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Finstere Nacht Trauer und Düsteres

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Alt 23.02.2012, 17:14   #1
Galapapa
Galapapa
 
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Standard Wehmutstränen

Auf dem Rollator kauernd und in Gram gefangen,
gibt sie den müden Beinen ein Weile Ruh.
Sie ist für ihre Kraft schon viel zu weit gegangen,
erschöpft schaut sie dem Kinderspiel am Bache zu.

Erinnerungen ziehen sie zurück, hinunter
in eine wohlbehütete Vergangenheit,
ins Leere starrt ihr Blick und dennoch gleichsam munter
durch triste Gegenwart hinaus in ferne Zeit.

Gekerkert in des müden, alten Körpers Grenzen,
blickt ihre Seele durch das trübe Augenlicht.
Obwohl sie glücklich war in all den vielen Lenzen,
sie spürt in diesem Frühling das Erwachen nicht.

Durch Wehmutstränen in Vergessenheit verschwommen,
verliert sie die Gedanken an vergangnes Glück.
Mit ihrer letzten Kraft und seelentief beklommen
macht sie sich auf den schweren Weg - sie muss zurück.

Geändert von Galapapa (23.02.2012 um 23:43 Uhr)
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Alt 23.02.2012, 17:52   #2
fee
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ach du meine güte, galapapa,


was für ein thema und welche beschreibung! das fiese ist - der text drückt noch nichtmal auf die tränendrüsen, sodass man sagen kann "ach, sentimentales gejammer". nein, es ist eine beschreibung, die sehr leise daherkommt, so nah am klischee (dem ja immer auch etwas sehr wahres und allgemein gültiges anhaftet), dass man gar nicht drüberlesen kann und doch so weit davon weg in der beschreibung, dass man sehr konkrete eindrücke und bilder erhält.

bei mir sind es die bilder meiner großtante, die in ihren letzten jahren von ihrem körper mehr als eingekerkert "lebte" und die der großmutter meines mannes, die vor einigen jahren im stolzen alter von 87 gestorben ist und in den jahren davor auch nicht mehr konnte, wie sie eigentlich noch gewollt hätte.
wenn man solches einmal hautnah miterlebt hat, bekommt man einen aufmerksameren blick für ältere menschen und deren ganz eigenes er-leben.

das hast du hier so eingefangen, dass ich mir sicher bin, auch du weißt, wovon du schreibst.

bloß
Zitat:
und ihre Augen schauen leer und gleichsam munter
den widerspruch vermag ich nicht in ein bild zu vereinen. munterkeit an sich wirkt hier im text auch wie eine unmöglichkeit. sie will nicht so recht dazupassen für mich.

das ist aber auch das einzige, was mir auffiel. ein heftiger text - ich hoffe, nicht das produkt einer sich anbahnenden frühlingsdepression!

liebe grüße



fee
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Alt 23.02.2012, 22:29   #3
Galapapa
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Lächeln

Liebe fee,
erstmal lieben Dank für Dein schön formuliertes Lob!
Den Text habe ich erst heute geschrieben; er gehört in eine Reihe von Gedichten, die entstanden sind bei der Betreuung einer alten Freundin.
Während meiner Zeit als Alleinerziehender hat sie mir sehr geholfen; ich hätte sonst meinen Beruf aufgeben müssen. So sind wir unzertrennlich zusammengewachsen.
Sie ist izwischen 100 (!!) Jahre alt und wird von nächsten Verwandten, die am selben Ort wohnen, sträflich vernachlässigt.
Du hast das also sehr genau erkannt: Nur wenn man direkten Bezug zu solchen Menschen hat, kann man deren Lebensumstände gut genug erahnen, um sie einigermaßen treffend beschreiben zun können.
Nun zu Deinem Hinweis, für den ich Dir dankbar bin.
Gemeint war hier "leer" für den Ausdruck, den Augen haben können, wenn deren Besitzer völlig in Gedanken versunken etwas anstarrt, was er in Wirklichkeit gar nicht sieht. Wenn er dabei an etwas Schönes denkt, dann kann so ein Blick gleichzeitig munter wirken.
Vielleidht ist hier der Ausdruck "leer" nicht ganz treffend.
Dein Urteil wäre mir da wichtig: Was würdset Du von "...starr und gelichsam munter.." halten? Dass sie an der Wirlichkeit vorbei schauen, geht ja aus dem nächsten Vers hervor.
Wenn Du also Zeit und Lust hast, mir noch zu sagen, wie das auf Dich wirkt, wär ich Dir dankbar. Falls nicht schätze ich Dich und Deine Meinung natürlich genauso wie vorher.
Um mich mach Dir bitte keine Sorgen. Ich beschreibe, was ich erlebe und eine Depression in dieser Jahreszeit liegt mir absolut fern.
Langsam ist Aufbruch! Sagt jedenfalls mein Thermometer.
Mit lieben Grüßen an Dich!
Galapapa
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Alt 23.02.2012, 22:46   #4
fee
asphaltwaldwesen
 
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ja, jetzt verstehe ich, was du ausdrücken wolltest, galapapa!


Zitat:
Gemeint war hier "leer" für den Ausdruck, den Augen haben können, wenn deren Besitzer völlig in Gedanken versunken etwas anstarrt, was er in Wirklichkeit gar nicht sieht. Wenn er dabei an etwas Schönes denkt, dann kann so ein Blick gleichzeitig munter wirken.
ja, munter, in gewisser weise hellwach - trotz der art von entrückung. ich weiß, was du meinst. "starr" trifft es aber auch nicht so recht für mein gefühl.

vielleicht gefällt dir ja etwas wie:

Zitat:
und ihre Augen schaun ins Nichts und/doch gleichsam munter
durch triste Gegenwart hinaus in ferne Zeit.
oder
Zitat:
und ihre Augen schauen nichts/schauen nicht und dennoch munter
eine radikalere änderung als möglichkeit wäre auch etwas wie

Zitat:
Erinnerungen ziehen sie zurück, hinunter
in eine wohlbehütete Vergangenheit
Ins Leere schweift ihr Blick und gleichsam munter
durch triste Gegenwart hinaus in ferne Zeit.
oder so ähnlich. das käme m.E. näher hin an das gemeinte. eventuell ist bei meinen vorschlägen ja ein impuls für dich dabei und du findest das, was dir am passendsten scheint.

der "leere blick" sagt nämlich für mein gefühl aus, dass von "innen" - also aus dem menschen heraus - nichts mehr "kommt". dass da eben in ihm eine leere ist, die durch das seelenfenster auge sichtbar wird. und das ist hier ja gerade nicht gemeint.


gut zu lesen, dass du nicht zu der sorte mensch gehörst, die jeden frühling durch eine ordentliche depression wandern. ich kenne da einige und die tun mir regelmäßig leid.

liebe späte-abend-grüße


fee
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Geändert von fee (23.02.2012 um 22:51 Uhr)
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Alt 23.02.2012, 23:48   #5
Galapapa
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Liebe fee,
ganz herzlichen Dank für Deine Anregung!!
Die gar nicht so radikale Änderung find ich spitze und ist die beste Lösung.
Allerdings fehlen für 6 Hebungen 2 Silben, die hab ich dazu gesetzt.
Und "schweifen" beinhaltet für mein Gefühl eine Bewegung, die hier ja nicht dargestellt werden soll. Daher meine Änderung in "starr", denn hier passt es dann.
Nochmal lieben Dank und ebensolche Grüße an Dich durch die Nacht!
Galapapa
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Alt 24.02.2012, 09:40   #6
Chavali
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Lieber Galapapa,

als ich deinen Text gestern schon las, dachte ich an einen ähnlichen aus deiner Feder.
Dann schaute ich mir die Kommentare an und fand erklärt, was mir daran so bekannt vorkam.
Wahrscheinlich auch durch das Wort Rollator...

Nun habe ich keinen Vergleich auf eine etwaige Erstversion in manchen Teilen.
Das ist aber auch nicht schlimm, denn wie der Text so formuliert ist, gefällt er mir recht gut.
Er bleibt trotz aller Tragik sachlich, aber doch auch so geschrieben,
dass einem so ein Schicksal nahe geht.


Lieben Gruß,
Chavali



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© auf alle meine Texte
Die Zeit heilt keine Wunden, man gewöhnt sich nur an den Schmerz

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Alt 24.02.2012, 10:23   #7
fee
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Zitat:
Zitat von Galapapa Beitrag anzeigen
... denn hier passt es dann.
ja, absolut!

ist super geworden so.
fein, dass meine anregungen dir weiterhelfen konnten! freut mich!


liebe grüße

fee
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Alt 24.02.2012, 16:17   #8
Galapapa
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Liebe Chavali,
wie ich oben in meiner Antwort an fee schon ausgeführt habe, gehört das Gedicht zu einer Reihe von Texten, die einer alten Freundin gewidmet sind.
Was Dir bekannt vorkam, das ist der Rollator, der bisher nur in einem einzigen meiner Gedichte vorkam und zwar in "Frühling am Walnussbaum":


Sie steht am Walnussbaum, wo sie so oft verweilte,
gestützt auf den Rollator und Erinnerung,
still in Gedanken, die kein Mensch mehr mit ihr teilte,
gehüllt in Hoffnung auf Begnadigung.

Sie sinnt auf gute Tage längst vergangner Zeiten,
die Sonne wärmt die Mühsalsfalten im Gesicht.
Ihr leerer Blick entflieht in unbekannte Weiten,
sucht dort im Nirgendwo ein wenig Zuversicht.

In Krokuswiesen wächst das Nichtgebrauchtzuwerden,
in Tulpenbeeten wuchert das Vergessensein,
am müden Körper nagen schmerzend die Beschwerden,
sie ist mit sich und ihrem Walnussbaum allein.


Dort wurde seinerzeit das Wort "Rollator" schon beanstandet. Wer allerdings ältere Menschen näher kennt, der weiß auch, wie wichtig diese Stütze für alte Menschen sein kann und wie sehr sie zum täglichen Leben über Jahre hinweg gehört.
Danke für Deinen Kommentar und ich freue mich, dass mein Text Dir gefallen hat!
Herzliche Grüße an Dich!
Galapapa

Liebe fee,
ja, das Gedicht hat durch Deine Hilfe echt gewonnen!
Danke nochmal!
Liebe Grüße!
Galapapa
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Alt 25.02.2012, 18:54   #9
Dana
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Lieber Galapapa,

wie soll ich dich loben, ohne mich zu wiederholen?

Ein ganz besonderes und sensibles Thema hast du ansprechend und überzeugend in bewegenden Versen umgesetzt. Darin liegen Achtung, Beachtung und Ehrung. Weil es ein persönliches Anliegen ist (wie ich den Kommentaren und Antworten entnehme), betrachte ich es als besonders wertvoll.
Kein Lamentieren, kein Anprangern - sondern genau das, was Dichter in die Welt tragen wollen und sollen.
Das Persönliche so zu übersetzen, dass es eben den Leser persönlich berührt und dem Autor entsprechende Achtung und Beachtung lässt.

Die Besprechung spricht für sich und kann besser nicht sein.

Ich habe länger über den direkten Bezug nachgedacht und über sein Wachsen resümiert.
In relativ "normalen" Lebensabläufen befindet man sich von Kind an in Relationen der Altersunterschiede und kann an sich selbst die eigene Betrachtung, Beobachtung, Wertung, Bewertung und Beachtung feststellen. Sie wächst und verändert sich.

Meine Oma (die beste der Welt), war für mich in der Kinderzeit unsagbar wichtig aber niemals alt. Ich liebte sie und heute noch mehr. Alt wurde sie erst, als sie es wagte, in mein Leben als Jugendliche einzugreifen.
Das legte sich bald, denn Kinderzeit und Jugend sind fließend.
Die beste Zuhörerin hatte ich als junge und ältere Mutter, bis sie:

Zitat:
Zitat von Galapapa
Gekerkert in des müden, alten Körpers Grenzen,
blickt ihre Seele durch das trübe Augenlicht.
Obwohl sie glücklich war in all den vielen Lenzen,
sie spürt in diesem Frühling das Erwachen nicht.
Zuletzt kann ich nur sagen: Wohl dem, der die "entrückenden Alten" mit eben dem Verständnis und der Achtung leben darf und ihnen helfend zur Seite steht, wenn es um den schweren Weg zurück geht.

Wohlwissend, dass es auch andere Erlebnisse geben kann und gibt, vereinnahme ich dein Gedicht als gut, sehr gut verdichtet und wünsche mir, dass es auch die "alten Damen und Herren" erreicht, damit sie die Achtung und Beachtung mitbekommen.

Liebe Grüße
Dana
__________________
Ich kann meine Träume nicht fristlos entlassen,
ich schulde ihnen noch mein Leben.
(Frederike Frei)
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Alt 27.02.2012, 10:59   #10
Galapapa
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Liebe Dana,
danke für Dein berührend formuliertes Lob!
Übrigens: Gegen Wiederholungen des Lobs bin ich völlig immun, also nur zu!
Ich denke, man kann so ein Thema nur befriedigend behandeln, wenn man den eigenen Bezug auch hat. Nur dann kann man deplaziertes Mitleid in Achtung und Beistand umwandeln und damit die Würde der alten Menschen bewahren.
Ich habe inzwischen keine älteren Verwandten mehr, erinnere mich aber sehr lebhaft daran, wie im Lauf der Jahre mein Respekt den Alten gegenüber dadurch stetig gewachsen ist, dass ich immer wieder erkennen musste, dass sie halt doch mehr wussten und konnten.
Ich glaube auch, das ist es, was einem die Großeltern, wie Du beschreibst, nicht alt erscheinen lässt und später den körperlichen Verfall überdeckt.
Selbst wenn ein solch lebenserfahrener Geist in der Demenz anfängt zu erlöschen, müssen der Respekt vor dem Lebenswerk des Betroffenen und seine Menschenwürde erhalten bleiben.
Das wiederum ist eine ungleich schwerere Aufgabe und ein anderes Thema.

Ältere Menschen mit solchen Texten zu erreichen, kann sehr schwierig sein.
Bei meinen Lesungen in Seniorenheimen würde ich mir sehr genau überlegen, ob ich solche Texte vortrage.
Unterschiede in Alter und geistiger Auffassungsfähigkeit machen eine solche Veranstaltung zu einer Gratwanderung. Es ist einfacher, diese Menschen die Achtung durch Taten spüren zu lassen.
Nochmals danke für Deinen Kommentar und liebe Grüße an Dich!
Galapapa
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