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Stammtisch Gesellschaft, Politik und Alltag

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Alt 19.12.2011, 11:02   #1
Stimme der Zeit
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Standard Santa Claus trägt Lumpen

Santa Claus trägt Lumpen

Ach, Deutschland, laut Statistik bist du toll,
die Wirtschaft boomt, die Leute sind am Kaufen,
wie Ochsen, aus gefüllten Futterraufen.
Ist Weihnachten nicht wirklich wundervoll?

Wer macht sich überhaupt einmal Gedanken,
ob diese heile Welt so stimmen kann?
Die Wahrheit zieht dem guten Weihnachtsmann
den Pelz aus. Huch! Das Glück gerät ins Wanken!

Weit über tausend Kinder auf den Straßen,
sie flüchten jährlich aus dem Elternhaus;
die Obdachlosen sind, trotz schöner Phrasen,

mit Dunkelziffer – eine Million?
Politisch streut man bunten Zucker aus.
Ach, Heilig Abend! – Leid? Wen juckt das schon?


Eine weitere Fassung, mit Vorschlägen von Thomas:
Santa Claus trägt Lumpen

Ach, Deutschland, laut Statistik bist du toll,
die Wirtschaft boomt, die Leute kaufen, kaufen,
wie Ochsen fressen, aus gefüllten Raufen.

Ist Weihnachten nicht wirklich wundervoll?

Wer macht sich überhaupt einmal Gedanken,
ob diese heile Welt so stimmen kann?
Die Wahrheit zieht dem guten Weihnachtsmann
den Pelz aus. Huch! Das Glück gerät ins Wanken!

Weit über tausend Kinder auf den Straßen,
sie flüchten jährlich aus dem Elternhaus;
die Obdachlosen sind, trotz schöner Phrasen,

mit Dunkelziffer – eine Million?
Im Fernsehn streut man bunten Zucker aus.
An Heilig Abend Leid? Wen juckt das schon?


Eine weitere Fassung, basierend auf den Vorschlägen von fee:
Santa Claus trägt Lumpen

Ach, Deutschland, laut Statistik bist du toll,
die Wirtschaft boomt, die Leute drängt's zum Kaufen
wie Ochsen zu gefüllten Futterraufen.

Ist Weihnachten nicht wirklich wundervoll?

Wer macht sich überhaupt einmal Gedanken,
ob diese heile Welt so stimmen kann?
Die Wahrheit zieht dem guten Weihnachtsmann
den Pelz aus; es gerät das Glück ins Wanken!

Weit über tausend Kinder auf den Straßen,
sie flüchten jährlich aus dem Elternhaus;
die Obdachlosen sind, trotz schöner Phrasen,

mit Dunkelziffer – eine Million?
Politisch streut man bunten Zucker aus.
Ach, Heilig Abend! – Leid? Wen juckt das schon?
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Geändert von Stimme der Zeit (20.12.2011 um 00:33 Uhr) Grund: Alternative Fassungen aufgrund der Vorschläge von Thomas und fee.
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Alt 19.12.2011, 11:53   #2
Thomas
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Liebe Stimme der Zeit,

das ist ein sehr nachdenklich stimmendes Weihnachtsgedicht und es ist, wie von dir nicht anders zu erwarten, formschön und gut geraten. Aber zwei kleine Vorschläge hätte ich doch.

In der ersten Strophe statt:

die Wirtschaft boomt, die Leute sind am Kaufen,
wie Ochsen, aus gefüllten Futterraufen.

Das Folgende:

die Wirtschaft boomt, die Leute kaufen, kaufen,
wie Ochsen fressen, aus gefüllten Raufen.

(Weil die Ochsen halt fressen, und das gedoppelte 'kaufen' seien Wirkung tut.)

Und in der letzten Strophe:

Politisch streut man bunten Zucker aus.
Ach, Heilig Abend! – Leid? Wen juckt das schon?

Das Folgende:

Im Fernsehn streut man bunten Zucker aus.
An Heilig Abend Leid? Wen juckt das schon?


(Weil 'politisch' etwas ausgeleiert ist. Das Ach schreibst du wegen des Bezugs zur ersten Zeile, aber ich würde die rhythmisch etwas schlichtere Zeile vorziehen. Reine Geschmackssache)

Liebe Grüße
Thomas
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Alt 19.12.2011, 13:05   #3
Stimme der Zeit
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Hallo, lieber Thomas,

Zitat:
Zitat von Thomas:
das ist ein sehr nachdenklich stimmendes Weihnachtsgedicht und es ist, wie von dir nicht anders zu erwarten, formschön und gut geraten.
Zunächst einmal ein Dankeschön für dein Lob, ich freue mich.

Zitat:
Zitat von Thomas:
Aber zwei kleine Vorschläge hätte ich doch.

In der ersten Strophe statt:

Zitat:
Zitat von Stimme der Zeit:
die Wirtschaft boomt, die Leute sind am Kaufen,
wie Ochsen, aus gefüllten Futterraufen.
Das Folgende:

die Wirtschaft boomt, die Leute kaufen, kaufen,
wie Ochsen fressen, aus gefüllten Raufen.

(Weil die Ochsen halt fressen, und das gedoppelte 'kaufen' seien Wirkung tut.)
Du weißt, dass ich für Vorschläge immer offen bin, aber dieses Mal möchte ich doch die beiden Verse, die ich (nach sorgfältiger Überlegung!) ganz bewusst so formuliert habe, wie sie dastehen, behalten. Ich erkläre dir gerne, warum.

Dein Vorschlag

Zitat:
Zitat von Thomas:
die Wirtschaft boomt, die Leute kaufen, kaufen,
wie Ochsen fressen, aus gefüllten Raufen.
verändert die Aussage. Es ist so, dass die Verdoppelung von "kaufen" für eine Assozitation in Richtung "Kaufwahn" sorgt (das impliziert eine Art "Drängen"), und das "fressen" ergibt den Zusammenhang: Die Leute kaufen, kaufen, so, wie Ochsen fressen. Wie frisst ein "Ochse"? Eigentlich "kaut" dieser ja recht "gemütlich (und gedankenlos) vor sich hin". "Gedankenlos", ja, das passt, aber das "drängende Element" von "kaufen, kaufen" stimmt nicht mit dem "Bild" des "gemütlich, gedanken- und sorglos vor sich hin kauenden Ochsen" überein.

Meine Formulierung


Zitat:
Zitat von Stimme der Zeit:
die Wirtschaft boomt, die Leute sind am Kaufen,
wie Ochsen, aus gefüllten Futterraufen.
bezieht sich auf das Wesen von Ochsen, die "gefüllten Futterraufen" sind eine Metapher für die zur Weihnachtszeit "prall gefüllten Regale" in Supermärkten, Läden und Kaufhäusern. Es geht also nicht ums "Fressen", sondern um das Kaufverhalten: Stupide wie Ochsen, gedankenlos (dumm) - Hauptsache, die (meine!) "Futtertröge" sind voll. Im Volksmund dient der Ochse als Metapher für stupides Verhalten, für Dummheit ("Wie der Ochse vor dem Berg stehen") und auch als Schimpfwort ("Du dummer Ochse!" - übrigens gleich eine "Verdoppelung" von Dummheit). Der Ochse interessiert sich nicht dafür, ob die "Futtertröge" anderer gefüllt sind - sein "Horizont" reicht nur für den Blick in den eigenen ...

Zitat:
Zitat von Thomas:
Und in der letzten Strophe:

Zitat:
Zitat von Stimme der Zeit:
Politisch streut man bunten Zucker aus.
Ach, Heilig Abend! – Leid? Wen juckt das schon?
Das Folgende:

Im Fernsehn streut man bunten Zucker aus.
An Heilig Abend Leid? Wen juckt das schon?

(Weil 'politisch' etwas ausgeleiert ist. Das Ach schreibst du wegen des Bezugs zur ersten Zeile, aber ich würde die rhythmisch etwas schlichtere Zeile vorziehen. Reine Geschmackssache)
Hier möchte ich das Wort "Politisch" behalten. Das Fernsehen ist nur ein einziges Medium - kurz erwähnt, dass eine Menge Politiker ihre "Finger" in den Vorständen haben - , wogegen die Politik tatsächlich "bunten Zucker ausstreut". Das bezieht sich im Gedicht auch auf die in Strophe 1 erwähnte "Statistik". Wie lautet ein gut bekanntes, geflügeltes Wort doch so schön: "Eine Statistik ist nur so gut wie der, der sie gefälscht hat." Und Statistiken sind nie richtig, sie sind gefälscht, denn es ist das "Statistische Bundesamt", das sie herausgibt, und "Beschönigen" ist ganz normaler "Alltag" - deshalb auch die Erwähnung der "Dunkelziffer", die ebenfalls weit höher ist, als uns gerne weisgemacht wird. Da erzähle man mir doch nicht, an Weihnachten wäre das anders - wohl eher noch im Gegenteil! Das könnte sonst die "Ochsen", die man ja so gut "lenken" kann, womöglich aus der "Ruhe bringen" ...

Zitat:
Ach, Heilig Abend! – Leid? Wen juckt das schon?
Du hast recht, die Formulierung ist wirklich auf die erste Zeile im Gedicht bezogen - zum einen. "Ach, Deutschland" und "Ach, Heilig Abend!" Ach, seufz, wie schön, wie heil, wie bunt, wie sorglos, wie - wunder/voll! Zum anderen dient der Gedankenstrich hier, ebenso wie im ersten Vers des letzten Terzetts dazu, den Leser eine "(Nach)denkpause" machen zu lassen. Und es unterstreicht die "Gegensätze": Auf der "einen Seite" das "Glück der heilen Welt" und auf der "anderen Seite" das "Leid", bewusst als Frage. Denn - "juckt" das Leid einen "Ochsen"? Der letzte Vers ist eine "Gegenüberstellung beider Seiten".

Ja, es ist zwar wirklich auch "Geschmackssache", aber hier dient die "Zweiteilung" einem ganz bestimmen Zweck.

Ich danke dir für deine Vorschläge, im vollen Ernst, denn es zeigt mir, dass du dich ernsthaft mit dem Gedicht beschäftigt hast - und das freut mich immer sehr!

Deshalb hoffe ich, dass ich verständlich und nachvollziehbar erklären konnte, warum ich an den beiden Versen dieses Mal nichts ändern möchte.

Liebe Grüße und vielen Dank.

Stimme
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Geändert von Stimme der Zeit (19.12.2011 um 13:28 Uhr) Grund: Kleine Korrektur.
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Alt 19.12.2011, 15:05   #4
Thomas
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Liebe Stimme der Zeit,

ich hatte es geahnt. Du hast gute Gründe, die ich, nachdem du sie mir erklärt hast, nun auch verstehe und richtig finde. Die letzte Zeil stresst mich zwar trotzdem noch ein wenig. Es ist wohlmöglich so, weil ich nicht glaube, dass fast niemanden das Leid anderer juckt und mir die Zeile deshalb zu heftig ist. Aber vielleicht brauchen Ochsen das ja.

Mein Wort 'Vorschlag' war auch etwas unglücklich gewählt, mir kommen halt immer Alternativen in den Sinn, die mir natürlich erst einmal gut oder besser gefallen. Das sind eigentlich keine Verbesserungsvorschläge, sonder eher Anregungen. Denn verbessern kann man ein Gedichte eines anderen (abgesehen von der Beseitigung der Schreibfehler und formalen Fehler) kaum. Danke für deine Mühe.

Liebe Grüße
Thomas
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Alt 19.12.2011, 15:48   #5
fee
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ein super gesellschaftskritisches sonett, stimme!


vor allem, weil es mal nicht auf dieser betulichen welle der moralischen entrüstung mitschwimmt im tonfall, sondern - und das finde ich weit angemessener und wirkungsvoller - sehr "direkt" formuliert die dinge beim namen nennt. in gradezu saloppem, zeitgemäßem tonfall.

liest sich wie eine kolumne, nur gehoben-gereimt sozusagen.

ich störe mich auch ein klein wenig an der stelle mit den ochsen. und zwar, weil der satz, so, wie er momentan formuliert ist, eigentlich genaugenommen sagt, dass ochsen aus gefüllten futterraufen kaufen.
Zitat:
Zitat von Stimme der Zeit Beitrag anzeigen
die Wirtschaft boomt, die Leute sind am Kaufen,
wie Ochsen, aus gefüllten Futterraufen.
das "fressen" ist ja nicht da. dafür aber das verdindende verb "kaufen" (bzw. "sind...am Kaufen").

der bezug ist also eigentlich nicht ganz korrekt. auch, wenn natürlich klar ist, was du meinst.

"die Wirtschaft boomt, die Leute stehn beim Kaufen
wie Ochsen vor gefüllten Futterraufen"


oder (doch reichlich invasiv):

im Wirtschaftsboom, da drängt man sich beim Kaufen
wie Ochsen vor gefüllten Futterraufen


wäre das eine oder andere eine alternative für dich? (ich wollte die zeilen nicht invasiver umschreiben. das mag ich nicht so sehr).

Zitat:
Zitat von Stimme der Zeit Beitrag anzeigen
den Pelz aus. Huch! Das Glück gerät ins Wanken!
das ist mir aber dann doch zu flappsig. nicht allgemein der sprache wegen, sondern weil es dadurch eine leicht humorige note bekommt, die dem inhalt an gewicht nimmt bzw. gefühlt etwas von der schärfe der kritik wegnimmt. und das finde ich kontraproduktiv.

im sinne von "kritisiere nicht, ohne einen vorschlag anzubieten" biete ich:

den Pelz aus; es gerät das Glück ins Wanken!


aussage-verändernde vorschläge find ich selbst auch immer kritisch. ich hoffe, ich hab mit der ochsen-sache da nicht den bogen überspannt. aber insgesamt ist das gedicht einfach zu gut-kritisch, als dass ich so einen bezugs-schnitzer unerwähnt lassen möchte.


liebe grüße


fee
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Alt 19.12.2011, 16:04   #6
Justin
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Liebe Stimme,

das ist ein Adventsgedicht der anderen Art, das sich gut ausnimmt, weil es sich auf einem anderen Level befindet. Meiner Meinung nach ist diese Alternative neben dem Althergebrachten notwendig. Leider liest man noch zu wenig davon. Das Gedicht regt sehr zum Nachdenken an und spricht die Vernachlässigten an - egal welcherr Art. Nicht alle kannst Du im Gedicht aufzählen, doch gibst Du die Denkrichtung vor. Und das ist schon viel.

Vielleicht werde ich mich später auch mal an so ein Gedicht wagen.

Es stimmt schon, daß das Ungemach anderer nicht alle gleichgültig läßt. Was mich aber traurig stimmt, ist die Tatsache, wie einsetzender Protest mit rhetorischen Mätzchen nicht wahrgenommen werden möchte und oft zerredet wird. So wie wir das aus Talkshows kennen. Schlagworte wie Freiheit machen die Runde und sollen solche Schattenseiten verdrängen. Die Betroffenen würden sich wohl eine andere Freiheit wünschen...

Ich habe ein bißchen gewartet, ob ich ein derartiges Gedicht hier lesen könnte und bin jetzt durch Dich angenehm überrascht worden.

Liebe Grüße

Justin
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Alt 20.12.2011, 00:22   #7
Stimme der Zeit
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Lieber Thomas,

Zitat:
ich hatte es geahnt. Du hast gute Gründe, die ich, nachdem du sie mir erklärt hast, nun auch verstehe und richtig finde. Die letzte Zeil stresst mich zwar trotzdem noch ein wenig. Es ist wohlmöglich so, weil ich nicht glaube, dass fast niemanden das Leid anderer juckt und mir die Zeile deshalb zu heftig ist. Aber vielleicht brauchen Ochsen das ja.
es geht hier auch nicht um "fast niemand", sondern um eine ganz bestimmte "Art" Mensch. Dass es viele - zu viele! - dieser Sorte gibt, ist eine unleugbare Tatsache, denn sonst wären die Missstände nicht so groß, wie sie sind. Aber das ist keine "generelle Pauschalisierung", die sich auf "alle" bezieht. Selbstverständlich gibt es Menschen, die das "Leid juckt"! (Nur leider stimmt das "Mengenverhältnis" nicht.) Aber von diesen ist im Gedicht ja auch nicht die Rede, sondern von der "Ochsensorte". Und wenn es von diesen nicht so viele gäbe, dann wären Gedichte wie dieses hier gar nicht nötig ...

Zitat:
Mein Wort 'Vorschlag' war auch etwas unglücklich gewählt, mir kommen halt immer Alternativen in den Sinn, die mir natürlich erst einmal gut oder besser gefallen. Das sind eigentlich keine Verbesserungsvorschläge, sonder eher Anregungen. Denn verbessern kann man ein Gedichte eines anderen (abgesehen von der Beseitigung der Schreibfehler und formalen Fehler) kaum. Danke für deine Mühe.
Thomas, du kannst, darfst und sollst mir jederzeit Vorschläge machen, Anregungen und Hinweise geben, Fehler aufzeigen - gerne! Meine Erklärung diente nicht dem Zweck einer Rechtfertigung, ganz zu schweigen von "Abwehr", sondern ich (ganz persönlich) finde: Wenn sich jemand in eines meiner Gedichte "hineinliest", darüber nachdenkt, mir seine Gedanken mitteilt und seine Meinung sagt - dann ist das ein Kompliment. Von daher kann ich nicht einfach hingehen und lapidar sagen: "Nö, danke." Ich halte es nicht für falsch, wenn ich einem Kommentator erkläre, warum ich etwas nicht ändern möchte, sondern ich habe etwas "bekommen" und "erwidere" es gerne - ganz einfach, und nicht im Sinne eines "Verpflichtet-Fühlens".

Daher: Freiwillig gerne geantwortet, es war keine Mühe.

Liebe Grüße

Stimme

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Liebe fee,

Zitat:
ein super gesellschaftskritisches sonett, stimme!


vor allem, weil es mal nicht auf dieser betulichen welle der moralischen entrüstung mitschwimmt im tonfall, sondern - und das finde ich weit angemessener und wirkungsvoller - sehr "direkt" formuliert die dinge beim namen nennt. in gradezu saloppem, zeitgemäßem tonfall.
Vielen, herzlichen Dank! Ich wollte auch nicht die "Weihnachtliche Moral" zu Worte kommen lassen, von der du schreibst, daher ging ich sogar im Web recherchieren, um die "richtigen Zahlen" zu kennen. Du hast absolut recht, wenn du von einer "betulichen Welle" schreibst - das trifft es ganz genau. Leider fand ich im Internet trotz intensiver Suche keinerlei genaue oder wenigstens einigermaßen aussagekräftige Angaben über Spendengelder. Was aber sehr interessant ist: Wenn es im Jahr "Katastrophen" gab (z. B. Erdbeben oder Flutwellen) und die Leute "außerhalb der Wohltätigkeitssaison" gespendet haben - dann kann es sein, dass an Weihnachten die "Spendenrate" sinkt anstatt zu steigen. Offenbar denken dann einige: Neee, dieses Jahr hab ich schon, meine "Pflicht" ist bereits getan ...

Ich dachte mir: Nenn das "Kind" beim Namen!

Zitat:
liest sich wie eine kolumne, nur gehoben-gereimt sozusagen.
Es ist eigentlich auch so etwas wie eine (gereimte) Kolumne - sozusagen.

Zitat:
Zitat von fee:
ich störe mich auch ein klein wenig an der stelle mit den ochsen. und zwar, weil der satz, so, wie er momentan formuliert ist, eigentlich genaugenommen sagt, dass ochsen aus gefüllten futterraufen kaufen.
Zitat:
Zitat von Stimme der Zeit:
die Wirtschaft boomt, die Leute sind am Kaufen,
wie Ochsen, aus gefüllten Futterraufen.
das "fressen" ist ja nicht da. dafür aber das verdindende verb "kaufen" (bzw. "sind...am Kaufen").

der bezug ist also eigentlich nicht ganz korrekt. auch, wenn natürlich klar ist, was du meinst.

"die Wirtschaft boomt, die Leute stehn beim Kaufen
wie Ochsen vor gefüllten Futterraufen"

oder (doch reichlich invasiv):

im Wirtschaftsboom, da drängt man sich beim Kaufen
wie Ochsen vor gefüllten Futterraufen

wäre das eine oder andere eine alternative für dich? (ich wollte die zeilen nicht invasiver umschreiben. das mag ich nicht so sehr).
Jetzt bringst du mich wirklich ins Grübeln. Na ja, ich war mal im Einzelhandel tätig und kann dir sagen, die fangen schon im Laden an, Packungen aufzureißen und zu futtern - Scherz beiseite, es stimmt, was du anführst. Vielleicht doch zu sehr "im übertragenen Sinn" formuliert. Hm - was meinst du, dein zweiter Vorschlag brachte mich auf eine Idee:

Zitat:
"die Wirtschaft boomt, die Leute drängt's zum Kaufen
wie Ochsen zu gefüllten Futterraufen"
Da ich im Gedicht ohnehin eine "direkte Ausdrucksweise" verwende, könnte das ebenfalls etwas saloppe "drängt's" durchaus passen - was meinst du? Ich habe mal Urlaub auf einem Bauernhof gemacht, da betraf das zwar Kühe, aber der "Unterschied" im Verhalten dürfte nicht allzugroß sein - die "schoben und drängelten" sich gegenseitig zur Seite. Offenbar können diese eher "gemächlich" veranlagten Tiere, wenn es um das Futter geht, auch "anders".

Es sieht so aus, als ob diese beiden Verse teilweise ganz unterschiedlich aufzufassen sind - ich denke, ich werde alle gemachten Vorschläge oben zum Gedicht mit einstellen, einverstanden?

Zitat:
Zitat von fee:
Zitat:
Zitat von Stimme der Zeit:
den Pelz aus. Huch! Das Glück gerät ins Wanken!
das ist mir aber dann doch zu flappsig. nicht allgemein der sprache wegen, sondern weil es dadurch eine leicht humorige note bekommt, die dem inhalt an gewicht nimmt bzw. gefühlt etwas von der schärfe der kritik wegnimmt. und das finde ich kontraproduktiv.

im sinne von "kritisiere nicht, ohne einen vorschlag anzubieten" biete ich:

den Pelz aus; es gerät das Glück ins Wanken!
Mhm, ich neige dazu, gerade wenn mich etwas "berührt", vor allem wenn es "schmerzt", meinen Humor "auszupacken" - purer Selbstschutz, meine "Art", damit umzugehen. Hier ist es allerdings nicht komisch gemeint, das ist in diesem Falle Sarkasmus. Damit meine ich, dass die "Ochsen" erst dann "erschrecken", wenn es das "eigene Glück", die "eigene heile Weihnachtswunderwelt" ins Wanken bringen könnte - was mit "Anderen" ist, wollen sie gar nicht sehen. Eine Spende (von der Steuer absetzen nicht vergessen!), ein schöner Gottesdienstbesuch und - zack! - hat der Weihnachtsmann einen neuen pelzbesetzten Mantel an. Alles wieder gut!

Ich stelle deinen Vorschlag, wenn du erlaubst, mit oben ein. Er ist ja auch gut, ich würde ihn durchaus in Erwägung ziehen - aber ich gestehe, dass ich den Schuss Sarkasmus im Gedicht "brauche", ist eine "Gefühlssache".

Zitat:
aussage-verändernde vorschläge find ich selbst auch immer kritisch. ich hoffe, ich hab mit der ochsen-sache da nicht den bogen überspannt. aber insgesamt ist das gedicht einfach zu gut-kritisch, als dass ich so einen bezugs-schnitzer unerwähnt lassen möchte.
Nein, du hast den Bogen nicht überspannt. Und der Bezug ist dort wirklich nicht eindeutig klar, deshalb ja auch mein "Gegenvorschlag", die "Alternativen" oben mit einzustellen.

Vielen Dank, dass du dich so intensiv mit dem Gedicht beschäftigt hast, das freut mich wirklich, sehr sogar!

Liebe Grüße

Stimme

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Hallo, Justin,

Zitat:
das ist ein Adventsgedicht der anderen Art, das sich gut ausnimmt, weil es sich auf einem anderen Level befindet. Meiner Meinung nach ist diese Alternative neben dem Althergebrachten notwendig. Leider liest man noch zu wenig davon. Das Gedicht regt sehr zum Nachdenken an und spricht die Vernachlässigten an - egal welcherr Art. Nicht alle kannst Du im Gedicht aufzählen, doch gibst Du die Denkrichtung vor. Und das ist schon viel.
Zuerst einmal möchte ich mich für dein Lob herzlichst bedanken. Ja, die Vernachlässigten. Die unbeschönigten Zahlen sind erschreckend. Es sieht in der "heilen Welt Deutschland" viel schlimmer aus, als (leider) die meisten Bürger auch nur ahnen. Zum Teil liegt es an Menschen, die weder weiter sehen noch denken, als ihre Nasen aus dem Gesicht hervorragen und zum Teil an Menschen, die wegsehen - weil sie es nicht sehen (wahrhaben) wollen. Beide Teile zusammen ergeben eine böse Rechnung, denn unter dem Strich steht als Ergebnis: Viel zu Viele.

Ich fürchte, um "alle" Missstände aufzuzählen, wäre allmählich ein 500-Seiten-Roman nicht ausreichend. Das betrachte ich nicht als Übertreibung, denn mit "alle Missstände" meine ich alle. Weißt du, Justin, es reicht schon, wenn auch nur ein einziger Mensch nachdenkt. Dass ich hier mehrere Rückmeldungen bekomme, zeigt mir, dass nicht alles "verloren ist", es gibt sie noch, die "Dichter und Denker".

Zitat:
Vielleicht werde ich mich später auch mal an so ein Gedicht wagen.
Das würde mich sehr freuen! Ja, du hast recht, wir sind zu wenige - ein paar Schreiberlinge in Lyrikforen, ein paar "echte" Priester, ein paar Leute, die ihre Spenden bewusst nicht versteuern - ein paar hier, ein paar da. Manchmal frage ich mich, was denn notwendig wäre, um die Mehrzahl der Leute dazu zu bringen, ihre Augen wirklich "aufzumachen". Aber - Hauptsache, es gibt die paar Handvoll!

Zitat:
Es stimmt schon, daß das Ungemach anderer nicht alle gleichgültig läßt. Was mich aber traurig stimmt, ist die Tatsache, wie einsetzender Protest mit rhetorischen Mätzchen nicht wahrgenommen werden möchte und oft zerredet wird. So wie wir das aus Talkshows kennen. Schlagworte wie Freiheit machen die Runde und sollen solche Schattenseiten verdrängen. Die Betroffenen würden sich wohl eine andere Freiheit wünschen...
Ich habe hier im Forum vor einer Weile ein Gedicht geschrieben, in dem ich eine bestimmte Formulierung verwendete: "Das hatten wir doch alles schon." Schönfärberei, schöngeredete und beiseite geschobene Fakten, Ignoration von drohender Gefahr, kein Blick für die Realität - das Resultat war dann der zweite Weltkrieg ...

Es gibt manche Worte, die auf die Auswahlliste für "Unworte des Jahres" gehören - "Schlagworte" gehört für mich dazu. Ein Wort wofür - um zuzuschlagen? um abzuschlagen? um wegzuschlagen? Ein Wort, bei dem einen der Schlag trifft? (Verzeihung. Meine Ironie hat sich gerade durchgesetzt.)

Lieber Justin, du hast recht. Die Betroffenen würden sich mit absoluter Sicherheit eine andere Freiheit wünschen. Was ist die "vorhandene" Freiheit denn? Die Freiheit, zu erfrieren? Die Freiheit, zu hungern? Die Freiheit, nur die allernotwendigste medizinische "Notfallbehandlung" zu erhalten? Die Freiheit, überall nicht hingehen zu können und nirgendwo geduldet oder gar willkommen zu sein? Die Freiheit, überall und jederzeit sterben zu dürfen?

Zitat:
Ich habe ein bißchen gewartet, ob ich ein derartiges Gedicht hier lesen könnte und bin jetzt durch Dich angenehm überrascht worden.
Ich habe auch gewartet. Daher würde mich ein Gedicht aus deiner Feder besonders freuen.

Liebe Grüße

Stimme
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