19.03.2017, 14:19 | #1 |
TENEBRAE
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Lang verheiratet
Wie lange uns die stummen Jahre währten,
um aneinander blind vorbei zu tasten. Nur ungesühnte Sünden, alte Lasten begegneten wie trunkene Gefährten auf allen Wegen unserm Herzentlehnten, die ausgezehrten Arme ihm zu breiten. So trieben wir durch ungelebte Zeiten am Ziel vorüber, das wir so ersehnten. Was ist geblieben von den Traulichkeiten, der tiefen Überzeugung unsrer Liebe? Zutiefst verleugnete Gelegenheiten, sich endlich doch bewusster zu begegnen, und ohne Ehrgeiz und den Dorn der Triebe einander sanft die Einsamkeit zu segnen.
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Weis heiter zieht diese Elend Erle Ute - aber Liebe allein lässt sie wachsen. Wer Gebete spricht, glaubt an Götter - wer aber Gedichte schreibt, glaubt an Menschen! Ein HAIKU ist ein Medium für alle, die mit langen Sätzen überfordert sind. Dummheit und Demut befreunden sich selten. Die Verbrennung von Vordenkern findet auf dem Gescheiterhaufen statt. Hybris ist ein Symptom der eigenen Begrenztheit. Geändert von Erich Kykal (05.04.2018 um 01:14 Uhr) |
19.03.2017, 18:43 | #2 |
Slawische Seele
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Lieber eKy,
ich weiß nicht, woran es liegt, dass mich dieses Sonett zutiefst berührt. Vielleicht, weil ich es nicht wirklich verstanden habe. Du hast es in der Denkerklause gepostet, während ich es der nichtvorhandenen Rubrik "Tragödien" zuordnen würde. Lang verheiratet bedeutet auch älter oder alt zu sein. Ich hatte sofort einige bestimmte Ehen als Bild vor mir. Vielleicht interpretiere ich deshalb zu tragisch anhand dieser Beispiele. Jene Langzeitehen (ich will nicht verallgemeinern, bitte nicht so verstehen) präsentieren sich in synchron verlaufenden Bildern. Nach außen stimmig, die Jubiläen werden groß und "harmonisch gefeiert", Feiertage unter "Familienzwang" begangen und innen findet die "Hölle" statt. Meist ist es gar nicht eine selbsterschaffene "Hölle", eher eine Unfähigkeit mit der "vorgegebenen" Zweisamkeit" umzugehen. Kommunikationsdefizite, falsche Scham und eine anerzogene "Geradlinigkeit", die es zu erfüllen gilt. Vielleicht sind das Gründe dafür, dass heute die Ehen viel kurzlebiger sind, weil man dabei ist, sich von den Zwängen zu befreien. Jede "Reformation" braucht ihre Zeit. Dieses Gedicht wird mich noch länger beschäftigen. Es ist echt und berührend. Liebe Grüße Dana
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Ich kann meine Träume nicht fristlos entlassen,
ich schulde ihnen noch mein Leben. (Frederike Frei) |
19.03.2017, 20:41 | #3 |
Erfahrener Eiland-Dichter
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Hi Erich,
lang heißt ja nicht zwangsläufig "besser" - hier ist also eine langjährige beziehung ausgedünnt und im schalen verlaufen. so etwas soll es geben. was jetzt fehlt, ist eigentlich das partnergedicht dazu - da wo die zweisamkeit tatsächlich gelungen ist. hausaufgabe, bis morgen! lg, larin
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Cogito dichto sum - ich dichte, also bin ich! |
19.03.2017, 21:15 | #4 |
TENEBRAE
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Hi Dana!
Ich habe derlei öfter erlebt und mitbekommen, teils bei den eigenen Eltern (deshalb vielleicht die "Authentizität"), teils bei Ehen von Verwandten oder Bekannten. Du hast es eigentlich schon schön analysiert, worauf ich anspiele: Manche Ehen gerinnen zu einem nebeneinander her Existieren, erstarrt in Ritualen, Gewohnheiten und gegenseitigen Schuldzuweisungen. Dazwischen ist eigentlich jeder zu zweit allein, und man bleibt nur zusammen, weil die Alternative - VÖLLIG allein zu leben - für sie noch erschreckender ist. (Ich lebe sei 30 Jahren so - völlig allein - und verstehe nicht, wo das Problem liegt ... ) Hi larin! Ich hatte ehrlich daran gedacht, aber zum einen erschien es mir ein wenig zu klischeehaft, so ein Gut und böse/Schön und hässlich-Szenario hinzustellen, zum anderen empfand ich keine große Inspiration in diese Richtung. Bin eben nicht so der Dichtertyp für's Honigtöpfchen! Aber DU könntest dich doch drum kümmern! Was Sprachhabung und lyrisches Gespür angeht, sind wir beide ja durchaus gleichauf! Vielen Dank euch beiden für eure Gedanken und das freundliche Lob! LG, eKy
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20.03.2017, 20:02 | #5 |
Gast
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Hallo eKy,
Bei dem Zusammenleben von Paaren, die sich schon lange kennen, besteht die Gefahr der Gewohnheit und das nicht ausgesprochen wird, was der Einzelne wirklich denkt. Durch die Zeit verändert sich jeder Mensch, und es ist höchst unwahrscheinlich, dass das im Gleichtakt geschieht. Da hilft nur der Wille, du kannst es auch gleichsetzen mit der Liebe zueinander, im Gespräch zu bleiben. Es ist ein gegenseitiges Geben und Nehmen. Manchmal auch mit Reibung, aber Reibung erzeugt bekanntlich Wärme. Es gibt Paare, die haben Angst auseinander zu gehen, weil sie sich das Alleineleben nicht zutrauen. Aber das muss jeder selber wissen, was ist schon Glück, Ein weites Feld. Unsere Elterngenerationen waren viel mehr aufeinander angewiesen, weil die Frau, dadurch dass sie kein eigenes Geld hatte, weil sie Hausfrau war, auf Zweisamkeit angewiesen war . Heute gibt es viele Ehen, oder auch nicht Verheiratete, die sich trennen, weil ihr Liebesziel nicht mehr vorhanden ist. Manchmal habe ich auch den Eindruck, es wird zu wenig umeinander gekämpft. Was ist geblieben von den Traulichkeiten, der tiefen Überzeugung unsrer Liebe? Zutiefst verleugnete Gelegenheiten, <<< zweimal „tief“ Vielleicht so Was ist geblieben von den Traulichkeiten, der festen Überzeugung unsrer Liebe? Zutiefst verleugnete Gelegenheiten eKy, das ist ein sehr schönes Sonett, es trifft den Zeitgeist unserer Generation, die die Patchworkfamilie quasi erfunden hat. Sehr gerne gelesen und Liebe Grüße sy |
20.03.2017, 21:03 | #6 |
TENEBRAE
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Hi Sy!
Gutes Auge und Ohr, dass dir das wiederholte "tief" aufgefallen ist - aber das war durchaus gewollt, da eins ja aus dem anderen wurde, und diese Dopplung zeigt den Bezug aufeinander zusätzlich, verbindet das Bild einstmals "tiefer" Liebe mit den nunmehrigen "zutiefst" verleugneten Gelegenheiten. Beim Lesen betone ich sogar diese beiden Worte in beiden Zeilen stärker, um die Entwicklung vom einem zum anderen zu verdeutlichen. Vielen Dank für deine Gedanken zur Materie! LG, eKy
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20.03.2017, 21:39 | #7 |
Erfahrener Eiland-Dichter
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lieber erich,
gelungene zweisamkeit muss gar nicht "honigtopf" sein ( das ist viel eher eine illusion), wahrscheinlicher ist wohl ein bild des zufriedenseins und der ausgeglichenheit oder aber der dankbarkeit, dass man die kämpfe und krisen der vergangenheit gemeistert und überstanden hat.... insoferne sollte man langjährige beziehungen vielleicht weniger mit "liebe" und mehr mit "arbeit" assozieren. so, wie bei einem schönen blumenbeet: düngen und unkraut rupfen, düngen und unkraut rupfen ....... oder wie mit einem gelungenen gedicht: metrik und sprache, metrik und sprache..... glück ist dann das, was dabei entsteht, wenns passt. ich mach die hausaufgabe nicht für dich! lg, larin
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Cogito dichto sum - ich dichte, also bin ich! |
22.03.2017, 19:51 | #8 |
Lyrische Emotion
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Servus Erich,
ich kann da nicht mitreden, meine Ehen haben nie so lange gehalten... Larin hat es auf den Punkt gebracht, eine lange Ehe bedeutet viel Arbeit und Pflege. Wenn man einen Partner findet, für den es sich lohnt, dann ist es das wohl wert, doch heutzutage, ich schließe mich da nicht aus, muss alles möglichst bequem und einfach sein. Fürwahr gibt es ja auch genug andere Probleme, die das Leben kompliziert machen können. In einer Partnerschaft müssen sich Geben und Nehmen die Waage halten und wenn man sich darauf verlassen kann, dann sind auch Kompromisse möglich. Am Ende einer langen Ehe heißt es vielleicht nur noch, einfach da zu sein, zuzuhören oder zu trösten. Es mag sein, dass sich solche Partner dann auch wieder näher kommen, weil sie zwischenzeitlich vielleicht etwas die Nähe zueinander verloren haben, da das Alltagsleben doch meist in einer bestimmten Routine mündet. Vielleicht werde ich es ja noch erfahren, man soll die Hoffnung ja nicht aufgeben. Ein sehr nachdenklich machendes Sonett, das mir in diesem Sinne gut gefallen hat... Gern gelesen und kommentiert... Liebe Grüße Bis bald Falderwald
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Oh, dass ich große Laster säh', Verbrechen, blutig kolossal, nur diese satte Tugend nicht und zahlungsfähige Moral. (Heinrich Heine) Für alle meine Texte gilt: © Falderwald --> --> --> --> --> Wichtig: Tipps zur Software |
22.03.2017, 21:08 | #9 |
TENEBRAE
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Hi Larin, Faldi!
Ihr vergleicht die gute Ehe eher mit Arbeit - nun, ich war immer schon arbeitsscheu! Vielen Dank für eure Gedanken! LG, eKy
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22.03.2017, 21:44 | #10 |
Gast
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Lieber Erich,
dieses Sonett berührt und es wirkt so authentisch, dass man meinen könnte, es wäre eigenes Erleben. Da du aber schriebst, du hast es aus der Beobachtung anderer heraus geschrieben, lässt dies den Schluss zu, dass du sehr feinfühlig und empathisch bist, ganz im Gegensatz zu dem "Soziopathen", als den du dich gerne selbst bezeichnest. Wie auch immer, ist es sehr nachhaltig - es erzählt von Verwundetsein, von Einsamkeit zu zweit, von eigentlich verpasstem Leben zweier, die sich aneinander abgearbeitet haben. Stutzig macht mich hier das Wort "Ehrgeiz"- Konkurenzdenken? Ich denke, solche Ehen gibt es. Dazwischen gibt es viele Mischformen. Ich denke, da eine Ehe und auch das, was man von ihr erwartet , höchst persönlich ist und dazu kommt, dass gescheiterte Ehepartner, mit denen man befreundet ist, immer jeder eine eigene Version über das Scheitern haben, macht es schwierig, diese speziell geschilderte Ehe zu beurteilen. Allgemein denke ich, dass es eben immer zwei Persönlichkeiten sind, die sich verlieben, verheiraten. Ausgewählt wird meistens emotional, manchmal auch nach Äusserlichkeiten, erotischer Anziehung, materiellem Status- sehr unterschiedlich also. Wichtig finde ich, dass das Lebenskonzept beider ähnlich ist, wenn einer sehr extrovertiert ist und viele Menschen braucht, und der andere nicht, ist das schon mal ein Problem, was sich sicherlich verstärkt. Ich habe also darauf geachtet, dass dieser Punkt stimmig war. Zudem muss man dem anderen eine gewisse Freiheit lassen. Ich meine damit durchaus nicht Fremdgehen oder sowas, sondern eine Freiheit im Denken und Tun. Die Liebe pflegen, das ist eine Worthülse. Leidenschaft nimmt irgendwann ab und wird durch eine vertraute Innigkeit ersetzt. Das ist völlig normal. Ehepartner sollten, auch wenn sie manchmal im Clinch liegen ( was ich auch völlig normal finde) doch die sein, die sich alles erzählen können, alles versuchen zu verstehen. Zusammen stehen , wenn es dick kommt. Das erfordert Empathie und sich persönlich auch mal Zurücknehmen. Wenn Partner sich aber plötzlich verändern, weil sie in einer Midlife-Krise stecken und meinen, sie müssten mit 45 ihr ganzes Leben umkrempeln, so wie ich es bei einer Freundin gesehen habe, dann hat das viel mit Egoismus zu tun und weniger mit dem Partner. Ich denke auch nicht, dass mir dies in meiner Ehe passieren wird, auch wenn manchmal gepflegt die "Fetzen fliegen", da wir beide recht emotional sind und kein Blatt vor den Mund nehmen. Aber vielleicht ist das gerade das das Geheimnis- die Ehrlichkeit und die Direktheit. Hier wird nichts unter den Teppich gekehrt. Ein Gedicht, das ich sehr gerne gelesen habe. LG von Koko |
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