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Finstere Nacht Trauer und Düsteres

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Alt 18.02.2017, 11:39   #1
Kokochanel
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Standard Dornröschens Heimkehr

Dornröschens Heimkehr

Fast blau gefroren starrte
vorm Haus der Baum, als ob er harrte
auf eine, die zu lange fort
in einem Dort war,
das sie doch nur narrte.

Sie klopfte, sah den Zaun, sah sich.
Durch matte Scheiben fiel kein Licht
hinaus.
Das alte Haus
verweigerte ihr sein Gesicht.

Der Frost bepochte ihre Zehen,
das grobe Lehen
einer falschen Freiheit.
Fernab von aller Zeit
verwisperte im Baum ein Flehen.

Geändert von Kokochanel (19.02.2017 um 11:06 Uhr)
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Alt 18.02.2017, 15:23   #2
Erich Kykal
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Standard

Hi Koko!

Das Gedicht gefällt mir gut, obwohl es unkonventionell getaktet ist, eigentlich eher dem Rhythmus seiner Sprache folgt, als die Sprache einem Rhythmus folgen zu lassen. Dennoch ist ein Takt erkennbar - leider nicht ganz durchgehalten.

Ich sehe eine Frau, die liebt, durch eine klirrende Winternacht schleichen, um einen heimlichen Blick auf den geliebten Menschen zu erhaschen, den sie - aus welchen Gründen auch immer - nicht sehen darf, oder der sie nicht sehen soll. Je nach Optimismuslevel sieht der Leser in ihr eine heimlich Verliebte oder eine (zu Unrecht?) Verstoßene, die nicht loslassen kann.
S1 klärt uns allerdings bei genauem Lesen darüber auf ("zu lange in einem Dort"), dass sehr wahrscheinlich letzteres zutrifft.
Jedenfalls ist das Haus dunkel, sie kann ihn nicht sehen, während ihr die Kälte, die ihr in die Zehen kriecht, bewusst wird - ein schönes Sinnbild für die emotionale Kälte, die sie in diese Einsamkeit verstieß.


Hier meine Tipps:

Fast blau gefroren starrte Kann ein Baum "blau frieren"? Das Bild funzt nicht für mich, sorry.
vorm Haus der Baum, als ob er harrte
auf eine, die zu lange fort
in einem Dort war,
das sie doch nur narrte.

Sie klopfte, sah den Zaun, sah sich.
Durch matte Scheiben fiel kein Licht
hinaus.
Welch Graus, Das wirkt eher karrikierend/persiflierend, sowas würde ich selbst im "verschwurbeltsten" Gedicht nicht verwenden!
verweigerte ihr sein Gesicht.

Der Frost bepochte ihre Zehen,
das grobe Lehen
einer falschen Freiheit.
Fernab von aller Zeit Diese Zeile erscheint mir rythmisch unpassend.
verwisperte im Baum ein Flehen.


Mögliche Version: (Hebungsschema 4-4-4-2-4)

Beinah wie hartgefroren starrte
vorm Haus der Baum, als ob er harrte
auf eine, die zu lange fort
in einem Dort
war, das ihr Hoffen nur noch narrte.

Sie klopfte, sah den Zaun, sah sich.
Durch matte Scheiben fiel kein Licht
in ihre kalte Welt hinaus.
Das dunkle Haus
verweigerte ihr sein Gesicht.

Der Frost bepochte ihre Zehen,
der Schatten und das grobe Lehen
für eine ungeliebte Freiheit.
Fern der Zeit
verwisperte im Baum ein Flehen.


Du weißt, ich muss zwanghaft alles nach Regelmaß takten (zumindest habe ich es geschafft, die Auftakte zu ignorieren!) - nur so wird es "lyrisch" für mich. Aber das ist MEIN Problem. Nimm von meinem Herumspielen nur, was dir brauchbar erscheint - falls überhaupt.

Sehr gern gelesen.

LG, eKy
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Weis heiter zieht diese Elend Erle Ute - aber Liebe allein lässt sie wachsen.
Wer Gebete spricht, glaubt an Götter - wer aber Gedichte schreibt, glaubt an Menschen!
Ein HAIKU ist ein Medium für alle, die mit langen Sätzen überfordert sind.
Dummheit und Demut befreunden sich selten.

Die Verbrennung von Vordenkern findet auf dem Gescheiterhaufen statt.
Hybris ist ein Symptom der eigenen Begrenztheit.
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Alt 18.02.2017, 16:09   #3
Thomas
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Liebe Koko,

ich lese das interessant gestaltete Gedicht vor der Deutung des Märchens von Bruno Bettelheim und sehe ein tragisches Scheitern der ersten Liebe eines jungen Menschen, was diesen mit sich selbst entfremdet. Sehr düster.

Die "Vermenschlichung" des Baums (welche ja in den blinden Fenstern der weiten Strophe und in der dritten Strophe fortgesetzt wird) ermöglicht das "blau gefroren" durchaus. In Zeile fünf der ersten Strophe würde ich "doch nur" streichen. Die Worte "Graus" und "Lehen" stören mich, da sie aus dem sonstigen, sehr natürlichen Sprachniveau herausstechen und dadurch etwas dem Reim geschuldet klingen.

Insgesamt eine sehr traurige, aber gute Idee, die einen mitnimmt (in des Wortes doppelter Bedeutung).

Liebe Grüße
Thomas
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© Ralf Schauerhammer

Alles, was der Dichter uns geben kann, ist seine Individualität. Diese seine Individualität so sehr als möglich zu veredeln, ist sein erstes und wichtigstes Geschäft. Friedrich Schiller
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Alt 18.02.2017, 18:06   #4
Erich Kykal
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Hi Thomas!

In punkto Baum möchte ich widersprechen: Am Beginn des Gedichtes verweist nichts auf die Quasirolle des Baumes, das kommt erst mit dem "Starren". Ihn davor "blau fireren" zu lassen, wenn der Leser ihn nur als Baum erkennt, funktioniert nicht. Erst nach dem "Starren", wenn die Personifikation eindeutig platziert ist, könnte eine solche Vertiefung des Gleichnisses erfolgen.
Davor ist es nur verwirrend und lässt den Leser stutzen, weil er die nur für Warmblüter, sprich Menschen verwendete Wendung nicht mit dem immer kalten Baum in Einklang bringen kann.

LG, eKy
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Alt 18.02.2017, 20:42   #5
Kokochanel
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Lieber Erich, lieber Thomas,

erstaunlich finde ich es, wie ihr diesem Gedicht entgegentretet und da ich es auch in einem anderen Forum laufen ließ, erstaunt es mich um so mehr, dass ausnahmslos alle darin eine irgendwie gescheiterte Liebesbeziehung zu sehen scheinen.
Das wiederum bestätigt mich in meiner These, dass ein Leser immer sich selbst ins Werk hineinliest, also von den Prämissen ausgeht, Emotionen, die er kennt.
Das ist für mich beinahe noch interessanter als die Analyse des Gedichtes.

Das Werk ist nicht metrisch gleichhebig, weil es stilistisch das Zerissene betonen soll. Im Sinne hatte ich keine Liebe, ´sondern die Freiheit aus der Enge eines Zuhauses , in dem Dornröschen lange schlief. Bieder, angepasst, etwas verwöhnt und angebetet, etwas elitär, naiv und unschuldig. Das war dasBild, das ich durch Dornröschen anregen wollte. Dass es da wohl um eine Liebesgeschichte ging, war mir entfallen. Märchen waren nie so mein Ding.

Dann wurde sie wach und ging, weil sie das Erstarrte des ( man denke an ein Dorf) nicht mehr leben wollte.
Sie versprach sich viel von dem "Ausbruch", so könnte man es vielleicht sagen, das anscheinend zumindestens emotional offensichtlich nicht erfüllt wurde.
Ihre Rückkehr war zu spät, die Menschen, die sie liebte und verließ um der Freiheit willen, waren nicht mehr da. Alles Leben war erstarrt, blaugeforen als Bild des Todes, auch für den Baum, der abgestorben war.
Mir ging es darum zu zeigen, welch hohen Preis die Freiheit manchmal fordert.
Und das Kafkaeske wäre: sie ging um der Starre, dem Festgefahrenen zu entkommen und kam zurück in ein Festgefahrenes, wo es ( und das habt ihr schon erspürt) nie mehr möglich sein wird, etwas zu ändern.

Ihre Frostbeulenzehen, die übrigens wie der Baum blau werden( korrespondiert mit dem Baum) bevor sie absterben, zeigt, dass die Freiheit sie emotional nicht bereichert hat. Der große Irrtum also. Ihr Heim gibt es nicht mehr.

Ich komme noch einmal auf eure Liebestheorie:
Erich
i..."ch sehe eine Frau, die liebt, durch eine klirrende Winternacht schleichen, um einen heimlichen Blick auf den geliebten Menschen zu erhaschen, den sie - aus welchen Gründen auch immer - nicht sehen darf, oder der sie nicht sehen soll. Je nach Optimismuslevel sieht der Leser in ihr eine heimlich Verliebte oder eine (zu Unrecht?) Verstoßene, die nicht loslassen kann..."
Thomas- gescheiterte erste Liebe, die die Frau sich selbst entfremdet.

Sowas habe ich nicht so düster erlebt und könnte mich darum dahinein auch nie einfühlen.

Ich bedanke mich für eure formalen Tipps, möchte es aber diemal gerne so belassen.

LG von Koko
Ich habe den Eindruck, dass meine Gedichte seit einiger Zeit kryptischr werden, metaphorisierter und verschlüsselter. Mir persönlich gefällt das und ich sehe es durchaus als Niveausteigerung für mich persönlich an.

Dadurch eröffen sie dem Leser mehr persönlichen Spielraum, vielleicht aber erschwert das auch das Verständnis.

Als nächstes bringe ich mal wieder eine Politsatire. Habe sie gerade geschrieben.

Geändert von Kokochanel (18.02.2017 um 21:19 Uhr)
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Alt 19.02.2017, 10:48   #6
Thomas
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Liebe Koko,

du sagst: "Ich habe den Eindruck, dass meine Gedichte seit einiger Zeit kryptischer werden… und ich sehe es durchaus als Niveausteigerung." Ich bin mir nicht so sicher, ob diese Schlussfolgerung stimmt und wäre zumindest vorsichtig.

Auch ist deine These "dass ein Leser immer sich selbst ins Werk hineinliest, also von den Prämissen ausgeht, Emotionen, die er kennt" zwar allgemein richtig, aber gerade dieser Umstand erfordert vom guten Dichter, dass es sehr genau weiß, was er mit dem Leser tut, indem er alle Aspekte und Konnotationen seiner verwendeten Worte und Begriffe gut kennt und exakt nutzt. Denn nur so kann er etwas Wesentliches und Neues sagen. Es geht ja nicht darum "Kryptisches" von sich zu geben, sondern das Gesagte ist, wenn es tief und neu ist, für viele Leser leider zwangsläufig "kryptisch", weil diese erst zur diesem Neuen und Tiefen (mit der möglichst präzisen Hilfe des Gedichtes) vordringen müssen. Konkret ausgedrückt: Wenn du das, was du erklärst ausdrücken willst, und dazu (im Titel!) das Wort "Dornröschen" benutzt, und hinterher feststellst, "Dass es da wohl um eine Liebesgeschichte ging, war mir entfallen. Märchen waren nie so mein Ding", muss es dich eigentlich nicht "erstaunen", "dass ausnahmslos alle darin eine irgendwie gescheiterte Liebesbeziehung zu sehen scheinen." Du hast ungewollt, den Leser auf eine falsche, oder unfruchtbare Fährte gesetzt. Dabei hast du meiner Meinung nach Glück gehabt, denn das Gedicht ist trotzdem gut – denke ich, obwohl dir das hinterher kryptisch erscheint.

Liebe Grüße
Thomas
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Alles, was der Dichter uns geben kann, ist seine Individualität. Diese seine Individualität so sehr als möglich zu veredeln, ist sein erstes und wichtigstes Geschäft. Friedrich Schiller
Thomas ist offline   Mit Zitat antworten
Alt 19.02.2017, 11:12   #7
Kokochanel
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Lieber Thomas,

ja, magst recht haben.
Habe die Zeile mit dem Graus rausgenommen und durch " das alte Haus" ersetzt.
Die Schnittkante bei hinaus aber sollte bleiben. Denn das ist ja der Punkt,dass vom Haus nichts mehr " zurückkommen kann.". Ich müsste das Märchen noch mal genau lesen, das Erwachen aus einem komaähnlichen Zustand passt aber doch.

Nun gut, sie erwachte nicht aus eigener Kraft, sondern weil ein Prinz sie wachküsste, war das so? Da steht wahrscheinlich der Prinz im Vordergrund...lächel.
Mag sein, dass das Symbol des Dornröschens da missverständlichs ein konnte.
LG von Koko
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