Gedichte-Eiland  

Zurück   Gedichte-Eiland > Gedichte > Stammtisch

Stammtisch Gesellschaft, Politik und Alltag

Antwort
 
Themen-Optionen Ansicht
Alt 07.01.2014, 14:34   #1
Erich Kykal
TENEBRAE
 
Benutzerbild von Erich Kykal
 
Registriert seit: 18.02.2009
Ort: Österreich
Beiträge: 8.570
Standard Zur Ansprache eines Terroristen nach dem Anschlag von Beslan

War dereinst ein Prediger des Zornes,
Kinder tötend, deren Eltern nur
anders taten, als er selbst verfuhr.
Über seiner Ansicht nach Verlornes

konnte er tiradenweise geifern.
Ohne Reue sprach er ungeduldig
sie der Sünden aller Väter schuldig,
die sich nicht in seinem Sinn ereifern.

Gott, so sprach er, hätte ihn beordert,
alle seinem Willen nach zu morden,
die nicht ebenso wie er geworden,
weil ein altes Unrecht es erfordert.

Armer Narr, aus deinen Taten werden
keine Früchte für die nächste Welt!
Selber hast du dir den Weg verstellt
in dein kaltes Himmelreich auf Erden!


Zum Geleit:
Der Anschlag von Beslan war der Überfall auf eine Schule, bei dem einige Terroristen hunderte Kinder als Geiseln nahmen. An einem der folgenden Tage (die Kinder waren am Verdursten!) explodierten - wahrscheinlich versehentlich - zwei der von den Tätern installierten Bomben. Bei der sofort eingeleiteten Erstürmung des Gebäudes starben weit über hundert Kinder ab dem 10. Lebensjahr, weil die Terroristen begannen, sie zu erschießen oder in die Luft zu sprengen, ehe die Spezialtruppen sie erreichen konnten.
Der Initiator dieses sinnlosen und zutiefst verwerflichen Gemetzels hielt kurz darauf eine Videosansprache, in der er sein Handeln damit rechtfertigte, Gott wäre auf ihrer Seite, und sogar weitere Schulgeiselnahmen und Kindstötungen ankündigte, weil - so seine Ansicht - deren Eltern durch ihre Weigerung zum totalen Krieg sich und mit ihnen ihre Nachkommen ohnehin jeglichen Existenzrechtes beraubt hätten, da sie sich dadurch zu Mittätern und Handlangern des von ihm bekämpften Systems gemacht hätten.
Solch ein Ausmaß an psychopathischer Arroganz wollte ich nicht unkritisiert lassen...
__________________
Weis heiter zieht diese Elend Erle Ute - aber Liebe allein lässt sie wachsen.
Wer Gebete spricht, glaubt an Götter - wer aber Gedichte schreibt, glaubt an Menschen!
Ein HAIKU ist ein Medium für alle, die mit langen Sätzen überfordert sind.
Dummheit und Demut befreunden sich selten.

Die Verbrennung von Vordenkern findet auf dem Gescheiterhaufen statt.
Hybris ist ein Symptom der eigenen Begrenztheit.

Geändert von Erich Kykal (13.02.2014 um 00:51 Uhr)
Erich Kykal ist offline   Mit Zitat antworten
Alt 10.01.2014, 22:23   #2
Dana
Slawische Seele
 
Benutzerbild von Dana
 
Registriert seit: 07.02.2009
Ort: Inselstadt Ratzeburg
Beiträge: 5.637
Standard

Lieber eKy,

das ist der Ruf jener Gedichte, wo "Benachrichtigte" schweigen und die "Narrentäter" nicht mehr erreichbar sind.
Die "Macher" und Benachrichtigten teilen sich in Lagern "Recht und Unrecht" auf - sie halten sich leider in Balancen.
Was den einen Irrsinn ist, ist den anderen Glaube - und darüber waltet Politik.
Die Politik hält an beiden fest - sie will Macht. Die Macht kann sie nur halten, wenn sie je nach Bedarf beide Lager nützt.

Erschütternd, wahr und leider bleibend real - zu allen Zeiten.

Ich habe es schon einmal gesagt:
Wenn einmal andere Zeiten kommen, dann wird man sich deiner Gedichte erinnern:
Es gab Dichter, die gesehen und appeliert haben - es war noch nicht an der Zeit.
Der Prediger des Zorns ist meist ebenso Opfer seiner Zeit, seiner "Herren", die ihn bedacht nicht abwägen ließen. Er hat auf Erden nie den Himmel erfahren und sie haben daran gearbeitet, dass er ihn nie erfährt.
Das irre Versprechen war ihm die einzige Hoffnung. Er hat es nie anders gewusst und schon gar nicht gelernt.
Dort, wo er evtl. anfing zu denken, war er zu tief in ausweglose Abhängikeit geraten. Anders sind solche und andere Taten nicht denkbar und erklärbar.

Die psychopathische Arroganz würde ich den "Nichttätern" (den Drahtziehern) zuvorstellen, wohlwissend, dass sie sich nie stellen. Wozu auch? Sie nutzen jene für ihr eigenes Himmelreich auf Erden und wohlwissend, dass es ein anderes nicht gibt.

Ich weiß aber auch, was du sagen willst.
Ein Mensch, dem Denken und Nachdenken gegeben ist, muss dennoch unendlich arm, dumm und orientierungslos sein. Es war ihm nie gegeben, zu unterscheiden und noch weniger zu entscheiden, ob er nach "Ermessen" handelt. Er handelt, um zu gefallen. Er handelt unter Berufung auf einen Gott, der für ihn erdacht und ihm eingebleut worden ist. Er tat es für die Täter.

eKy, für mich ein "Kulturphänomen" im Sinne von Spock.

Eine Ansprache, die erst in ferner Zukunft ihre Lächerlichkeit erhält.

Liebe Grüße
Dana
__________________
Ich kann meine Träume nicht fristlos entlassen,
ich schulde ihnen noch mein Leben.
(Frederike Frei)
Dana ist offline   Mit Zitat antworten
Alt 10.01.2014, 23:18   #3
Erich Kykal
TENEBRAE
 
Benutzerbild von Erich Kykal
 
Registriert seit: 18.02.2009
Ort: Österreich
Beiträge: 8.570
Standard

Hi, Dana!

Um es mit Spock zu sagen: "Faszinierend" (einzelne Braue hoch! - Das kann ich nämlich auch, habe es als 12-Jähriger wochenlang vor dem Spiegel geübt, als damals die Originalserie erstmals im Fernsehen lief. Der Mr. Spock war meine absolute Lieblingsfigur - ich, der gemobbte, gedemütigte kleine Fettsack mit Seitenscheitel und Brille beneidete ihn um seine Fähigkeit, Gefühle auszuklammern, immer nüchtern und objektiv, sprich "logisch" zu bleiben. Insgeheim habe ich ihm wohl ein Leben lang nachgeeifert. Indes, so wie auch er habe ich es nie ganz geschafft: Das Menschliche blieb Teil von uns und bricht selten, aber dann umso heftiger hervor! Das zeigte sich, als ich mit sechzehn um ein Haar zum Mörder geworden wäre, weil ich die zu lange aufrecht erhaltene Beherrschung verlor...zum Glück für uns beide, mich und mein "Opfer", das mich zuvor bis aufs Blut gedemütigt und provoziert hatte, kam ich rechtzeitig wieder zu mir! Seither bin ich mir nie wieder so weit "entglitten"...aber all das nur nebenbei!)

Zu diesem Satz von dir:
Die psychopathische Arroganz würde ich den "Nichttätern" (den Drahtziehern) zuvorstellen, wohlwissend, dass sie sich nie stellen. Wozu auch? Sie nutzen jene für ihr eigenes Himmelreich auf Erden und wohlwissend, dass es ein anderes nicht gibt.

In meinem Geleit oben habe ich ja erwähnt, dass ebenjener INITIATOR, der Drahtzieher dieses unwürdigen Terroraktes dieses Interview gab. Es geht in dem Gedicht also durchaus um diese Hintergrundmänner, diese geistigen Täter, die sich für eigenen Körpereinsatz für zu "wichtig" halten - eine schlaue Rechtfertigung, zu schlau für wirklich "Überzeugte" - das beweist, dass sie solche Verzeifelte und Dumme, wie du sie beschreibst, tatsächlich nur für ihre "Sache" benutzen, deren wahrer Beweggrund, jenseits der Parolen und zündfähigen Gemeinplätze, aber meist nur das Feiern der eigenen Machopotenz und Machtgier darstellt!
Solche selbstgefälligen, arroganten Täter denken immer schon an "hinterher", wenn sie "gewonnen" haben, wobei sie im neuen System natürlich eine dominierende Rolle zu spielen gedenken...
Sozusagen Politiker schon weit jenseits des Arschlochfaktors!!!

Vielen Dank für deine wie immer tiefgehenden Gedanken!

LG, eKy
__________________
Weis heiter zieht diese Elend Erle Ute - aber Liebe allein lässt sie wachsen.
Wer Gebete spricht, glaubt an Götter - wer aber Gedichte schreibt, glaubt an Menschen!
Ein HAIKU ist ein Medium für alle, die mit langen Sätzen überfordert sind.
Dummheit und Demut befreunden sich selten.

Die Verbrennung von Vordenkern findet auf dem Gescheiterhaufen statt.
Hybris ist ein Symptom der eigenen Begrenztheit.
Erich Kykal ist offline   Mit Zitat antworten
Alt 02.02.2014, 08:58   #4
Falderwald
Lyrische Emotion
 
Benutzerbild von Falderwald
 
Registriert seit: 07.02.2009
Ort: Inselstadt Ratzeburg
Beiträge: 9.913
Standard

Servus Erich,

vor solch sinnlosen Taten steht ein normaler Mensch nur fassungslos und kann gar nicht begreifen, dass manche seiner Artgenossen so handeln können.

M. E. ist es ein Widerspruch in sich selbst, wenn im Namen einer Religion getötet wird. Zumindest in den Religionen, in denen es einen Weltenschöpfer und allmächtigen Gott gibt.
Denn jener ist es doch, der im Sinne dieser Religion alle Menschen geschaffen hat. Somit wären alle Menschen dieses Gottes Werk, auch die nicht perfekten im Sinne dieser Religion.
Und wenn einige meinen, sie müssten im Namen ihres Gottes nun andere, weniger gläubigere, oder Ungläubige ausmerzen, so begehen sie damit einen Frevel, weil auch jene von ihrem Gott erschaffen wurden.
Und wenn sie glauben, sie hätten den Auftrag dazu bekommen, so steht die Allmacht ihres Gottes auf dem Spiel, denn dann wäre es ja sein Verschulden, diese weniger perfekten Menschen geschaffen zu haben. Bei denen hat er sich dann nämlich geirrt.
So oder so, bleibt dies absolut sinnbefreit und unverständlich.

In diesem Sinne ein gutes und wichtiges Gedicht.

Ich hätte da allerdings noch eine Frage, weil ich mit einem Satz nicht ganz zurecht komme:

"Armer Narr, aus deinen Taten werden
keine Früchte für der nächste Welt!"

"...für der nächste Welt"?

Wie soll das gemeint sein?


Gerne gelesen und kommentiert...


Liebe Grüße

Bis bald

Falderwald
__________________


Oh, dass ich große Laster säh', Verbrechen, blutig kolossal, nur diese satte Tugend nicht und zahlungsfähige Moral. (Heinrich Heine)



Falderwald ist offline   Mit Zitat antworten
Alt 02.02.2014, 11:30   #5
Erich Kykal
TENEBRAE
 
Benutzerbild von Erich Kykal
 
Registriert seit: 18.02.2009
Ort: Österreich
Beiträge: 8.570
Standard

Hi, Faldi!

Danke für deinen Beitrag!

Das mit der "nächsten Welt" ist doppeldeutig angelegt. Es kann einerseits das Jenseits sein, an das er, der Terrorist, glaubt, andererseits - und daran dachte ich eher - die nächste Welt, die er und seine Kumpane sich auf solche Weise zu bauen versuchen, indem sie mit blankem Hass und nackter Gewalt einen Paradigmenwechsel zu erzwingen versuchen. Eine so generierte Welt kann keine schöne und gute sein. Entweder diese Leute sind schrecklich dumm und glauben wirklich, recht zu handeln - oder sie missbrauchen ihren Glauben als für simple Gemüter gestrickte Rechtfertigung zur Erreichung persönlicher Ziele und Machtbedürfnisse.
Ehrlich gesagt, mich schockiert die Tat zwar ebenso, aber ich stehe ihr nicht fassungslos gegenüber - ich weiß sehr wohl, wie gradezu ekelerregend dumm und ungebildet, abergläubisch und autoritätshörig weiteste Teile der Menschheit heute immer noch sind! Da fehlen dann nur noch Hass, Wut und Rachedurst, und schon geht es los! Auf dem Boden solchen Stumpfsinns blühen diese Blumen des Bösen, und diese Irren und ihre nützlichen Idioten meinen tatsächlich, sie legten so einen berückend schönen und reinen Garten an! Simple Gemüter gehen einfache Wege zu hirnrissigen Zielen. Aber das erkennt eben nur der Gebildete mit dem nötigen Hintergrundwissen.
Warum glaubst du wohl rotten alle Tyrannen als erstes die Intelligenzia ihres Machtbereiches aus? Wer Idioten die Welt erklären will, darf eben nur Idioten übrig lassen! Das war schon immer so.

LG, eKy
__________________
Weis heiter zieht diese Elend Erle Ute - aber Liebe allein lässt sie wachsen.
Wer Gebete spricht, glaubt an Götter - wer aber Gedichte schreibt, glaubt an Menschen!
Ein HAIKU ist ein Medium für alle, die mit langen Sätzen überfordert sind.
Dummheit und Demut befreunden sich selten.

Die Verbrennung von Vordenkern findet auf dem Gescheiterhaufen statt.
Hybris ist ein Symptom der eigenen Begrenztheit.
Erich Kykal ist offline   Mit Zitat antworten
Alt 02.02.2014, 14:55   #6
Falderwald
Lyrische Emotion
 
Benutzerbild von Falderwald
 
Registriert seit: 07.02.2009
Ort: Inselstadt Ratzeburg
Beiträge: 9.913
Standard

Servus Erich,

danke für die Erläuterung. Der Sinn war mir wohl klar, allein der Kasus ließ mich fragen.
Ist doch eine sehr ungewöhnliche Konstruktion.

"...für der nächste Welt"

Das leuchtet mir grammatisch nicht ein.

Liebe Grüße

Faldi
__________________


Oh, dass ich große Laster säh', Verbrechen, blutig kolossal, nur diese satte Tugend nicht und zahlungsfähige Moral. (Heinrich Heine)



Falderwald ist offline   Mit Zitat antworten
Alt 13.02.2014, 00:53   #7
Erich Kykal
TENEBRAE
 
Benutzerbild von Erich Kykal
 
Registriert seit: 18.02.2009
Ort: Österreich
Beiträge: 8.570
Standard

Hi, Faldi!

Erst jetzt hat's geklickt! Irgendwie habe ich das immer richtig gelesen - da hat wohl eher mein Geist meine Realität geformt, anstatt die tatsächliche Wirklichkeit zu erkennen oder zuzulassen. Shame on me!
Ich hatte die Zeile umgeschrieben und dabei wohl übersehen, auch den Artikel anzugleichen.

Vielen Dank für den Tipp!

LG, eKy
__________________
Weis heiter zieht diese Elend Erle Ute - aber Liebe allein lässt sie wachsen.
Wer Gebete spricht, glaubt an Götter - wer aber Gedichte schreibt, glaubt an Menschen!
Ein HAIKU ist ein Medium für alle, die mit langen Sätzen überfordert sind.
Dummheit und Demut befreunden sich selten.

Die Verbrennung von Vordenkern findet auf dem Gescheiterhaufen statt.
Hybris ist ein Symptom der eigenen Begrenztheit.

Geändert von Erich Kykal (13.02.2014 um 01:27 Uhr)
Erich Kykal ist offline   Mit Zitat antworten
Antwort

Lesezeichen


Aktive Benutzer in diesem Thema: 1 (Registrierte Benutzer: 0, Gäste: 1)
 

Forumregeln
Es ist Ihnen nicht erlaubt, neue Themen zu verfassen.
Es ist Ihnen nicht erlaubt, auf Beiträge zu antworten.
Es ist Ihnen nicht erlaubt, Anhänge hochzuladen.
Es ist Ihnen nicht erlaubt, Ihre Beiträge zu bearbeiten.

BB-Code ist an.
Smileys sind an.
[IMG] Code ist an.
HTML-Code ist aus.

Gehe zu

Ähnliche Themen
Thema Autor Forum Antworten Letzter Beitrag
Gedanke eines Augenblicks Erich Kykal Denkerklause 10 16.10.2012 19:13
Geständnis eines Krokodils Carlino Der Tag beginnt mit Spaß 1 27.12.2011 16:09
Ansprache Walther Ausflug in die Natur 2 23.05.2011 20:08
Tod eines Freundes Lisa Besondere Formen 6 12.02.2010 18:21
Im Schatten eines Schmetterlings Ibrahim Liebesträume 4 25.09.2009 23:06


Alle Zeitangaben in WEZ +2. Es ist jetzt 16:24 Uhr.


Powered by vBulletin® (Deutsch)
Copyright ©2000 - 2024, Jelsoft Enterprises Ltd.

http://www.gedichte-eiland.de

Dana und Falderwald

Impressum: Ralf Dewald, Möllner Str. 14, 23909 Ratzeburg