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Alt 20.01.2019, 11:24   #1
Erich Kykal
TENEBRAE
 
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Standard Es irrt der Mensch, solang er strebt ...

Wer wüsste nicht von Grausamkeit zu künden,
die irgendwann ihm jemand angetan?
Wer tat nicht anderen in seinem Wahn
ein Gleiches an für subjektive Sünden?

Wer wollte nicht sich mit der Zeit verbünden
und ungeschehen machen, was er tat,
und wer aus Reue sich sein Glück verbat,
nicht endlich tröstlich in Vergebung münden?

Wir gehen fehl und taumeln in die Irre,
solang wir uns in dieser Welt errichten.
In allem wahr erscheint uns nur das Wirre,

und allzu weh tun manchmal unserm Lichten
getroffner Wahlen würgende Geschirre,
darin wir reifen - oder uns vernichten.
__________________
Weis heiter zieht diese Elend Erle Ute - aber Liebe allein lässt sie wachsen.
Wer Gebete spricht, glaubt an Götter - wer aber Gedichte schreibt, glaubt an Menschen!
Ein HAIKU ist ein Medium für alle, die mit langen Sätzen überfordert sind.
Dummheit und Demut befreunden sich selten.

Die Verbrennung von Vordenkern findet auf dem Gescheiterhaufen statt.
Hybris ist ein Symptom der eigenen Begrenztheit.
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Alt 20.01.2019, 17:07   #2
Thomas
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Lieber Erich,

mir fällt auf, dass "Der Herr" im Faust das "Es irrt der Mensch, solang er strebt" positiver sieht, als es mir dein Sonett auszudrücken scheint, denn er vertraut darauf: "Ein guter Mensch, in seinem dunklen Drange, / Ist sich des rechten Weges wohl bewußt."

Aber es ist durchaus ok bezüglich des Menschen nicht ganz so optimistisch zu sein wie Gott.

Liebe Grüße
Thomas
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© Ralf Schauerhammer

Alles, was der Dichter uns geben kann, ist seine Individualität. Diese seine Individualität so sehr als möglich zu veredeln, ist sein erstes und wichtigstes Geschäft. Friedrich Schiller
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Alt 20.01.2019, 23:12   #3
Erich Kykal
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Hi Thomas!

Tja, bei mir musst du den "Herrn" eben weglassen - ich glaube nicht an ihn. Ja, ich würde nicht einmal an ihn glauben, wenn er mir seine Existenz bewiese - wenn auch auf eine andere Weise.

Im Faust II singen am Ende bei Faustens Himmelfahrt ja die Engel sozusagen den 2. Teil des Satzes:

"Es irrt der Mensch, solang er strebt - jedoch wer ewig strebt, den können wir erlösen!"
Soll heißen, dass es auf das nimmermüde Bemühen ankommt, nicht auf dessen Ergebnisse.

Mein Gedicht beschreibt es nicht anders, nur vielleicht ein wenig aufgeräumter - und es schließt jene mit ein, die auf diesem weg des Bemühens nie eine Chance bekamen, weil der "Herr" sie zu früh aus dem Leben warf: Die, welche keine Gelegenheit bekamen, zu wachsen und zu reifen, weil sie von anderen in diesem Hexenkessel der Charakterschmiede vernichtet wurden! Wie "gerecht"!

Nein, ich kann Religionskonzepte einfach nicht ernst nehmen - sie sind in so vielerlei Hinsicht dermaßen abstrus unlogisch oder gehen von falschen, teils grausamen Prämissen aus (wie man sich halt das vor ein paar tausend Jahen so vorstellte, als das Universum, wenn auch gänzlich unerklärlich, so doch extrem überschaubar - und ein Menschleben kaum etwas wert war ...), dass sie sich in all ihrer Überkommenheit für mich von selbst disqualifizieren.

Und dieser so offensichtliche Rettungsversuch der Neuzeit, dass man das heilige Buch eben "im übertragenen Sinne" verstehen und deuten müsse - da kann ich nur sagen: Piffkäs!
Nein, die Leutchen, die das damals schrieben, haben das durchaus genau so gemeint, mit all den Grausamkeiten, Ungerechtigkeiten (die für sie aus ihrer derben und sippenhaftenden Weltsicht keine waren) und all dem mittlerweile naturwissenschaftlich widerlegten Blödsinn, den sie sich zurechgelegt hatten und an den sie eben glauben wollten, um der Welt nicht so hilflos ausgeliefert zu sein.

Bezeichnend für die Dämlichkeit der Menschheit ist, dass selbst heute, wo all das Wissen zur Verfügung steht, dennoch so viele lieber das Hirn abschalten und von der Rache des Herrn salbadern, als sich Wissen anzueignen und die richtigen Schlüsse daraus zu ziehen, auch wenn ihnen die Vorstellung Angst macht, dass nach dem Tode nichts mehr kommt, dass es keinen "höheren Sinn" gibt und kein gütiges allmächtiges Wesen sie in lebenslänglicher Unmündigkeit gängelt und "behütet"!


Nein, wenn es ihn gäbe, Gott wäre kein Optimist - er wäre ein Kind mit einem Ameisenhaufen.

LG, eKy
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Alt 21.01.2019, 08:44   #4
Thomas
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Lieber Erich,

da Goethe das, was er da seinen Figuren in den Mund legt, an den Anfang und ans Ende des Dramas stellt, war es ihm wohl wichtig.

Und ganz tragisch lässt er es nicht ausgehen. Er hält sich zwischen der Höllenverdammnis des Mittelalters und der nihilistischen Hölle der Moderne in einer himmlischen Schwebe, was mir persönlich gefällt.

Du hast Recht, es ist schmerzhaft, wenn die Götter jemanden früh heimholen, weil sie ihn lieben, wie man sagt. Diesen Aspekt habe ich in deinem Gedicht nicht herausgelesen.

Liebe Grüße
Thomas
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Alt 21.01.2019, 19:54   #5
Erich Kykal
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Hi Thomas!

Diesbezüglich gab es auch nix herauszulesen, im Gedicht geht es um das Leben, unser Zusammenleben, die Welt an sich, und um unsere Fehler darin, die Reue, das Reifen oder Versagen. Das geht alles ohne Götter!

LG, eKy
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