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Beschreibungen von Personen, Dingen, Zuständen, Stimmungen, Gefühlen, Situationen |
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16.03.2018, 23:58 | #1 |
Erfahrener Eiland-Dichter
Registriert seit: 21.03.2017
Ort: Ostsachsen
Beiträge: 302
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Abschied vom Dornbusch
Wie das tosende Rauschen des Bergbachs,
so ergießt sich Flut in Flut, intervallierendes Bersten der hellweiß glitzernden Wogenkämme. Schwarzes Dunkel, lässt die Trennung kaum mehr erahnen, von Wind und Wasser, von Himmel und Erde, langsames Dahinschweben der Vergänglichkeit. Wie grellfarbene Blüten im Wind, auf weiter schwarzer Wiese, Sie positionieren das Nichts, blinkend und heulend – auftauchend und versinkend. Tore beginnen sich zu weiten, die goldsilbrige Sichel wird frei, scharf schneidender Strahl – breit wogender Teppich aus Licht. Jemand nimmt Deine Hand, und Du … wirst ihm folgen, noch unsicher, wie auf den Planken eines schwankenden Kahns. Adressaten ungeschriebener Briefe … bleiben zurück. |
20.03.2018, 17:17 | #2 |
ADäquat
Registriert seit: 07.02.2009
Ort: Mitteldeutschland
Beiträge: 13.004
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Wo oder was ist Dornbusch, lieber mall?
__________________
. © auf alle meine Texte
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20.03.2018, 17:25 | #3 |
Gast
Beiträge: n/a
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Ein Gedicht, das sich der Eineindeutigkeit entzieht, so dass sich kein simples Verständnis auf den Text abbilden lässt.
Auffällig ist der Kontrast von Hell und Dunkel. Den weißen Schaumkronen der Bergbachwellen in Strophe 1 steht der Pleonasmus der schwarzen Dunkelheit in Strophe 2 gegenüber. In Strophe 3 prallen dann Hell und Dunkel aufeinander, wobei sich diese Strophe inhaltlich eher auf die erste Strophe zurückzubeziehen scheint (vielleicht auch ursprünglich direkt auf die erste Strophe gefolgt ist?). In Strophe 1 bis 3 haben wir es inhaltlich noch vor allem mit der (Natur-)Beschreibung der glitzernden, wogenden Wellen bei langsam hereinbrechender Nacht zu tun, vorsichtig wird aber bereits der Verweis auf die Endlichkeit unserer Existenz eingewoben: "Vergänglichkeit", "positionieren das Nichts", "versinkend". Ab Strophe 4 werden die Sterbe-Motive dichter. Tore öffnen sich. Eine Sichel erscheint (vordergründig die Mondsichel, aber doch auch Verweis auf die Sichel des "Schnitters Tod"). Das einladende, aus Jenseitsvisionen (H. Bosch: "Aufstieg der Seligen") bekannte Licht ("wogender Teppich aus Licht") erstrahlt. Schließlich klingt das "Hol über-Motiv" des Fährmanns an. Ein Gedicht über das Sterben. Was aber hat es mit den ungeschriebenen Briefen auf sich? Sind es (nicht verfasste) Abschiedsbriefe eines Suizidanten? Eher wohl ist es die Aufforderung, dass wir uns angesichts unserer begrenzten Zeit, den Menschen ("Adressaten"), die uns wichtig sind, mitteilen sollen: "Kommt, reden wir zusammen, wer redet ist nicht tot". Zuletzt die Frage nach dem Dornenbusch: Wenn, was wahrscheinlich erscheint, der brennende Dornbusch zumindest mitgemeint ist, so klingt im Abschied womöglich die Absage an den an, der sich in diesem Phänomen offenbart hat, JHWH, der HERR des alten Testaments. Ist Gott tot? Gerne gelesen. |
20.03.2018, 21:49 | #4 |
Marsmond
Registriert seit: 20.05.2009
Ort: im Weltall
Beiträge: 499
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Dornenbusch?
Ist das nicht der aus der Bibel, der brennende, mallarme? Interessanter Text, der zum Nachdenken anregt. Aber irgendwie wirkt er nicht fertig, vielleicht weil er nicht eindeutig ist. Gruß Deimos
__________________
„Seine Zeit als welthistorisches Volk liegt hinter ihm.“
Zitat aus Finish Germania von Rolf Peter Sieferle über die Deutschen |
21.03.2018, 00:09 | #5 |
Erfahrener Eiland-Dichter
Registriert seit: 21.03.2017
Ort: Ostsachsen
Beiträge: 302
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Liebe Chavali, lieber Sufnus, lieber Deimos,
ganz lieben Dank für Euer Interesse und ich will gern auf die eine und andere Sache eingehen. Für Euch stand irgenwie die Frage nach dem Dornbusch und ich kann gleich sagen, es stand hier kein biblischer Bezug im Hintergrund. Der Dornbusch ist in diesem Fall, zumindest aus meiner Sicht, der interessantest Teil der Insel Hiddensee, der hüglige Teil im Norden. Dort gibt es so schöne Sichten, vor allem in der Jahreszeit wo die Insel wenig frequentiert ist, der November. So schöne Naturschauspiele kann man sonst nur selten ungestört erleben. Und vielleicht hast Du recht Deimos, vielleicht ist es nicht ganz fertig, das etwas offen bleibt ist nicht ganz ungewollt, "die Adressaten der ungeschrieben Briefe" sie können keinen Abschied nehmen, müssen es auch nicht, von den Schönheiten der Insel, die eben nur vergänglich sind für einen der nur eine Stippvisite machen kann. Die "Adressaten" können aber auch nicht teilhaben an diesem wunderbaren und doch so schmerzlichen Moment des Abschieds. Es ist das Dahinschweben eines Abschiednehmenden, der sich dem großen Naturschauspiel entziehn muss lieber Sufnus und insofern war mir der Gedanke mit dem Schnitter tatsächlich gekommen und das Wort stand auch schon auf dem Block, hab es aber dann doch gestrichen, ob der zu großen Dramatik die dann vielleicht auch wieder nicht angemessen gewesen wäre. Das war der Versuch einer kurzen Erklärung der Zeilen die Euch bewegt haben. Ich danke Euch sehr fürs Lesen und freue mich wenn wir weiter im Gespräch bleiben. Beste Grüße mall |
21.03.2018, 14:26 | #6 |
Gast
Beiträge: n/a
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Dass unsere Interpretationen Deines Gedichtes doch einigermaßen auseinanderklaffen (wenn auch mit Überschneidungen) ist famos, lieber Mall! (nicht ironisch gemeint!).
Ist ein schönes Beispiel für die immer wieder ergebnisoffen führbare Diskussion, wer bei einem Gedicht interpretationstechnisch eigentlich "das Sagen" hat. Ich bin ja ein starker Befürworter großer interpretatorischer Freiheit, bei der dem Autor keine besonders herausgehobene "Expertenrolle" für sein eigenes Werk zugebilligt wird - damit meine ich jedoch nicht, dass jeder alles auslegen kann, wies grad beliebt... eine subjektive Annäherung an ein Gedicht sollte schon "mitteilbar" sein, also anderen verständlich gemacht werden können. Wenn z.B. jemand Goethes Heideröslein für ein freundliches Gedicht über die Kunst des Flirtens hält und ein anderer darin die zynische Darstellung einer Vergewaltigung erkennt, sind das beides begründbare und diskutable Standpunkte. Aus dem Heideröslein aber meinethalben einen Kommentar zur Machbarkeit einer bemannten Marsmission abzuleiten, würde den Bereich zulässiger interpretatorischer Freiheiten wohl doch verlassen... Zurück zu Deinem Gedicht: Ich würde für mich bei dem Standpunkt bleiben, hier ein als Naturgedicht getarntes Memento-mori herauslesen - aber das meint natürlich keinesfalls, dass ich damit etwa sagte: "hier irrte der Autor... !" |
21.03.2018, 18:52 | #7 |
Marsmond
Registriert seit: 20.05.2009
Ort: im Weltall
Beiträge: 499
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Hallo mall,
danke für die Aufklärung zu deinem Text. Hier haben wir ja die Möglichkeit, den Dichter zu fragen und es ist oft sehr interessant, seine Intention zu erfahren. So macht der Text Sinn und er bleibt Interpretationssache, was auch in Ordnung ist Gruß Deimos
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„Seine Zeit als welthistorisches Volk liegt hinter ihm.“
Zitat aus Finish Germania von Rolf Peter Sieferle über die Deutschen |
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