Tod eines Moralisten

[AAAAAZ]

Du gabst mir Antwort auf die schwersten meiner Fragen.
Dein abgewetzter Ledermantel zeugt von Würde.
Als Prägung hat sich mir dein Zeichen eingeprägt.
Du warst Gesetz zum Handeln, danach wurd gelebt.
Der Zeitenwandel war die Bürde und die Hürde.
Auf deinem Rücken wurden Schlachten ausgetragen.

Den edlen, breiten Rücken, seh ich noch von Weitem.
Dein Stil bleibt nüchtern und so unnachahmlich klar.
Buchstäblich schlug bei dir zu buche, was du denkst.
mit denen du so leicht beflügelnd mich gelenkt.
Das, was du sagtest, war bedacht, belegt und wahr.
Noch immer lieb ich diesen Schatz in deinen Seiten.

Du warst mein Horizont, das sollte immer reichen.
Heut reicht dein schmaler Horizont längst nicht mehr aus.
Du wurdest überholt und bist längst überlebt,
weil Neues dauernd fordert und die Welt bewegt.
Das wahre Leben ging nicht weiter geradeaus.
Das Unverrückte muss jetzt dem Verrückten weichen.

Wer deine Stapfen maß, der galt als dreister Wilder.
Nun brauchst du selber Pflege und auch eine Stütze.
Ich denke an die Wörter, die im Buche starben.
Doch muss Erkenntnis heut nicht mehr zu Buche schlagen.
Dem Antiquariat scheint altes Wissen Nütze.
Schon übermalt und ausradiert sind viele Bilder.

Es stirbt viel mehr als Nostalgie und altes Wissen,
auch ist es mehr als eine Zeiterinnerung,
Wie einsam stirbt der stumme Rufer in der Wüste,
der mit der Heiserkeit sein Leben für uns büßte.
Die Blinden mehren sich vor dem Juwelenfund.
Und Jugend wahnt, ihr fehlt dein mahnend sanftes Küssen.