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#1 |
asphaltwaldwesen
Registriert seit: 31.03.2009
Ort: österreich
Beiträge: 961
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knorrige finger
die strähnen zausen ein feines zittern beim streichen über mein gesicht wie über die seiten deiner tausend bücher ich auf deinem schoß die wange weich an schneeweißen bartstoppeln in deiner stimme so viel erlebtes und dieser hauch vom angekommen-sein ewig gleiche geschichten doch stets aufs neue immer noch lebendig wird deine stimme brüchig wird feind zum kameraden wird alles geteilte furcht auch wir rücken näher die fingerknöchel weiß vom einander halten in deinem zimmer .fee ´12
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"Gedichte sind Geschenke an die Aufmerksamen" Paul Celan |
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#2 |
ADäquat
Registriert seit: 07.02.2009
Ort: Mitteldeutschland
Beiträge: 13.009
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![]() Liebe fee,
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. © auf alle meine Texte
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#3 |
asphaltwaldwesen
Registriert seit: 31.03.2009
Ort: österreich
Beiträge: 961
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liebe chavali,
wie freuen mich deine schönen zeilen! ich habe meinen urgroßvater noch gehabt. er wurde 92 und hat eigentlich wenig erzählt. wenn, dann war spürbar, dass ihn da vieles aus den kriegszeiten begleitete und immer noch in ihm arbeitete. mein sohn hat das seltene privileg noch zwei urgroßmütter erleben zu dürfen. die eine starb im vorigen jahr im stolzen alter von 87, die andere wird heuer 90. und die hab ich da alle in die eine figur verschmolzen, denn die erzählten und erzählen viel über diese zeit voller gefahr, voller angst um die lieben, voller ungewissheit, ob der nächste tag noch erlebt wird. das ist fast wie ein mantra, stets der gleiche fast formelhafte ablauf der einzelnen anekdoten. und wir - mein mann und ich - als enkel, sind sozusagen das buch, in das sie geschrieben werden. das buch, das rückmeldet und auch mal die hand hält. wenn mein sohn dabei ist (er ist jetzt 8einhalb), wirkt das wie ein zusätzlicher motivator, die guten dinge am geschehenen hervorzuheben. die "urlis" erzähl(t)en dann viel "milder", viel positiver - dennoch blieben die ängste und selben situationen das thema. ich selbst habe im herrenzimmer meines urgroßvaters wundervolle verzauberte stunden der zweisamkeit mit ihm verbracht. alte stilmöbel, gemälde an der wand, die schallplattensammlung mit klassik rauf und runter und der alte plattenspieler und natürlich das weltradio. meist haben wir musik gehört. ich auf seinem schoß. manchmal hat er ein wenig erzählt. "wohldosiert". das waren sehr innige stunden. da den eigenen kindern von diesen dingen nie erzählt werden konnte, ohne auf abwehr zu stoßen, waren (und sind) enkel und urenkel für ihre ur/großeltern da ein heilsames "publikum". vieles wird da geteilt, was bislang weggeschwiegen und allein verkraftet werden musste. das ist auch kein rüberladen von ganz viel angst und schrecken - eher so eine rückschau mit dem grundthema des überlebens und zusammenfindens auch in der größten not. irgendwie tun sich da also beide seiten gut, weil sie genau so sind, wie sie sind. die eine zu erfahren, um zu verdrängen, die andere zu klein, um es in all der wucht des schreckens präsentiert zu bekommen. das ist eine "heilsame" kombination, scheint mir. das und meine zeit mit meinem urgroßvater hab ich also versucht zu verarbeiten. ganz viel erinnertes gefühl (ich erinnere noch den geruch und die geräusche im zimmer meines urgroßvaters. auch das gedämpfte licht. und das wohlige gemeinsame schweigen) und beobachtetes im dialog mit den urlis meines sohnes fließen da zusammen. daher freut mich umso mehr, wenn es dich berühren kann. und eigene erinnerungen in dir weckt. lieben dank also für deinen feinen kommentar! deine fee
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"Gedichte sind Geschenke an die Aufmerksamen" Paul Celan |
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#4 |
Von Raben umkreist
Registriert seit: 27.12.2009
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Beiträge: 1.053
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Hallo fee,
da hast du deinem Urgroßvater ein wirklich schönes Denkmal gesetzt. Er würde sich sehr freuen, wenn er das noch lesen könnte. So leben unsere lieben Verstorbenen doch gerne weiter. Nicht nur in unseren Gedanken sondern auch in so wunderbaren Gedichten. Liebe Grüße Sidgrani
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Alle meine Texte: © Sidgrani "Nur wer erwachsen wird und Kind bleibt, ist ein Mensch"
»Erich Kästner« |
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#5 |
asphaltwaldwesen
Registriert seit: 31.03.2009
Ort: österreich
Beiträge: 961
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danke für diese lieben zeilen, sidgrani!
![]() herzliche grüße fee
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