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#1 |
Regenkatse
Registriert seit: 31.08.2012
Ort: Wo die Gebirge aus Erz sind.
Beiträge: 20
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![]() So lang schon ist er treu mir, Wegbegleiter,
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. Autoren sollten stehend an einem Pult schreiben. Dann würden ihnen ganz von selbst kurze Sätze einfallen. Ernest Hemingway Geändert von Chatwanda (31.08.2012 um 22:14 Uhr) Grund: Es ist eine ältere Siziliane und ich habe erst heute gesehen, dass ich ändern muss. Nun passt es, denke ich! |
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#2 |
Lyrische Emotion
Registriert seit: 07.02.2009
Ort: Inselstadt Ratzeburg
Beiträge: 9.946
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Hallo Chatwanda,
ja, der Schmerz gehört zum Leben und zählt ganz sicherlich zu den Leiden desselben, mal abgesehen davon, daß er als Sinneswahrnehmung auch eine warnende Funktion inne hat. Bei einem chronisch Schmerz verliert er diese Funktion allerdings und kann zu einem eigenen Krankheitsbild werden oder eben zu einer Begleiterscheinung einer anderen (schweren) Krankheit. Auf der anderen Seite gibt es auch noch den psychischen Schmerz, auf dessen vielfältige Ursachen ich hier nicht näher eingehen möchte, sondern den ich nur zum Verständnis des vorliegenden Gedichtes, neben dem physischen Schmerz, im Sinne einer zweiten Interpretationsebene für erwähnenswert halte. Der Protagonist in diesem Text scheint schon lange einem Dauerschmerz ausgesetzt zu sein, denn er bezeichnet ihn als treuen Wegbegleiter. Er ist ständig zugegen, bei Tag und Nacht, lässt ihn kaum in Ruhe und nagt geduldig an ihm. Selten allerdings lässt er auch schon einmal los und beschert weniger schmerzhafte oder gar schmerzfreie Momente. Sehr gut gefällt mir hier in diesem Zusammenhang die Metapher "Zerteilt er mir das Leben in Pralinen" - ein eindrucksvolles Bild. Dieser Morgen allerdings ist eine solche Praline. Er lässt endlich einmal wieder los, bzw. lockert seinen Griff, denn sein "Brüllen" wird zu einem "Summen", aber wohl nur um sich in der Pause wieder zu erholen, um anschließend wieder in voller Konsequenz auszubrechen. Auch hier gefällt mir die Metapher "Erhebt mein Glas erneut", um zu zeigen, auf wessen Kosten er sich wieder einmal zu profilieren gedenkt. Metrik und Reime sind in Ordnung. Die acht Verse sind im fünfhebigen Jambus mit weiblichen Kadenzen konsequent ausgeführt und die vierfache Reimwiederholung stört bei diesem kurzen Gedicht auch nicht weiter. Wäre es länger würde es dadurch langatmiger, zumindest in der Sprachmelodie. Somit gibt es keine weitere Kritik an den formalen Dingen. Inhaltlich geht der Text auch in Ordnung, denn die Aussagen sind klar strukturiert, stringent und folgen dem roten Faden des Themas und werden dem Titel gerecht. Auch hier wäre weitere Kritik nicht angebracht. Zum Schluss noch etwas zum allgemeinen Verständnis, denn eine konstruktive Kritik sollte auch vermeintliche Schwachstellen aufzeigen. Das Gedicht endet mit den Worten "sich ganz zu schienen." Im ersten Moment dachte ich, es sei eine unglückliche Formulierung, denn etwas zu "schienen" setzt ja voraus, das vorher ein Bruch erfolgt wäre, von dem ja hier überhaupt nicht die Rede war. Doch dann dachte ich an (Eisenbahn)Schienen und übersetzte es mit eine Strecke (be)schienen und damit als eine Art Wegbereiter für den sich stärkenden Schmerz, was mir schon besser gefiel. Als beste Lösung allerdings erscheint mir, wenn wir das Verb "schienen" in der alten Bedeutung übersetzen, nämlich "eine Rüstung anlegen". Der Schmerz rüstet sich also erneut. Und an dieser Stelle erlaube ich mir eine kleine Veränderung vorzuschlagen, weil ich finde, daß sie auch zum besseren Verständnis des Fazits beitragen könnte. Ich würde das unbestimmte Adjektiv "ganz" durch das bestimmte "neu" ersetzen. Dadurch wäre eine zweite kleine Veränderung notwendig, denn wir haben hier ja schon das "neu" in "erneut". Daher: "Erhebt mein Glas zum Gruß, sich neu zu schienen. Natürlich ist die Aussage "zum Gruß" austauschbar, aber ich finde, es hat was, wenn der alte Reiter hier dem Protagonisten mit dem eigenen Glase auch noch zuprostet. Das würde die ganze Aussage m. E. noch verstärken. Soweit meine Gedanken zu einem ordentlichen Einstandsgedicht. ![]() Wann führst du uns auf den Friedhof, um anschließend im Dorfkrug herbe Witze darüber zu reißen? Gerne gelesen und kommentiert... ![]() Liebe Grüße Bis bald Falderwald
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Oh, dass ich große Laster säh', Verbrechen, blutig kolossal, nur diese satte Tugend nicht und zahlungsfähige Moral. (Heinrich Heine) Für alle meine Texte gilt: © Falderwald --> --> --> --> --> Wichtig: Tipps zur Software |
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#3 |
Regenkatse
Registriert seit: 31.08.2012
Ort: Wo die Gebirge aus Erz sind.
Beiträge: 20
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Lieber Falderwald,
ich bin, ehrlich gesagt, richtig erschrocken über deinen Kommentar! So eine Mühe, die du dir gegeben hast- oh Mann, das ist mir jetzt echt peinlich! Andererseits bin ich natürlich sehr sehr erfreut darüber! Vielen Dank!!! Hier handelt es sich um eine Abart der Stanze, eine Siziliane, deren Reimschema wirklich so beschaffen ist: abababab Natürlich hast du den Schwachpunkt des Gedichtes sofort erkannt, da kann ich bügeln wie ich will. Mir ist bis jetzt kein schlüssiges Ende eingefallen, das Deine ist nicht ganz so schlecht; jedenfalls viel besser als meines. Ich möchte dir die Bedeutung des Glases erklären, und zwar erhebt der Schmerz durch den Protagonisten das Glas, also, der Prot. erhebt das Glas - wegen des Schmerzes. Er betäubt mit Trinken den Schmerz; er schient sich dadurch das Herz, das sein wundes Leben versinnbildlichen soll. Mit dem Schienen meinte ich das Anlegen eines Schutzes, eines vorübergehenden. Genauso, wie du es auch verstanden hast. erhebt das Glas, das Herz mir neu zu schienen erhebt das Glas, mein Herz erneut zu schienen Was meinst du? Ich möchte mich noch einmal ganz herzlich für deine Mühe, für die wunderbare Textarbeit bedanken!!! Chat ![]()
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. Autoren sollten stehend an einem Pult schreiben. Dann würden ihnen ganz von selbst kurze Sätze einfallen. Ernest Hemingway |
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#4 | |
Lyrische Emotion
Registriert seit: 07.02.2009
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Beiträge: 9.946
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Moin Chat,
Zitat:
![]() Deine Erklärung zur Bedeutung des Glases ist durchaus nachvollziehbar und im Gesamtzusammenhang verständlich, jedoch hat sie sich mir aus der Formulierung im Text heraus von sich aus so nicht erschließen können. Vielleicht hatte ich aber auch nur "Knöpfe auf den Augen". ![]() Aber ich will kurz erläutern, warum ich dort vielleicht etwas daneben lag: Das ganze Gedicht ist in der Ich-Form geschrieben. Und genau an dieser Stelle erscheint "der alte Reiter", also als dritte Person Singular und erhebt "mein" Glas. Das führt m. E. ein wenig aufs Glatteis, weil dann eben der Eindruck entsteht, daß ein anderer mein Glas erhebt. Und da wir hier eigentlich nur zwei "Objekte", nämlich das "LyrischeIch" und den "Schmerz", also den "Wegbegleiter", vorfinden, deutete ich den "alten Reiter", der sich zum Schluss ja auch noch schient (rüstet, d.i. einen Schutz anlegt) eben in die von mir interpretierte Richtung, um sich zu einem erneuten Angriff zu rüsten. Das ist wirklich ein Knackpunkt in diesem Gedicht, der m. E. leicht falsch interpretiert werden kann. Vielleicht könnte man das Problem in dieser Form angehen: Heut Morgen endlich wirkt er wieder heiter, Sein Brüllen weicht dem Summen junger Bienen. (Hier würde ich einen Punkt setzen.) Doch leichter fällt der Schritt dem alten Reiter, Wenn er sein Glas erhebt, um sich zu schienen. Das soll freilich nur eine Anregung sein, denn ich weiß, daß das auch noch nicht optimal ist. ![]() Liebe Grüße Bis bald Falderwald
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#5 |
Regenkatse
Registriert seit: 31.08.2012
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Huhu Faderwald,
.... und wenn ich in V3 anstatt schneidet einfach reitet nehme? Gewiss meine ich mit dem alten Reiter den Schmerz. Wenn ich durchgängig nur vom LyrI und vom Schmerz spreche, liegt es da nicht auf der Hand, dass ich den Schmerz auch meine? Hmmmm ..., der Schreiber leidet eben viel zu oft an Tunnelblick. ![]() Lieber Faderwald, dieses ist eine sehr strenge Gedichtform, strenger noch als ein Sonett, Formen, an die ich mich am Anfang meiner Dichterzeit oft gehalten habe, um ganz einfach ein Gefühl für Rhythmus zu bekommen und um zu lernen, sauber zu verreimen. Mittlerweile, nach reichlich 2 Jahren, wage ich mich an freiere Formen und vertausche schon mal den Takt zum Ende eines Gedichtes, um die eingelullte Aufmerksamkeit wieder auf Vordermann zu bringen. Dieses eben passiert, wenn man der Siziliane zum Ende keinen Knackpunkt verpasst, da hast du völlig Recht. Diese hier liegt mir sehr am Herzen, obwohl sie schon als wertlos verlacht wurde. Du aber hast meine Freude an ihr wieder geweckt, und dafür danke ich dir! Hab einen maximalen Sonntag! Chat ![]()
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#6 |
Lyrische Emotion
Registriert seit: 07.02.2009
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Hi Chat,
da muss ich mich noch mal melden. Ein Forum ist eine schöne Sache, doch leider fehlt der direkte Austausch, so daß die geschriebenen Dinge manchmal nicht so ankommen, wie sie beabsichtigt sind. Manchmal dauert es ein wenig, aber jetzt habe ich es auch verstanden. ![]() Der alte Reiter (der Schmerz) erhebt mein Glas erneut... D.h. er ist verantwortlich dafür, daß ich mein Glas hebe. Du könntest sicherlich das "schneidet" durch "reitet" ersetzen, das würde den Bezug auf jeden Fall deutlicher machen, du musst es aber nicht unbedingt. Vielleicht war es ja auch nur meine persönliche Lesart, die zu einer anderen Interpretation führte. Nicht nur der Autor hat manchmal einen Tunnelblick. ![]() Trotzdem würde ich die letzte Zeile sinngemäß ändern. "sich ganz zu schienen" ist kein wirklich schöner Abschluss. Darüber sind wir uns wohl einig. Das Herz würde ich hier nicht unbedingt einbringen. Vorschlag: Und leichter wird sein Schritt, der alte Reiter Erhebt mein Glas, um mich erneut zu schienen. Das müsste doch eigentlich klar und deutlich und auch im Sinne der Aussage formuliert sein? Was denskt du? ![]() Liebe Grüße Bis bald Falderwald
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#7 |
Regenkatse
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#8 |
Lyrische Emotion
Registriert seit: 07.02.2009
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Letztendlich scheint sich die ganze Mühe ja gelohnt zu haben.
So etwas nennt man dann wohl konstruktive Textarbeit. ![]() LG Falderwald
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#9 |
Regenkatse
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Ich daaaaanke dir!!! Wie varrückt ....
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#10 |
TENEBRAE
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Hi Chatwanda!
Was mich einzig stört, ist die Unvollständigkeit der Phrase von Z2 (und das fehlende Komma). Mögliche Lösung: "den es danach verlangt, mich zu bedienen." Das "es" ODER das "danach" könnte man in dieser Phrase ja durchaus weglassen, aber nicht beide! Am verständlichsten bleibt die Wendung allerdings immer noch mit beiden zusammen. Gern gelesen! ![]() LG, eKy
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Weis heiter zieht diese Elend Erle Ute - aber Liebe allein lässt sie wachsen. Wer Gebete spricht, glaubt an Götter - wer aber Gedichte schreibt, glaubt an Menschen! Ein HAIKU ist ein Medium für alle, die mit langen Sätzen überfordert sind. Dummheit und Demut befreunden sich selten. Die Verbrennung von Vordenkern findet auf dem Gescheiterhaufen statt. Hybris ist ein Symptom der eigenen Begrenztheit. |
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