24.05.2009, 16:08 | #1 |
Kiwifrüchtchen
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Heimlich
Ganz zaghaft regt es sich in den geheimen Ritzen
der Mauer, die aus Alltagsfelsgestein errichtet. Fragile Fühler tasten, suchen ängstlich den Fluchtweg in ein vages Schattendasein. Sie scheuen helles Licht und allzu forsche Augen, sind nur Fragmente, namenlose Silhouetten. Im trüben Schein des fahlen Sichelmondes entfalten Nachtgeschöpfe ihre Flügel. Ein erstes schlüpft aus der vertrauten Puppenhülle, Gemeinsamkeit macht ihnen Mut und sie entfliehen im Schutz der Nacht zu unbekannten Sphären - der Tod spannt morgenrote Auffangnetze. Geändert von Lailany (29.10.2014 um 13:01 Uhr) |
29.05.2014, 17:37 | #2 |
ADäquat
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Liebe Lai,
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30.05.2014, 08:27 | #3 |
Kiwifrüchtchen
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Liebe Chavi,
ganz einfach: noch unverwirklichte Träume. Zukunfts-, Wunschträume, um genau zu sein. Als ich NZL verließ und wegen einer Beziehung nach Mannheim ging, hatte ich schon nach kurzer Zeit schreckliches Heimweh, welches in seiner wachsenden Intensität alle anderen Gefühle erstickte. Die Bekanntgabe meines Entschlusses, allein und so schnell wie möglich heimzukehren, löste heftige Reaktionen aus. So musste ich sämtliche Gedanken daran für mich behalten, um das Boot nicht zu sehr zum Schaukeln, oder uU sogar zum Kentern zu bringen. Bis ich die Mittel zur Verwirklichung beisammen hatte, durften meine Träume nur in den vielen schlaflosen Nächten ungestört und ungehindert ausschlüpfen und vorausfliegen. (Und geflogen sind sie... in Schwärmen. Und ich hinterher, ein paar Monate später. ) Die Nachzügler waren im Morgengrauen des Alltages zum Sterben verurteilt. Ganz herzlichen Dank, dass du es hervorgezogen und abgestaubt hast. Ich hoffe, Du hast keine Stauballergie. Ein geruhsames WE und liebe Grüße von Lai mit jeder Faser meines Seins dem Siberfarn ergeben.
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.................................................. ........................................... "Manchmal ist es so demütigend, ein Mensch sein zu müssen..." Erich Kykal Geändert von Lailany (30.05.2014 um 08:36 Uhr) |
14.06.2014, 08:02 | #4 |
Erfahrener Eiland-Dichter
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Hallo Lailany,
kann es sein, dass in deinem Gedicht jemand versucht, aus seinem normalen Alltag auszubrechen, um in eine Traumwelt zu flüchten? Es wird ja nur angedeutet und es ist mehr ein scheues, schüchternes Vortasten in eine mögliche, neue Realität zu erkennen, ohne konkrete Ergebnisse. Es erinnert stark an die Metarmorphose eines Schmetterlings, der ein Schattendasein in seiner "vertrauten Puppenhülle" führt und davon träumt, seine Flügel zu entfalten, um neue und unbekannte "Sphären" zu erforschen. Dein Gedicht besitzt etwas Magisches, Fantasievolles und regt zum Nachdenken an. Die ungereimten Zeilen haben mir gut gefallen. Herzliche Inselgrüße Narvik
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Nur der fröhliche Mensch allein ist fähig, Wohlgefallen am Guten zu finden. (Kant) |
17.06.2014, 06:59 | #5 |
Kiwifrüchtchen
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Hallo Narvik,
Du hast richtig interpretiert, auch die Schmetterlinge. Der Vergleich Nachtfalter für die Nachtgedanken hat sich mir damals immer wieder aufgedrängt und erschien mir beim Verworten als der passendste. Und obwohl ich an und für sich ein Reimfreak bin, das Dings hat sich während des Schreibens irgendwie selbständig gemacht. Da ich es aber trotzdem ganz passabel fand, ists eben reimlos geblieben. Herzlichen Dank für Deinen Besuch und LG von Lai
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.................................................. ........................................... "Manchmal ist es so demütigend, ein Mensch sein zu müssen..." Erich Kykal Geändert von Lailany (17.06.2014 um 07:02 Uhr) |
20.10.2014, 15:49 | #6 |
Lyrische Emotion
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Kia ora Lailany,
also für Leute, die Albträume haben, ist der Morgen ja dann wohl der Retter in der Not, der seine Netze aufspannt, um die Monster wieder einzufangen. (Das wäre die andere Sicht der Dinge. ) Dein Text ist sicherlich ziemlich weit interpretierbar, aber nachdem ich die Antworten hier las, weiß ich natürlich, worum es in den Zeilen geht. Ich finde, du hast die passenden Bilder dafür gefunden. In der ersten Strophe finden wir den Alltag, der gemeistert werden muss, aber dennoch sind diese Träume stets im Verborgenen vorhanden und sind für Denken und Handeln mitverantwortlich. In Strophe zwei folgt dann mehr eine Zustandsbeschreibung, welche die Eigenschaften dieser Träume benennt. Strophe drei schließlich zeigt, dass ein Mensch, der an seine Träume glaubt, diese nur selbst umsetzen kann. Dazu gehört auch manchmal eine Flucht in einer Nacht- und Nebelaktion. Was bleibt ist in diesem Fall der Tod einer bestimmten Lebenssituation. Das könnte sich theoretisch natürlich auch wieder umkehren, denn auch der "verstorbenen" Lebenssituation gingen Wunschträume vorher. Ein theoretisches Spiel ohne Ende, wenn auch wahrscheinlich nicht in diesem speziellen Fall. Die Zeilen lesen sich sehr gut und die fehlenden Reime fallen kaum auf. Allerdings stört meinen Lesefluss S2/Z4, da diese Zeile eine Hebung zuviel hat. Nach den ersten beiden längeren Zeilen zwei kürzere folgen zu lassen, finde ich gelungen, aber dort bin ich sofort in der zweiten Strophe wieder aus dem Rhythmus gestolpert. Ich weiß, der Text ist alt, aber er wäre es wert, noch einmal darüber nachzudenken, oder? Gern gelesen und kommentiert... Liebe Grüße Bis bald Falderwald
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21.10.2014, 23:03 | #7 |
Slawische Seele
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Liebe Lailany,
zuerst gestehe ich, dass erst deine Antwort an Chavali mir die Tore zur großen Lyrik geöffnet hat. Verstehe es als Kompliment. Trotz dessen, dass du ein persönliches Gefühl erklärt hast, lässt sich dieses Werk sehr weit übertragen. Es ist kein "Ich-Gedicht", darum fand man sich selbst nicht sofort darin. Ein jeder hat Träume und ein jeder ganz eigene. Schaut man sich die eigenen Träume an, findet man sich selbst darin und verliebt sich in dein Gedicht. Großartige Metaphern, tiefe Gefühle und klangsprachlich sehr schön umgesetzt. Wie Black Raziel schon sagt: Ein ganz junger Klassiker. Liebe Grüße Dana
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Ich kann meine Träume nicht fristlos entlassen,
ich schulde ihnen noch mein Leben. (Frederike Frei) |
29.10.2014, 14:18 | #8 |
Kiwifrüchtchen
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Lieber Faldi,
hab ichs doch glatt übersehen, dass Du diesen alten Text nochmals hervorgekramt und kommentiert hast. Erst Raziels Verlinkung hat mich hierhergeführt, um zu gucken, ob ich noch immer damit zufrieden bin, denn ich kratz gern immer wieder mal an meinen alten Fetzen rum. Und Du gabst mir sofort einen guten Grund, es zu tun. Die Silbenanzahl ist nun angeglichen, aus 'transparenten Flügel' sind 'Flügel' geworden. Kein großer Verlust, im Text sind eh eine Menge Adjektive drinnen. Danke fürs Aufzeigen, dieser Silbenpatzer ist mir nie aufgefallen. Lieber Black Raziel, woah... ein Klassiker. Solch hohe Erwartungen hab ich gar nicht. Mir genügts, wenn mein Text gefällt, und wenn ich damit im Leser etwas berühre, dann ist mir das genug Lohn. 100 Jahre bis zum Klassiker! Kein Wunder, dass viele wirklich großen Künstler zeitlebens am Hungertuch nagten und arm wie Kirchenmäuse gestorben sind. Ziemlich traurig, wenn man darüber nachsinnt. Liebe Dana, das freut mich, wenn der Text mehr als eine Interpretationsmöglichkeit bietet. Und umso mehr, weil es einer ist, der in einer Weltuntergangsstimmung zustande kam. Lese ich ihn nach all den Jahren, kann ich noch immer die Beklemmung fühlen, in der ich ihn geschrieben hab. Schreiben ist oft das beste Ventil, Stimmungen zu kanalisieren und rauszulassen. Sie in Worte gefasst zu sehen, ist eine gute Basis für den Verarbeitungsprozess. Ganz herzlichen Dank an Euch alle für Euren Besuch und Eure Gedanken zu meinem Text. LG von Lai
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