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Denkerklause Philosophisches und Nachdenkliches

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Alt 26.04.2017, 15:05   #1
Erich Kykal
TENEBRAE
 
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Standard Am verfallenen Hofe

Hoch am Firste unter Himmeln,
düster dräuend und verhangen,
steht ein altes Wort geschrieben,
tief verwittert, fast vergangen.

War es eines Menschen Name,
eines Gottes Ehrenzeichen?
Ward es einer Herzensdame
hingeschnitzt, sie zu erreichen?

War es jenes Moderhauses
Anbeginn und Auferrichtung?
Faktum? Fantasiegebilde?
Wahrheit oder ferne Dichtung?

Niemand noch vermag zu deuten,
was es laute dort am Sparren.
Zeit vergeht und macht aus Leuten
lang Vergessene und Narren.
__________________
Weis heiter zieht diese Elend Erle Ute - aber Liebe allein lässt sie wachsen.
Wer Gebete spricht, glaubt an Götter - wer aber Gedichte schreibt, glaubt an Menschen!
Ein HAIKU ist ein Medium für alle, die mit langen Sätzen überfordert sind.
Dummheit und Demut befreunden sich selten.

Die Verbrennung von Vordenkern findet auf dem Gescheiterhaufen statt.
Hybris ist ein Symptom der eigenen Begrenztheit.
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Alt 26.04.2017, 18:19   #2
Chavali
ADäquat
 
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Lieber Erich,

ja solche Inschriften kenne ich auch, man sieht sie hauptsächlich in Dörfern auf dem Lande,
wenn niemand mehr als Erbe vorhanden ist und der Hof und das Wohngebäude verfällt.

Leute, die das interessiert und die sich Gedanken machen, möchten gern wissen, was dort geschrieben steht - stand.
Leute wie wir - ich mag auch darüber grübeln

Aber sag, mit dieser Zeile komme ich nicht klar:
Zitat:
was es laute dort am Sparren.
also entweder lautete oder lautet oder ganz einfach was geschrieben steht am Sparren


Gern gelesen!
Lieben Gruß,
Chavali

__________________
.
© auf alle meine Texte
Die Zeit heilt keine Wunden, man gewöhnt sich nur an den Schmerz

*
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Alt 26.04.2017, 20:40   #3
Erich Kykal
TENEBRAE
 
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Ort: Österreich
Beiträge: 8.570
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Hi Chavi!

Bzgl. "laute" - ich habe das intuitiv so geschrieben, mir sicher seiend, dass man das so sagen kann. Dabei kann ich dir leider nicht erklären, warum das so sein mag, oder ob es tatsächlich so ist. Ob Faldi etwas dazu sagen kann?

Vielen Dank für deine Gedanken!

LG, eKy
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Alt 27.04.2017, 15:05   #4
fee_reloaded
heimkehrerin
 
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Zitat:
"es laute"
ist Konjunktiv I Präsens von "lauten" - das passt schon so, lieber Erich und ich bin daran auch nicht hängengeblieben beim Lesen.

Alte Inschriften und Verfall an sich, der anfängt, letzte Spuren zu verwischen und verwehen - da hast du eine schöne Vanitas gedichtet und der Vergänglichkeit ein wunderschön melancholisches "Lied" gewidmet. Das gefällt mir sehr - so wie ich auch Spuren von Verfall und Verwitterung an sich sehr mag. Da liegt für mich viel Schönheit darin und greifbarer, finde ich, kann "Zeit" für uns kaum werden als an solchen Objekten und Spuren einstigen Schaffens und Waltens.

Sehr gerne gelesen!

Lieber Gruß,
fee
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"Du musst, wenn du unser Glück beschreiben willst,
ganz viele kleine Punkte machen wie Seurat.
Und dass es Glück war, wird man erst aus der Distanz sehen.”

― Peter Stamm, Agnes
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Alt 27.04.2017, 17:57   #5
Erich Kykal
TENEBRAE
 
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Hi Fee!

Danke! Ich war mir beim Schreiben keiner möglichen Fehlerhaftigkeit bewusst, nach der Nachfrage aber doch etwas unsicher. Normalerweise vertraue ich meinem Sprachgefühl und -instinkt, und der hatte kein Problem mit der Stelle. Aber hier kam ich nicht auf den Konjunktiv - war wohl etwas verkrustet im Hirn gestern ...

Ich mag Ruinen sehr! Sowohl die touristisch gepflegten wie die ganz verwilderten im Walde! Als Kind schon habe ich gern in sowas gespielt! Verfallene Höfe waren damals in den Siebzigern noch ein gewohntes Bild auf dem Lande, und es gibt hier jede Menge alte Burgen.

LG, eKy
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Alt 02.05.2017, 19:41   #6
Kokochanel
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Guten Abend, Erich,

ich finde, das Gedicht verströmt eine "perfide Schönheit", den Abglanz eines alten Hauses, das verfällt. Man fragt sich, was mag alles darin geschehen sein, wer hat dort wie gelebt?
Ich teile alos deine Affinität zu alten ( auch gepflegten alten)Häusern oder gar Ruinen. Sie ziehen mich manchmal an, manchal stoßen sie mich ab. Aber "irgendwas" lösen sie immer in mir aus.
Gestern sind wir zum Feiertag noch einmal rasch über die Grenze nach Holland gefahren. Familienausflug . Ich wollte gerne noch mal die leckeren Lebensmittel kaufen. Mein Vla ist schon aufgegessen.
Da stand ich auch vor einem alten Bürgerhaus mit der Inschrift 1786. Ein wunderschönes Haus. Da wollte ich gar nicht weg.

Dieses Gefühl empfinde ich auch in deinem Werk, gut transportiert.
Galant und gekonnt geschrieben, wie hingegossen. Ein Werk, das mir sehr gut gefällt.

Anstatt "laute" würd ich "künde" schreiben. Da du ja Österreicher bist, mag es sein, dass lauten diese Sinngebung in eurer Sprache hat. Im Hochdeutschen kenne ich es jedoch nicht.


Der Schluss mit den Vergessenen gefällt mir sehr gut.Schon ein seltsames Gefühl, dass Häuser so viele Generationen überdauern, in denen sich auch Gesellschaftsnormen und Ansichten ändern. Darum vielleicht die "Narren".
Weil das, was damals wichtig war, lebensbestimmend, danach vielleicht nicht mehr galt. Meinst du es so?

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Ansonsten wäre mir das Narren zu hämisch, denn nicht alle wurden zu Narren. Es gab auch immer Oppositionelle, welche, die sich gegen den Mainstream stellten.

Sehr schönes Werk. LG von Koko
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Alt 02.05.2017, 20:04   #7
Erich Kykal
TENEBRAE
 
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Hi Koko!

Narren jene, die sich gegen die Zeit stemmen ..

Was denn, du kennst "lauten" nicht? "Mein Name lautet ...", "der Text lautet ...". usw...
Hier haben wir allerdings den Konjunktiv.

Ich weiß gar nicht mehr, wieviele Ruinengedichte ich schon geschrieben habe in den letzten 12 Jahren!

Vielen Dank für das freundliche Feedback!

LG, eKy
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Alt 02.05.2017, 20:39   #8
Kokochanel
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och Erich, natürlich kenne ich lauten. Ich kenne sogar verlauten lassen GGG
Aber in diesem Sinnzusammenhang, in den du es stellst:
"Niemand noch vermag zu deuten,
was es laute dort am Sparren."
gerade auch noch mit dem es, da geht es mir wie Chavi.Das ist hier nicht gebräuchlich und würde für mich nur Sinn machen als "künde", was es verkündet dort am Sparren. Auch als Konjunktiv. Es paar eben nicht.

Narren, die sich gegen die Zeit stemmen. Aber wer tut das denn? Die meisten Menschen akzeptieren doch die Endlichkeit des Lebens.
Sich gegen die Zeit stemmen im Sinne von opponieren gegen den gesellschaftlichen oder politischen Zeitgeist, die sind eben für mich KEINE Narren. Eher schon die, die ihm blind und ohne nachzufragen folgen, siehe Nazis, siehe Djihadisten, siehe Katholiken...
Nee, irgendwie ist mir das nicht rund mit deinen Narren.
Lächeln von Koko
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Alt 02.05.2017, 23:05   #9
Erich Kykal
TENEBRAE
 
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Hi Koko!

In diesem Falle bedeutet es: Wer versucht, sich zu "verewigen", ist ein Narr, denn die Zeit wittert alles fort. "Kulturschaffende", Künstler, Dichter, Maler, Bildhauer, Forscher, Feldherren, Politiker, Diktatoren - viele glauben vielleicht Werke "für die Ewigkeit" (schon der Ausdruck zeugt von Dummheit und/oder Arroganz) zu schaffen: aber wie kurz ist diese, bemessen an erdgeschichtlichen Abläufen! Wie kurz allein schon im flatterhaften Gedächtnis der Menschen - das meiste verschwindet mit der jeweiligen Kultur, mit und in der es erschaffen wurde. Selbst die Pyramiden werden irgendwann zu Sand ...

Das verwitterte alte Schnitzwerk ist ein schönes Beispiel für die Vergänglichkeit aller Dinge.

Das "künde" klingt mir zu gespitzt, zu aufgedonnert - da ist ja kein Herold, der etwas verkündet! Mir erscheint das "laute" bescheidener, natürlicher - das passt viel besser zu der kleinen Schnitzerei am Balken.

LG, eKy
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Geändert von Erich Kykal (30.06.2018 um 21:00 Uhr)
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