23.05.2009, 12:52 | #1 |
Galapapa
|
Einsam
Langsam sinkt der leere Tag ins fahle Dämmern.
Ob er wert es war, zu leben, weiß sie nicht, sieht am Horizont das letzte rosa Licht, tief im Kopf beginnt die Einsamkeit zu hämmern. Sie versteckt in einem Krug ihr altes Lächeln, in der emaillierten Tasse dampft der Tee, wieder tut der Blick in alte Zeiten weh, die Erinnerung beginnt dabei zu schwächeln. Hoffnungsvoll blickt sie in ihren stumpfen Spiegel, doch der zeichnet grau die hohle Gegenwart, die ihr aus dem trüben Jetzt entgegenstarrt, Zuversicht verschlossen mit dem Schicksalssiegel. Mühevoll trägt sie ihr Dasein aus dem Zimmer in die Kammer mit den Kissen ohne Schlaf, wo das Elend meistens mit der Angst sich traf, oft bis in des neuen Tages Morgenschimmer. Die Gedanken füttern des Alleinseins Qualen hoffnungslos mit einer bittren Traurigkeit, die Verzweiflung aus der müden Seele schreit, wenn die Tage langsam schon das Ende malen. Geändert von Galapapa (24.05.2009 um 19:32 Uhr) |
23.05.2009, 12:58 | #2 |
gesperrte Senorissima
Registriert seit: 07.02.2009
Ort: Pfalz
Beiträge: 4.134
|
Lieber Galapapa,
das ist für mich wahre Lyrik, Kunst. Wer das so beschreiben kann, ist ein Dichter. Wer sich so in Andre hineinfühlen kann, ist wirklicher Empath. Das durchgehaltene Reimschema hat großen Eindruck auf mich gemacht. Welch eine Gunst, mich Solches lesen zu lassen! Lieben Gruß von cyparis |
23.05.2009, 13:16 | #3 |
Galapapa
|
Hallo cyparis,
Donnerwetter, was für ein tolles Lob! Hab herzlichen Dank dafür!! Ich widme es einer alten Freundin (87!), die einst meinen Kindern oft selbstlos Großmutter war und heute, ausgestattet mit einer ganzen Schar von Kindern, Enkeln und Urenkeln, mir in Tränen ihre Einsamkeit klagt. Eine der "Errungenschaften" unseres modernen Lebens... Nochmals lieben Dank und herzlichen Gruß! Galapapa Geändert von Galapapa (23.05.2009 um 13:17 Uhr) |
23.05.2009, 13:22 | #4 |
gesperrte Senorissima
Registriert seit: 07.02.2009
Ort: Pfalz
Beiträge: 4.134
|
Lieber Galapapa,
meine Mutter wird in wenigen Tagen 92 Jahre alt, ist gerne allein und fühlt sich dennoch nicht einsam. Sie müßte man also entgegengesetzt bedichten. Wie traurig, daß Einsamkeit so quälen kann und wie tröstlich, daß sie von Dir so gut bedichtet wurde! Lieben Gruß von cyparis |
23.05.2009, 19:26 | #5 |
Galapapa
|
Hallo cyparis,
wir Menschen sind eben sehr unterschiedlich. Verständlicher wird die Sache, wenn ich Dir dazu beschreibe, daß die Frau, an die ich gedacht hatte, vor Lebenslust zu sprudeln pflegte und immer mit offenen Armen auf alle Leute zugegangen ist. Ich hab selten eine solche Offenheit gegenüber den Mitmenschen erlebt. Diese Seele braucht den Umtrieb und das Miteinander. Ich selber bin wie Deine Mutter gestrickt und kann diese deshalb auch sehr gut verstehen. Grüß sie lieb von mir, unbekannterweise. Einen herzlichen Gruß auch an Dich! Galapapa |
23.05.2009, 19:43 | #6 |
Gesperrt
Registriert seit: 08.02.2009
Ort: Berlin
Beiträge: 2.213
|
Hallo Galapapa,
wunderschön, gekonnt und liebevoll im umarmenden Reim beschreibst diese alte Frau, die Dir nahe steht. Als noch besser empfände ich dieses Thema im Sonett. Das bietet sich förmlich an! Thematisch als These/Antithese/Synthese. Was würd ich darum geben, solch schöne Themen zu finden! Ein großartiges und stimmungsvolles Gedicht ohne viel Pathos! Herzliche Grüße, Medusa. |
23.05.2009, 20:34 | #7 |
Galapapa
|
Hallo Medusa,
ganz lieben Dank für Dein schönes Lob. Leider bin ich völliger Laie (auch Anfänger), was Gedichte angeht. Ich weiß also gar nicht, was genau ein Sonnett ist (rotwerd). Wenn ich einen Text mache, lege ich die Reimform meist nach den ersten zwei Zeilen fest und versuche, den Rhythmus dabei auch durchzuhalten. Wenn ich soviel Zeit wie Lust hätte, mich mit der Wissenschaft Lyrik zu befassen, wäre das anders. Aber: kommt Zeit, kommt Wissen... Danke und einen herzlichen Gruß! Galapapa |
23.05.2009, 20:49 | #8 |
Slawische Seele
Registriert seit: 07.02.2009
Ort: Inselstadt Ratzeburg
Beiträge: 5.637
|
Lieber Galapapa,
das Gute (und Schöne) an dem Gedicht ist, dass es nicht anklagt, keinen Finger erhebt, sondern einzig den Umstand und seine Traurigkeit verdichtet. Ich glaube so geht es vielen Müttern. Jenen, die sich selbst immer in den Hintergrund stellten, die nur für ihre Familie gelebt haben. Fast möchte ich sagen, ist das der Preis dafür. Ich sage es ebenfalls ohne Fingerzeig und ohne das "Selbst-schuld". Sie waren/sind so. Hatten/haben keine Zeit, etwas für sich zu entdecken und sich von Anbeginn ein Recht dafür zu nehmen. Manchmal wird ihnen dieses Recht untersagt, das soll es auch noch geben. Auf jeden Fall hat mich deine Verdichtung sehr berührt und nachdenklich gestimmt. (Danke dafür) Liebe Grüße Dana
__________________
Ich kann meine Träume nicht fristlos entlassen,
ich schulde ihnen noch mein Leben. (Frederike Frei) |
23.05.2009, 22:36 | #9 |
Galapapa
|
Hallo Dana,
jetzt habe ich Dir gerade eine lange Antwort geschrieben, dann bin ich aus dem Netz geflogen und alles war hin! Also nochmal: Ganz lieben Dank für Deinen Kommentar! Diese Vereinsamung der alten Menschen ist heute häufig die Folge unseres modernen Lebens. Durch Technik und Luxus ist keiner mehr auf den Anderen angewiesen, geht irgendwann seine eigenen Wege und sucht sein eigenes Glück. Vereinsamung ist der Tribut der großen Freiheit. Dieser "moderne Egoismus" ist in viele Lebensbereiche hineindiffundiert, so daß ich heute nicht selten ob der Verhaltensweisen einiger Zeitgenossen nahe dran bin, mich zu übergeben. Früher war es eine Sebstverständlichkeit, daß die Familien über die Generationen zusammenblieben. Jeder war in gewisser Weise auf die Verwandten angewiesen, jeder hatte seine Aufgaben, so auch die Alten, die in einer solchen Gemeinschaft wohl behütet und aufgehoben waren. Und heute: Bist du alt, bist du übrig, und im Altersheim geht das ganze Erbe flöten; also: Bist du alt, dann stirb gefälligst! In der Politik treten diese Einstellungen teilweise heute schon offen zutage. Ob Renten oder Gesundheitswesen, alles deutet darauf hin, daß alt werden heute nicht mehr wünschenswert erscheint. Es gibt dafür sogar schon einen Namen: "Sozial verträgliches Frühableben". Eine düstere Zukunft, die uns alle irgendwann einholen wird.... Laß Dich herzlich grüßen! Galapapa |
24.05.2009, 09:58 | #10 |
Gast
Beiträge: n/a
|
Lieber galapapa
ja, ganz wunderbar beschrieben, diese Einsamkeit, die einen hoffentlich selbst nicht im Alter befällt. Das ganze Gedicht ließt sich mit einer solchen Selbstverständlichkeit, wie es scheinbar das Schicksal viler Menschen widerzuspiegeln scheint. Ein klein wenig hadere ich mit den welken Schalen...aber dies ist nur so ein gefühl. Hatte versucht hier etwas mit Qual-Mal, Saal etc. zu finden, war aber nicht das Gelbe von Ei. Wird wohl richtig sein Lieben Gruß reinhard |
Lesezeichen |
Aktive Benutzer in diesem Thema: 1 (Registrierte Benutzer: 0, Gäste: 1) | |
|
|