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Finstere Nacht Trauer und Düsteres

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Alt 28.11.2011, 10:37   #1
wolo von thurland
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Standard hoffnung treibhausgase

sie verschwand in den wolken, als hätte sie dort was verloren
und ich wußte im stillen, ich hätt sie zurückrufen müssen,
ein verzögertes räuspern hing starr an den lippen, erfroren
auf versteinerten wangen, in schneidender kälte des abwinds,
der im ewigen eis und im schweigen der gletscher geboren.

die kondensstreifen zieren den himmel als leuchtende zeichen,
menetekel an endlosen wänden verblichener zukunft.
bis zum ende des permafrosts werden jahrzehnte verstreichen,
die erlösung kommt jedenfalls nur von der klimaerwärmung.
ob erfrorene laute sie danach noch zeitig erreichen?

Geändert von wolo von thurland (29.11.2011 um 10:46 Uhr)
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Alt 29.11.2011, 09:04   #2
Stimme der Zeit
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Guten Morgen, wolo,

also hier muss ich ein dickes Lob für die Hausaufgabe aussprechen. Der Anapäst ist gelungen, und das Thema ist passend gewählt: Verlorene (erfrorene) Hoffnung, die in einer Frage mündet.

Ich kann das Gedicht auf "zwei Ebenen" lesen. Einmal im Sinne der Frage, ob wohl die Menschheit noch zur Vernunft kommt und einmal im Sinne einer "eingefrorenen" Beziehung, wo das LI die Hoffnung (fast) verloren hat.

Mir gefallen die Metaphern, und das Thema ebenfalls. Diese beiden Verse finde ich besonders gut gelungen:

Zitat:
die kondensstreifen zieren den himmel als leuchtende zeichen,
menetekel an endlosen wänden verblichener zukunft.
Menetekel kannte ich zwar, allerdings nur ungefähr - Suchen macht schlauer. Ein unheilvolles Vorzeichen, ein Warnruf, eine Mahnung. Wenn man daran denkt, was ein Flugzeug so an Abgasen "herausbläst", sollte man Kondensstreifen genau so betrachten.

Auch das hier sind sehr schöne Metaphern, wirklich, und auch das Enjambement ist feine Arbeit:

Zitat:
ein verzögertes räuspern hing starr an den lippen, erfroren
auf versteinerten wangen, in schneidender kälte des abwinds,
der im ewigen eis und im schweigen der gletscher geboren.
Und, nur zur Info, ich sehe schon, wirklich. Ich finde nur nicht immer alles erwähnenswert, denn es stört mich nicht immer alles. Mich stört die Verdoppelung hätte/hätt nicht. Und ich habe mich mittlerweile daran gewöhnt, dass es sicher Unterschiede gibt, wie Worte mit "da-" am Beginn betont werden (hier: danach). Es kann auf der ersten Silbe betont werden. Das gilt auch für "permafrosts", das hier dem Metrum folgt. Nur, damit du verstehst, dass ich nicht immer alle Erbsen unbedingt als Erbsen sehe und darauf bestehe, sie zu erwähnen.

Zitat:
die erlösung kommt jedenfalls nur von der klimaerwärmung.
ob erfrorene wörter sie danach noch zeitig erreichen?
Also auf den Klimawandel (wenn es ihn denn so gibt, wie forciert) bezogen ist das beinahe schon Bitterkeit, wenn man gerade diese als "Erlösung" ansieht - auf die "Beziehungsebene" bezogen klingt noch so etwas wie eine "leise Hoffnung" durch. Das LI hat noch nicht ganz aufgegeben.

Ach ja, "Abwind" habe ich ergoogelt, den kannte ich tatsächlich nicht. Daher: Danke, wieder etwas dazu gelernt - gilt auch für die biblische Herkunft von "Mene mene tekel u-parsin". Tse, da hat doch die Bibel schon wieder was vertauscht - diesmal sogar einen König. (Überrascht mich nicht, nach der Sache mit dem Kamel. )

Interessantes Reimschema: a,b,a,c,a / d,e,d,f,d; drei Reime und zwei Waisen dazwischen. Die Waisen sind auch ihr Inhalt.

Nur eine Anmerkung, aber das ist nur eine "Frage des Geschmacks": Mir würde anstatt "Wörter" im letzten Vers "Worte" besser gefallen (Wörter ist eher Umgangssprache), für mich passt das mehr zur "Sprache" des Gedichts.

Sehr gerne gelesen und kommentiert.

Liebe Grüße

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Alt 29.11.2011, 10:45   #3
wolo von thurland
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hallo sdz
kurz und bündig: danke!
und nun etwas weniger kurz:
es freut mich, dass die wiederum leicht zynische überkreuzung von gut und böse, hoffnung und resignation hier nicht störte.
was mich auch sehr stört: hätte-wiederholung. aber mir fällt auch jetzt noch nichts ein dafür (dafür unter betonung des hinweisenden "da"). dafür konnte ich in der letzten zeile das gewöhnliche "wörter" durch "laute" ersetzen. danke für den hinweis.
bei danach macht m.E. die betonung des hinweisenden "da" im zusammenhang druchaus sinn.
bei "permafrost" kann ich dir nicht folgen. das betone ich genauso klar auf der ersten silbe wie das deutsche "dauerfrost".
lg wolo
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Alt 29.11.2011, 11:16   #4
Stimme der Zeit
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Hallo, wolo,

gerne kommentiert, mir gefällt das Gedicht sehr.

Was "permafrost" betrifft: Ich meinte die (metrisch!) "normale" Betonung permafrost, da "frost" ein Wort "für sich" ist, und du es hier als unbetonte Silbe dem "Metrum folgen lässt", was völlig in Ordnung ist. Der Duden bezieht sich auf "gesprochene" Betonungen, das stimmt mit den "Regeln" für die "künstliche Betonung" im Metrum eines Gedichts nicht immer überein. (Wie z. B. hier.) Es ist aber gerade diese "Spannung" zwischen den künstlichen Versfüßen im Metrum und den natürlichen Betonungen, die den "Rhythmus" der Verse ausmacht. (Dabei sollte man ein wenig an Musik denken, denn ein Vers ist immer in "Takte" aufgeteilt, man spricht ja auch am Versbeginn von einem "Auftakt".)

Zitat:
bis zum ende des permafrosts werden jahrzehnte verstreichen,

xxX/xxX/xxX/xxX/xxX/x - der "Takt" folgt hier den Regeln des Metrums, er liegt "mitten in den Worten" (das hat mit Zäsuren nichts zu tun, das ist etwas anderes).

Der Permafrost erzählt von Schnee und Eis.

xX/xX/xX/xX/xX - oder:

x/Xx/Xx/Xx/Xx/X

Das finde ich immer wieder sehr interessant, besonders wenn ich häufig irgendwo lesen muss, ein Trochäus mit Auftakt wäre "dasselbe" wie ein Jambus - stimmt vom "Takt" her gar nicht, lediglich "technisch gesehen".
Das unterscheidet die Betonung in einem Versmaß von der natürlichen Betonung. "Natürlich" ist "-frost" unbetont; aber im Versmaß eher betont (nur eben nicht "zwingend"), wobei hier noch zu sagen ist, dass diese "Variierungsmöglichkeit" auch für Nachsilben gilt, die in einem bestimmten Versmaß betont werden können - was aber eher als "nicht gelungen" angesehen wird. (Es "klingt" für den Leser auch etwas "komisch".)

Ein Gedicht, das in Metrum und Prosodie völlig übereinstimmt, ist zwar "technisch" möglich, aber der Inhalt wäre (gezwungenermaßen) "daneben". Es gilt jedoch, dass es umso besser "klingt" (also eine "Melodie" enthält), je größer die Übereinstimmungen sind - was nun allerdings mit dem "Takt" wiederum weniger zu tun hat ... Glaub mir, ich lerne da immer noch ständig weiter, denn Gedichte schreiben ist viel, viel komplexer, als gemeinhin angenommen. Vom "Klang" der Worte, von Konsonanten und Vokalen (und deren "Wirkung" auf den "Klang") rede ich mal gar nicht.

Das wollte ich nur erklären, damit es kein Missverständnis gibt. Natürlich ist deine Betonung "richtig".

Liebe Grüße

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Alt 29.11.2011, 11:34   #5
wolo von thurland
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alles klar nun.
ich hab's mit "honigbrot" nachgespielt.
also neuerlich dankeschön.
w.
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