir: Schlicht, aber schön ist allemal besser als allzu geschraubte Satzführung!
Die Inversion (Verdrehung der Satzteile) in Z2 ist auch nicht schön, und das "ob gar" in Z3 ist so nicht richtig verwendet. Das Komma am Ende von Z3 ist falsch. Alternative:

"Der Fluss im Tal ist schlammig,
er fließt so träg und schwer,
und von den kahlen Hängen
wehn kalte Winde her." Oder so...
........................

Den letzten Tag auf Erden,
wo die Natur verziert,
der Anfang für die Erben,
des Sterbend Will' verliert.

Diese Strophe ist nun leider so "verdrechselt", dass man dem roten Faden kaum mehr zu folgen vermag. Ich deute es so: Der Wille des Sterbenden (WELCHES Sterbenden?) verliert den letzten Tag auf Erden, an dem die Natur noch vorhanden ist. Die 3. Zeile ergibt in diesem Zusammenhang aber wenig Sinn. Der letzte Tag ist der Anfang für die Erben? WECHE Erben, wenn es nichts mehr zu erben gibt? Was ist mit "Anfang" gemeint? Ein Neubeginn, wenn alles zerstört ist? - Unlogisch.
Die Verkürzungen "Sterbend" (die falsch ist - hier gibt es keine Verkürzung beim Gebrauch als Hauptwort: Es MUSS "Sterbenden" heißen) und "Will'" gleich hintereinander wirken fürchterlich bemüht, als wollte man betont lyrisch wirken. Leider wirkt es hier nur gekünstelt.
Hier würde ich die Strophe neu schreiben und die Conclusio (Schlussaussage) klarer formulieren - oder diese letzte Str. gleich ganz weglassen.


Fazit:
Für ein Erstlingswerk nicht berauschend, aber man erkennt Talent. Typische Anfängerfehler eben.
Mein Rat: Lies viel Lyrik, um dein Sprachzentrum zu schulen, ein Gefühl dafür aufzubauen, was geht und was man besser lassen sollte.
Bleibe sprachlich geradeheraus - die Eleganz der Sprache offenbart sich viel mehr in ihrer Schlichtheit als in geschraubten Formulierungen. Bleibe einfach - die komplexeren Satzkonstrukte kommen erst mit der Übung. Wenn man erst weiß, wie man sie konstruieren muss, damit sie trotz langer Satzteile, Gliedsätzen und Verschachtelungen übersichtlich und leicht zu verfolgen bleiben, kann man sie einflechten, wo's passt.
Dein Rhythmusgefühl ist gut - andere tun sich da nach Jahren noch viel schwerer, ein klares Metrum zu halten!
Für dich als Nahziel wichtig: Schreibe nicht zu pathetisch, zu theatralisch, lass die sprachlichen Schnörkel und "Effekte". Bedenke beim Schreiben eine klare Linie, der man als Leser folgen kann: Was wurde ausgesagt, was schon erwähnt, was kann der Leser ohne weitere Hinweise mutmaßen?
Was muss ich erst einführen, erklären oder spezifizieren, ehe ich es später erwähne? Kann der Leser diesen Gedankengang nachvollziehen, oder sind die geistigen Sprünge zwischen den Bildern zu groß?
Vermeide allzu kurze und allzu lange Sätze. Lass die Sprache fließen - das mit einem klaren inhaltlichen roten Faden zu verbinden, ist schwer genug!
Letztlich machen viele Faktoren ein gutes Gedicht aus, aber das geht natürlich nicht von heute auf gleich! Da ist viel Übung nötig, die lyrischen Sinne zu schärfen - du hättest mal MEINE ersten "Ergüsse" lesen müssen (Puh - gut, dass es damals noch kein Internet gab...!)! Damit ich so schreiben kann, hat es Jahre gebraucht, und 24 Jahre lang habe ich gar nicht geschrieben.
Dies allerdings rate ich dir nicht. Wer weiß, wie gut ich heute wäre, hätte ich mich kontinuierlich weiter geschult!?

Nun, ich hoffe sehr, ich habe dich nicht vergrämt oder abgeschreckt, aber ich versuche immer, ein ehrliches Bild meiner Meinung zu vermitteln. Nicht, um dich zu erniedrigen oder so, sondern damit du daran wachsen mögest.
Nicht aus Respektlosigkeit - für mich scheint es viel respektloser, ein Gefälligkeitsurteil abzugeben, nur um sich möglicher Konsequenzen zu entziehen.
Du hast Potential, aber du musst es erst schulen und verfeinern. Sprache und Aussage müssen eine natürliche Einheit bilden:
Steht die Aussage im Vordergrund, fehlen aber die richtigen Worte, sie zu vermitteln, bleibt die Botschaft verkrüppelt. Schiebt sich die Sprache allzu verspielt oder wirkgewaltig in den Vordergrund, verdrängt sie die beabsichtigte Aussage im Kopf des Lesers, weil er sich zu sehr auf deren Schnörkel konzentrieren muss.
In beiden Fällen geht die emotionale Verbindung zum Leser verloren, und er kann sich nicht mehr mit dem Ganzen identifizieren. diese schmale Gratwanderung ist das Geheimnis guter Lyrik!
Ich hoffe, ich konnte dir eher helfen, als dich zu entmutigen!

LG, eKy
__________________
Weis heiter zieht diese Elend Erle Ute - aber Liebe allein lässt sie wachsen.
Wer Gebete spricht, glaubt an Götter - wer aber Gedichte schreibt, glaubt an Menschen!
Ein HAIKU ist ein Medium für alle, die mit langen Sätzen überfordert sind.
Dummheit und Demut befreunden sich selten.

Die Verbrennung von Vordenkern findet auf dem Gescheiterhaufen statt.
Hybris ist ein Symptom der eigenen Begrenztheit.

Geändert von Erich Kykal (08.12.2013 um 11:38 Uhr)
Erich Kykal ist offline   Mit Zitat antworten
Alt 08.12.2013, 13:44   #3
gerig1
Eiland-Dichter
 
Registriert seit: 07.12.2013
Ort: Oberösterreich
Beiträge: 35
Standard

Hallo Erich!

Nein, keine Sorge, hast mich nicht entmutigt, zumindest nicht voll und ganz.

Wie gesagt muss ich ja zu meiner Verteidigung sagen, dass ich hierbei echt ganz am Anfang stehe, wenn man so will wie die Jungfrau zum Kind gekommen bin - es mag blöd klingen, aber mein Interesse für Lyrik steht insofern noch an der Startlinie, dass ich bisher nicht mal wirklich Lyrik in diese Richtung gelesen habe - deine beiden Gedichtesammlungen bilden hier meine Premierenwerke, die ich mir zu Gemüte führe.

Bin natürlich sehr dankbar für die Anregungen und Alternativvorschläge - auch wenn du mein Gedicht beinahe gänzlich umgeformt hast. Ich werde mir dementsprechend "nützliche Tipps" von einem erfahrenen Lyriker herausnehmen - aber trotzdem auch versuchen, eine eigene Linie zu finden. Ich denke, dass es auch in der lyrischen Kunst, wie in allen Künsten, eine gewisse Freiheit geben sollte und es nicht immer ein richtig oder falsch definitiv geben sollte Wie du auch schon mal zu mir gesagt hast, es ist alles auch Präferenz und Geschmacksache. Vielleicht sollten dann Gewisse "Unkorrektheiten" auch erlaubt sein.

Speziell zu den Anregungen, ich hab "noch" sehr wenig dran gefeilscht, die letzte Strophe würd ich auf keinen Fall weglassen, da sie sozusagen tatsächlich die gewollte Conclusio darstellt - das ganze war eher metaphorisch und hypothetisch als ein Szenario gedacht, in der es die Menschheit geschafft hat, das "natürliche Schaffen" (nicht gleich Weltuntergang) zu killen, klingt zwar etwas komisch und unlogisch (wir streben natürlich alle immer nach Logik), war aber meine Intuition. Also viel mehr ein eigenwilliges Gedankenspiel.

...der "gnadenlos" emporwachsende Wald, ist deswegen entstanden, da meine erste Idee eines "liebevoll" emporgehenden Waldes, mir dann doch zu kitschig erschien - mein Gedanke war dann, warum soll ein imposanter, über unzählige Jahre bestehnder, strammwirkender Tannenwald oder Fichtenwald sich nicht "gnadenlos" seinen Weg auf dieser Erde schaffen - aber ok, klingt vll. etwas eigenwillig.

Deine Alternativstrophen gefallen mir sehr gut - echt bemerkenswert wie rasch du da was aus den Ärmeln zauberst!

Na gut, dann werde ich mich weiter versuchen, bin weiterhin für viele konstruktive Kritik dankbar (ganz klar, ehrliche Kritik ist viel essentieller und wichtiger im Leben als falsches Lob bspwe. - bin genau dieser Meinung - was man daraus macht ist dann ohnehin seine Sache - niemand behauptet ja die einzige Wahrheit und Richtigkeit gepachtet zu haben).

Danke und "by the way" - schau dass du schnell wieder fit wirst, damit wir die kleine, weiße kugel wieder über die Platten schleudern können

lg, geri
__________________
Es ist nicht wenig Zeit, die wir haben, sondern es ist viel Zeit, die wir nicht nutzen.
Lucius Annaeus Seneca

Geändert von gerig1 (08.12.2013 um 13:49 Uhr)
gerig1 ist offline   Mit Zitat antworten
Alt 10.12.2013, 19:23   #4
Dana
Slawische Seele
 
Benutzerbild von Dana
 
Registriert seit: 07.02.2009
Ort: Inselstadt Ratzeburg
Beiträge: 5.637
Standard

Hallo gerig,

bei der "fachlichen" Beratung ist man bei eKy in guten Händen.
Vielleicht hast du schon hier und da gelesen und gesehen, dass ich sein absoluter "Fan" bin. (Das "Fan" gefällt ihm bestimmt nicht.)

Ich möchte an deinem Gedicht, gerade nach seiner ausführlichen Kritik, nichts korrigieren.
Mir liegt aber daran, dir zu sagen, dass der Grundgedanke und die Aussage klar herüber kommen.

Entmutigen lassen sollte man sich nie, gerade dann nicht.

Liebe Grüße
Dana
__________________
Ich kann meine Träume nicht fristlos entlassen,
ich schulde ihnen noch mein Leben.
(Frederike Frei)
Dana ist offline   Mit Zitat antworten
Alt 11.12.2013, 11:47   #5
gerig1
Eiland-Dichter
 
Registriert seit: 07.12.2013
Ort: Oberösterreich
Beiträge: 35
Standard

Zitat:
Zitat von Dana Beitrag anzeigen
Entmutigen lassen sollte man sich nie, gerade dann nicht.
Dana
Keine Sorge, für mich stellt Kritik ein äußerst nützliches Instrument für Entwicklungen dar, somit nehm ich aus solchen Analysen viel mehr Mut heraus, als es mich davon abbringen würde - also bitte viel viel Kritik (mitunter ist positive auch motivierend) - um ein gewisses sprachliches Grundniveau erreichen zu können - ich bin euch dafür sehr dankbar.
__________________
Es ist nicht wenig Zeit, die wir haben, sondern es ist viel Zeit, die wir nicht nutzen.
Lucius Annaeus Seneca
gerig1 ist offline   Mit Zitat antworten
Antwort

Lesezeichen


Aktive Benutzer in diesem Thema: 1 (Registrierte Benutzer: 0, Gäste: 1)
 

Forumregeln
Es ist Ihnen nicht erlaubt, neue Themen zu verfassen.
Es ist Ihnen nicht erlaubt, auf Beiträge zu antworten.
Es ist Ihnen nicht erlaubt, Anhänge hochzuladen.
Es ist Ihnen nicht erlaubt, Ihre Beiträge zu bearbeiten.

BB-Code ist an.
Smileys sind an.
[IMG] Code ist an.
HTML-Code ist aus.

Gehe zu


Alle Zeitangaben in WEZ +2. Es ist jetzt 08:52 Uhr.


Powered by vBulletin® (Deutsch)
Copyright ©2000 - 2024, Jelsoft Enterprises Ltd.

http://www.gedichte-eiland.de

Dana und Falderwald

Impressum: Ralf Dewald, Möllner Str. 14, 23909 Ratzeburg