18.11.2015, 11:09 | #1 |
Von Raben umkreist
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Ort: Am Niederrhein
Beiträge: 1.053
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Barmherzigkeit
Die neue Version
Barmherzigkeit Ich forme dieses Wort für dich, der du vor Mord und Terror fliehst, für dich, der aus der Heimat wich, weil du dort keine Zukunft siehst. Fürs Volk, das man brutal verriet, schreib ich das Wort auf Zaun und Wand, für euch, die ihr im Chaos kniet, beschimpft, verfolgt im eignen Land. Ich schreie dieses Wort voll Wut für euch, die ihr von weither kamt, ihr sucht ein Heim, seid ohne Mut und hofft, dass jemand sich erbarmt. Ich schütz das Wort in dunkler Nacht vor Missgunst und vor Apathie. Wann strebt die Liebe an die Macht und zwingt den Wahnsinn in die Knie? Wann ist das Wort ins Herz gebrannt und nimmt die Liebe an die Hand? Dann welkt das faulige Geflecht, Barmherzigkeit wiegt mehr als Recht. Ich trage diesen Dolch für dich, der du vor Mord und Terror fliehst, für dich, der aus der Heimat wich, weil du dort keine Zukunft siehst. Fürs Volk, das man brutal verriet, halt ich den Dolch in meiner Hand, für euch, die ihr im Chaos kniet, beschimpft, verfolgt im eignen Land. Ich wetze diesen Dolch voll Wut für euch, die ihr von weither kamt, ihr sucht ein Heim, seid ohne Mut und hofft, dass jemand sich erbarmt. Ich stoße diesen Dolch ins Mark der frevelhaften Bourgeoisie. Wann wird die Liebe endlich stark und zwingt den Wahnsinn in die Knie? Wann blitzt der Dolch in eurer Hand? Wann siegt das Herz, nicht der Verstand? Durchtrennt das faulige Geflecht, Barmherzigkeit wiegt mehr als Recht.
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»Erich Kästner« Geändert von Sidgrani (24.11.2015 um 19:07 Uhr) |
19.11.2015, 03:23 | #2 |
Kiwifrüchtchen
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Beiträge: 945
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Lieber Sid,
ein rundum gelungenes Gedicht. Sehr schöne Lyrik, mit angemessenen, wohlklingenden Worten hat der Dichter hier sein Anliegen mit Herzblut niedergeschrieben. Und dass es dir ein wirkliches Anliegen ist, das spürt man. Den Balanceakt hast du gekonnt gemeistert, was bei bei diesem emotionsgeladenen Thema nicht einfach ist. Zum jetzigen Zeipunkt kann ich nur die künstlerische Seite sehen, es fällt mir sehr schwer, mich mit dem Inhalt zu identifizieren und mich aus Überzeugung dem Inhalt des Werkes anschließen zu können. Ich wünschte, ich könnte es. Ich kenne dich jetzt schon eine Weile und drum glaube ich, zu erkennen, dass dir genau der jetzige Zeitpunkt als der richtige erschienen ist, dass genau diese Geschehnisse, die mich meine inneren Türen zornig mit Vehemenz zuschlagen und fest verrammeln ließen, deine Inspiration und Grund für dieses Werk waren... ein Appell an alle hinter den verrammelten Türen. Sehr gern gelesen und besenft. LG von Lai
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.................................................. ........................................... "Manchmal ist es so demütigend, ein Mensch sein zu müssen..." Erich Kykal Geändert von Lailany (20.11.2015 um 20:55 Uhr) Grund: Den "peinlichen Smiley" entfernt |
19.11.2015, 18:50 | #3 |
Gast
Beiträge: n/a
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Hallo Sidgrani!
Ich schließe mich der Meinung von Lailany an: Gelungenes Werk, ohne Pathos, klar formuliert, auf den Punkt gebracht. Zitat Lailany: Den Balanceakt hast du gekonnt gemeistert, was bei bei diesem emotionsgeladenen Thema nicht einfach ist. Vom LI zum LD übergehend (S 4 zu S 5). Gute Fragen zum Ende hin (allemal besser als vorschnelle Antworten). Weshalb wechselst du in der letzten Strophe zum Paarreim? Absicht oder Zufall? Sehr gern gelesen und kommentiert. Sorgenvolle Grüße von Sanssouci |
20.11.2015, 19:33 | #4 |
/ Bil-ly /
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Beiträge: 435
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Lieber Sidgrani,
Ich bin mir nach ein paar Mal lesen noch immer nicht sicher, ob der Dolch eine passende Metapher ist, aber dein humanistisches Anliegen gefällt mir sehr! Lieben Gruß charis |
21.11.2015, 18:14 | #5 |
Erfahrener Eiland-Dichter
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Beiträge: 446
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Der unsichtbare Dolch
Hallo Sidgrani,
ich kann dich sehr gut verstehen. Du schreibst, dass die Liebe den Wahnsinn in die Knie zwingen sollte - das sehe ich genauso. Doch da passt der Dolch nicht, finde ich. Das ist ja nicht unbedingt ein Werkzeug der Liebe, eher des Hasses und der Wut. Mit Gewalt auf Gewalt zu antworten hat noch nie viel gebracht. Martin Luther King hat einmal gesagt: "Der Grundsatz Auge um Auge macht schließlich alle blind." Ich überlege, was man für die Flüchtlinge "tragen" kann - vielleicht kann man ihnen etwas von der eigenen Zeit geben (natürlich abgesehen von materieller Unterstützung). Gern gelesen wüstenvogel |
21.11.2015, 20:35 | #6 |
Gesperrt
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Beiträge: 351
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Hallo Sidgrani,
ein starkes Stück hast du hier geschrieben, extrem kraftvoll, ehrlich, kämpferisch, kompromisslos. Zugegebenermaßen haderte ich mit dem "Dolch" ähnlich wie meine Vorkommentatoren. Eine Art Waffe scheint aber nötig zu sein, um dem Text die oben genannten Attribute zu verleihen. Zudem spricht hier ein Dichter - und dessen Waffe ist das Wort und mit diesem Dolch, den er sich aus Worten geschmiedet hat, sticht er dort hinein, wo es dem Gegner wehtut. So gesehen komme ich mit der Metapher wieder ganz hervorragend klar. Hab ich es mir schöngeredet?? Einziger Schwachpunkt scheint mir S4 zu sein. Die ist mir eine Spur zu pathetisch. Warum? Nun, zum einen ist es die "frevelhafte Bourgeoisie", ein Ausdruck der mir zu altbacken erscheint, zu weit hergeholt, nicht mehr zutreffend und der in meinen Ohren dadurch zur Phrase verkommt. Zum anderen die meiner Meinung nach furchtbar schmalzige (und auch etwas hilflos hoffende) Frage "Wann wird die Liebe wieder stark", die so gar nicht zum sehr rationalen Rest des Textes passen will. Ansonsten - ein starkes Stück! Vielen Dank Bodo |
22.11.2015, 08:52 | #7 |
/ Bil-ly /
Registriert seit: 02.10.2015
Beiträge: 435
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Bodo hat mich auf eine Idee gebracht:
Das zarte Wort Ich trage dieses Wort für dich, der du vor Mord und Terror fliehst, für dich, der aus der Heimat wich, weil du dort keine Zukunft siehst. Fürs Volk, das man brutal verriet, hüt ich das Wort mit Herz und Hand, für euch, die ihr im Chaos kniet, beschimpft, verfolgt im eignen Land. Ich wetze diesen Wort voll Wut für euch, die ihr von weither kamt, ihr sucht ein Heim, seid ohne Mut und hofft, dass jemand sich erbarmt. Ich stoße diesen Wort ins Mark der Feigheit und Xenophobie. Wann blitzt das Wort in eurer Hand, und siegt das Herz mit dem Verstand? Dann werden zarte Worte stark und zwingen Wahnsinn in die Knie. Durchtrennt das faulige Geflecht, Barmherzigkeit wiegt mehr als Recht. Lieben Gruß charis Geändert von charis (22.11.2015 um 08:54 Uhr) |
24.11.2015, 16:10 | #8 |
Von Raben umkreist
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Beiträge: 1.053
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Liebe Poeten und Poetinnen,
ich danke euch für eure Gedanken und die Zeit, die ihr ganz offensichtlich mit meinem Gedicht verbracht habt. Ihr habt mir wertvolle Anregungen gegeben. Ja, liebe Lai, es war mir ein Anliegen, als Dichter etwas zu dem wohl größten Problem dieses Jahrhunderts beizutragen. Hoffentlich wird es die Terrorgefahr nicht noch überflügeln. Der Paarreim, lieber Sanssouci, hat sich mehr oder wenig automatisch ergeben. Wahrscheinlich habe ich es sogar unbewusst so gewollt. Ich habe inzwischen zur Kenntnis genommen, dass der Dolch eine unglückliche Wahl war. Das wurde mir auch in einem lokalen Forum hier am Niederrhein bewusst gemacht. Dabei habe ich ihn nicht als reale Waffe verstanden. „Was wolltest du mit dem Dolche, sprich? Die Stadt vom Tyrannen befreien.“ Das waren meine Idee und mein Ziel. Mit Hilfe der Metapher vom Tyrannen befreien. Schnee von gestern. Die "frevelhafte Bourgeoisie" ist nun, ebenso wie andere Passagen, der Änderung zum Opfer gefallen. Für die guten Vorschläge bin ich euch, Bodo und Charis, wirklich sehr dankbar. Ich freue mich, das war doch eine fruchtbare Zusammenarbeit. Liebe Grüße Sid
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»Erich Kästner« |
28.11.2015, 03:27 | #9 |
Kiwifrüchtchen
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Lieber Sid,
na das ist ja jetzt richtig stattlich geworden! All die guten Rat- und Vorschläge und die Weise, wie du sie eingearbeitet hast, haben einen sehr guten Text zu einem ausgezeichneten Werk gemacht. Prima! HG von Lai
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28.11.2015, 12:27 | #10 |
Gast
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Hallo Sidgrani
Die ganze Entwicklung und Umarbeitung hier ist echt spannend. Könnte man von A bis Z in ein Schulbuch über "engagierte Gedichte" abdrucken, mit Gewinn für Lehrer wie Schüler. Nun bin ich allerdings ein Fan von Metaphern, auch wenn sie mir selber normalerweise nicht gut "in der Hand liegen". Deshalb sähe ich kein Problem, wenn "der Dolch" hier weiterhin in ganzer Schärfe vorkäme, sofern man jeden Zweifel an der echten Meuchelabsicht des Lyrischen Ichs ausräumen könnte. (Welche bei Schiller hinwiederum einen wichtigen Teil der Dichtung darstellte.) Der Missgriff mit dem Wort Bourgeoisie, welcher für die meisten Leser nicht mal Sinn ergibt, schädigt auch die Dolch-Metapher. Aber wenn der bereinigt ist, könnte auch der Dolch bestehen bleiben, z.B. so: Ich stoße diesen Dolch ins Mark der Missgunst und der Apathie. Wann wird die Liebe endlich stark und zwingt den Wahnsinn in die Knie? Wann blitzt der Dolch in eurer Hand? Wann siegt das Herz, zwingt's den Verstand? Durchtrennt nun fauliges Geflecht! Barmherzigkeit wiegt mehr als Recht! So müsste m.E. der Dolch unzweideutig als Waffe des Geistes (oder der Emotionen) verstanden werden können. Dein Gedicht handelt ja gerade davon, dass die Liebe, die Gute Absicht, das Herz zu wenig ausrichten und fragt: Wann ist es endlich so weit, dass die drei genügend Schärfe und Durchsetzungskraft erreichen? Darum finde ich dieses Dolchproblem (welches ich bei deiner Originalfassung durchaus auch habe) so interessant. Gruss Wolo edit: Ich dachte eigentlich, s1 biis s3 mehr oder weniger wie im Original zu belassen. Aber Bodos neu hinzugefügte Idee (s.u.) macht irgendwie auch Sinn. Geändert von wolo von thurland (29.11.2015 um 11:24 Uhr) |
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