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Finstere Nacht Trauer und Düsteres

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Alt 05.06.2009, 02:23   #1
Seeräuber-Jenny
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Beiträge: n/a
Standard Der junge Mann und das Mädchen

Sie trafen sich auf einem Fest
und riefen "Hoch die Tassen!"
Sie tanzten ausgelassen.
Ein Glas Absinth gab ihr den Rest.

Er war ein hübscher junger Mann
mit schmalen blassen Händen.
Sie wollte sich verschwenden
und nahm ihn mit sich irgendwann.

Sie wachte auf in seinem Arm,
und küsste seine Lider,
dann liebten sie sich wieder.
Sein Körper war so weich und warm.

Er hatte Witz, er hatte Geist,
doch keinen Cent auf Tasche,
griff manchmal auch zur Flasche,
doch sie verzieh es ihm zumeist.

Sie ging zur Arbeit früh um fünf,
er schlief noch wie ein Engel.
Abends ward er zum Bengel.
Stumm stopfte sie ihm seine Strümpf.

Die Liebe, sie macht dumm und blind.
Sie stellte keine Fragen,
wollt alle Last ertragen.
Dann hieß es, sie bekäm ein Kind.

Da machte er sich flink hinweg
und kehrte niemals wieder.
Nachts sang sie Wiegenlieder
und kam sich vor wie ein Stück Dreck.

Der junge Mann ist beim Papa
dann flugs zu Kreuz gekrochen,
und schon nach ein paar Wochen
war eine Braut mit Mitgift da.

Er feierte sein Hochzeitsfest
mit Pauken und Trompeten.
Er kam nicht mehr zum Beten,
sechs Schüsse gaben ihm den Rest.

Nun wiegt sie sacht ihr kleines Kind
in einer dunklen Zelle.
Ein Lied, vergnügt und helle,
trägt in die Nacht hinaus der Wind.

Geändert von Seeräuber-Jenny (06.06.2009 um 19:54 Uhr)
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Alt 05.06.2009, 03:45   #2
Leier
gesperrte Senorissima
 
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Ort: Pfalz
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Standard

Jenny!


Verzeih, daß ich dies als eine Mixtur aus Jenny, Brecht und Tucholsky bezeichne! Das steht mir nicht zu, aber bei der ersten Lektüre drängte sich mir das auf - obwohl es im Grunde ein "echter" Jenny ist. Astrein.

"nie einen Penny in der Tasche" gefiele mir besser
(weil ich '"auf Tasche" persönlich nicht einordnen kann, ich kenne nur "auf Naht" für völlig abgebrannt).


(küßte sie als süßer Bengel.../ das "benahm" klingt so brav! -
oooder "tat so, als sei er braver Bengel" / )

- hoffentlich mißverstehst Du mich nicht! -


***

Der Schluß gefällt mir ganz und gar nicht!
Aber nur des Inhalts wegen.
I h n hätte der Blitz treffen solln.
Direktemang vorm Altar, oder im Hochzeitsbett oder spätestens aufm Sch....häusl!

Dolles Stück, das!
Klasse! Echt (im Sinne von "echtes Gold", "echte Perlen").


Lieben Gruß
von
cyparis



PS,
da ich den Kommentar von RiffRaff gelesen habe:

Anfangs gab ihr Absinth den Rest (ist ja auch sehr giftig), was ich nicht als k.o.-Tropfen sehe, sondern eher, wie intendiert, als "Weichmacher". Zum Ende dann ein wirklich tödliches Gift. Suizid.
Oder hab ich was mißverstanden bei dem oben und unten genannten "den-Rest-geben".?

LG ringsum
c.

Geändert von Leier (05.06.2009 um 11:09 Uhr)
Leier ist offline   Mit Zitat antworten
Alt 05.06.2009, 10:21   #3
RiffRaff
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Hallo Seeräuberin,

hab zunächst eine inhaltliche Frage. Soll S 1 Z 4 so aufgefasst werden, dass der Schnaps das Mädchen bewusstlos macht oder nur, dass sie die letzten Hemmungen verliert? Für mich ist das nicht ganz eindeutig, da der nächste Vers mit „Sie wachte auf“ begann“.

Falls du keine K.O.Tropfen ins Spiel bringen willst, könntest du S2 und S 3 in der Reihenfolge tauschen.

Sie trafen sich auf einem Fest
und riefen "Hoch die Tassen!"
Sie tanzten ausgelassen.
Ein Glas Absinth gab ihr den Rest.

Er war ein hübscher junger Mann
mit zarten weißen Händen.
Sie wollte sich verschwenden,
ging später mit ihm dann.

Sie wachte auf in seinem Arm
und küsste seine Lider.
Drauf küsste er sie wieder.
Sein Körper war so weich und warm.

S 3 Z 3 ist ein bissel schlicht ausgefallen mit dem „sie küsst ihn, er küsst sie“. Das Problem ist dass der Kuss auf die Lider ein schönes Bild ist, aber die Reimmöglichkeiten eineingt. bieder flieder glieder lieder mieder nieder [(Seifen)]sieder wieder.
Wie wärs, S 3 mit „sein Körper war so weich und warm“ anfangen zu lassen? Vielleicht geht’s dann einfacher?


Er zog mit Charme und viel Esprit
das Geld ihr aus der Tasche,
griff öfters gern zur Flasche,
was sie ihm Nachts zumeist verzieh.

Sie ging zur Arbeit in der Früh,
er schlief noch wie ein Engel,
benahm sich wie ein Bengel,
kehrte sie heim nach Plag und Müh.
Hab keinen Vorschlag aber Früh / Müh und die Umdrehung von Plag Müh ist bemüht, die Stelle ist schwach.

Aus Liebe war sie dumm und blind
und stellte keine Fragen
wollte nur alles tragen
sich, ihn—dann kam ein Kind.
Das generalisierende „man“ gefällt mir nicht. Warum es nicht auf der persönlichen Ebene belassen?

Flink machte er sich aus dem Staub
und kehrte niemals wieder.
Nachts sang sie Wiegenlieder,
verdorrte wie das welke Laub.
„verdorrte wie im Herbst das Laub“?

Der junge Mann ist beim Papa
dann flugs zu Kreuz gekrochen,
So war nach ein zwei Wochen
dann eine Braut mit Mitgift da.

Er feierte sein Hochzeitsfest
mit Pauken und Trompeten.
Sie konnte schnell noch beten,
dann gab das Gift ihr gleich den Rest.

Bei dem Text hast du dich für meinen Geschmack zu sehr am Klischee bedient. Armes braves Mädchen von einem hübschen jungen aus gutem Haus verführt, ausgenutzt, geschwängert, dann in den Selbstmord getrieben.

Vielleicht mag ich den Text auch nur nicht weil du ein Stück weit auf Brechts Spuren unterwegs warst. Mag sein, dass mich das noch zusätzlich gegen den Strich gebürstet hat.

Geändert von RiffRaff (05.06.2009 um 10:31 Uhr)
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Alt 05.06.2009, 14:14   #4
Kajn Kokosknusper
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Krek-krek,

jaja, dass mit dem Brecht macht ja schon der Nick
Ich mag Brecht, wenn auch nicht alles.

Was mir auch auffällt: In den Interpretationen liegt ein Missverständnis vor.
Zitat:
Der junge Mann ist beim Papa
dann flugs zu Kreuz gekrochen,
So war nach ein zwei Wochen
dann eine Braut mit Mitgift da.
Hier wird ganz klar auf eine zweite Frau verwiesen. Erst hat der Schuft die eine mit Kind sitzen lassen, dann vergiftet er die nächste, weil ihn eigentlich nur deren Geld interessiert.
Mir ist es ja tatsächlich auch durch deinen Nick passiert, dass ich den Text gesungen las. Leider weiß ich grad nicht, wie die Frau hieß, mit deren Stimme ich die "Seeräuber Jenny" assoziiere. Das ist ne Tonaufnahme aus den Zwanzigern gewesen. Egal!
Daher ist es wohl auch nur mein subjektives Empfinden, dass mir nach je 2 Strophen ein wiederkehrendes Moment fehlt. Ich empfinde ihn schon als Liedtext.
Aufgrund meiner aufgeschlossenen Haltung Brechts gegenüber gefällt mir der Text. Tatsächlich kommt ja der Sprung in der vorletzten Strophe sehr abrupt. Zuvor ist man noch sehr auf das lyr. Sie fixiert, leidet mit diesem mit, und plötzlich...nee, sowas mag ich: Es verstößt gegen Lesegewohnheiten. Daher kritisiere ich das auch nicht.


liebe Grüße
Kajn
__________________
Klio riss aus einem Traume
sich, von einem Lindenbaume:
"Wow, hast Du nen großen Stamm!
Ob ich dich besteigen kann?"


Ich würde nur an einen Gott glauben, der zu tanzen verstünde.
aus: Also sprach Zarathustra, Friedrich Nietzsche
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Alt 05.06.2009, 14:33   #5
Chavali
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Liebe Jenny,

ich kenne 'nur der Haifisch, der hat Zähne'
(Dreigroschenoper, klar)

aber dein Teil hier gefällt mir.
Es ist ja schon einges gesagt worden und so kann ich mich der Interpretation von kajn anschließen.
Natürlich hat der Bube es aufs Geld abgesehen!
Ich wäre auch nicht böse gewesen, hätte ich einen noch längeren Text lesen müssen,
denn der ging leicht von der Zunge ins Gehirn!

Fein gemacht.

Lieben Gruß,
Chavali
__________________
.
© auf alle meine Texte
Die Zeit heilt keine Wunden, man gewöhnt sich nur an den Schmerz

*
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Alt 05.06.2009, 14:33   #6
RiffRaff
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@kajn

Du hast wohl recht, da bin ich auf meiner langen LEitung gestanden. Die zweite Braut habe ich schon auch gesehen, aber es eben so interpretiert, dass die laute Hochzeit die Verlassene zum Selbstmord gebracht hat, dass sie noch ein Gebet gesprochen hat, da Selbstmord zu den Todsünden gehört und dann Exitus.

DAs PRoblem an der richtigen Deutung ist: Wie konnte die zweite Braut wissen, dass sie noch beten muss? Tut man doch gemeinhin bei einer Hochzeit nicht? ODer betet sie unter der Einwirkung des Gifts? VErmutlich das zweitere. Warum aber sie töten? Die Mitgift hat er doch schon.

Danke für den Hinweis, der nimmt ein (großes) Stück von dem Klischee weg. Dann hätten wir hier mehr den jungen Dorian Gray? Wird deswegen aus dem Verführer und Nichtsnutz dann plötzlich ein Giftmörder?

lG

Riffraff


Geändert von RiffRaff (05.06.2009 um 15:14 Uhr)
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Alt 05.06.2009, 15:17   #7
Kajn Kokosknusper
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@ Riffraff:

hm?! Wo Du das Gebet einwirfst, sehe ich diese Möglichkeit auch.

Zitat:
Flink machte er sich aus dem Staub
und kehrte niemals wieder.
Nachts sang sie Wiegenlieder,
verdorrte wie das welke Laub.
Diese Stelle öffnet mir beim Lesen jedoch einen weiten, zeitlichen Raum.

Zitat:
Sie konnte schnell noch beten,
dann gab das Gift ihr gleich den Rest.
Wohingegen das die Zeit sehr begrenzt. Naja, Zeit ist relativ. Ich glaube mich jedenfalls auch nicht mehr sicher, das muss die Autorin klären...

liebe Grüße
Kajn
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Klio riss aus einem Traume
sich, von einem Lindenbaume:
"Wow, hast Du nen großen Stamm!
Ob ich dich besteigen kann?"


Ich würde nur an einen Gott glauben, der zu tanzen verstünde.
aus: Also sprach Zarathustra, Friedrich Nietzsche
Kajn Kokosknusper ist offline   Mit Zitat antworten
Alt 05.06.2009, 15:29   #8
RiffRaff
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Hallo Kajn,

das "verdorren wie welkes Laub" habe ich poetisch genommen, also keinen tatsächlichen Zeitraum gesehen. Klar, es wäre möglich, passt aber dann nicht zum Beginn der nächsten "flink ist der junge...

Ich tendiere allerdings trotzdem dazu, dass deine Interpretation passender ist, auch wenns in der Erzählung etwas abrupt kommt. Jenny wirds ja dann erläuitern.

lG

RiffRaff

Geändert von RiffRaff (05.06.2009 um 15:31 Uhr)
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Alt 05.06.2009, 23:20   #9
Seeräuber-Jenny
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Ahoi cyparis,

du tust gut daran, das Gedicht als eine Mixtur aus Jenny, Brecht und Tucho zu betrachten. Die beiden Herren haben mich stark beeinflusst. Schließlich heiße ich ja Seeräuber-Jenny. Ich mag den Stil von Brecht und die Ironie von Tucholsky, und politisch sind wir ohnehin einer Meinung.

Zitat:
"nie einen Penny in der Tasche" gefiele mir besser
(weil ich '"auf Tasche" persönlich nicht einordnen kann, ich kenne nur "auf Naht" für völlig abgebrannt).
"Auf Tasche" ist Umgangssprache und bedeutet "in der Tasche". Letzteres ginge aufgrund des Versmaßes nicht. Auch dein Vorschlag wäre zu lang.

Zitat:
(küßte sie als süßer Bengel.../ das "benahm" klingt so brav! -
oooder "tat so, als sei er braver Bengel" / )
Nein, er ist inzwischen kein süßer Bengel mehr. Wenn sie nach genervt Hause kommt, ist er unfreundlich zu ihr.

Zitat:
Der Schluß gefällt mir ganz und gar nicht!
Aber nur des Inhalts wegen.
I h n hätte der Blitz treffen solln.
Direktemang vorm Altar, oder im Hochzeitsbett oder spätestens aufm Sch....häusl!
Recht hast du! Der Schluss war zu weinerlich. Der passte vielleicht noch zu "Mariechen saß weinend im Garten", aber nicht zu einem Mädchen von heute. Deswegen hat das Lied noch eine Strophe dazu bekommen.

Zitat:
Anfangs gab ihr Absinth den Rest (ist ja auch sehr giftig), was ich nicht als k.o.-Tropfen sehe, sondern eher, wie intendiert, als "Weichmacher". Zum Ende dann ein wirklich tödliches Gift. Suizid.
Oder hab ich was mißverstanden bei dem oben und unten genannten "den-Rest-geben".?
Aye, das hast du genau richtig verstanden.

Gold und Perlen mussten noch geschliffen werden, weil der Leser zuviel an dem Gedicht herumrätseln musste.

Ich freue mich sehr über dein Lob und danke dir für die Denkanstöße, liebste cypi!

Deine
Seeräuber-Jenny



Ahoi RiffRaff,

aye, es war so gedacht, dass sie im Vollrausch alle Hemmungen verliert. Nun werde ich es aber doch lieber romantisch beginnen lassen. Ein prima Vorschlag, S 2 und 3 zu tauschen. Habe das gesamte Gedicht stark verändert und viele Vorschläge von dir und cypi eingearbeitet. Der Schluss ist nun komplett anders geraten.

Mit S 5 Zeile 3 bin ich noch nicht zufrieden.

Danke für deine nützlichen Tipps!

Lieben Gruß
Seeräuber-Jenny



Ahoi Kajn,

nein, nein, es lag kein Missverständnis vor. Ich dachte in der Tat an einen Suizid des Mädchens, ganz in dem Sinne, wie RiffRaff es beschrieben hatte. Ist nicht leider nicht so rüber gekommen, aber jetzt ist der Schluss ja ganz anders geworden, und das ist gut so!

Der Gedanke, dass der junge Mann seine reiche Gattin vergiftet, wäre auch interessant gewesen. Doch dazu wäre so ein junger Mann wohl zu bequem und zu feige.

Lieben Gruß
Seeräuber-Jenny



Ahoi Chavali,

Freut mich sehr, dass dir das lange Gedicht gefallen hat. Jetzt ist es noch länger geworden. Viel Spaß beim Lesen!

Lieben Gruß
Seeräuber-Jenny

Geändert von Seeräuber-Jenny (06.06.2009 um 01:20 Uhr)
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Alt 06.06.2009, 09:15   #10
RiffRaff
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Hallo Jenny,

nun gefällts mir schon viel besser. Gib ihm sechs Kugeln statt fünf, die ganze Trommel, ansonsten gibts kein Gemecker mehr. Ist "auf Tasche" berlinerisch? Hat sich bis jetzt jedenfalls noch nicht nach Süden verirrt, wie ick und wenn se mir frajen.

Gruß

RiffRaff
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