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Alt 16.09.2012, 18:41   #1
Antigone
Gesperrt
 
Registriert seit: 15.09.2012
Beiträge: 223
Standard Die wölfische Welt

Immer wieder
dieser Riss zwischen mir und der Welt.
Was sie sagt von sich.

Sie geht auf scharfer Spur, sie wittert
die Beute. Ihre Wörter knarren
im Rostblut der Massaker. Eine Untote,
so geht sie um, die aufgetakelte Greisin.
Im Kleinkarierten wandelt sie,
im Gewand der Gewissheiten.

Die bleiche Zeit. Wenn ich ihrer
gedächte, ich hätt schon
den Mund voll Erde.
Antigone ist offline  
Alt 25.09.2012, 21:35   #2
Falderwald
Lyrische Emotion
 
Benutzerbild von Falderwald
 
Registriert seit: 07.02.2009
Ort: Inselstadt Ratzeburg
Beiträge: 9.912
Standard

Moin Antigone,

ich habe diesen Text schon länger gelesen, doch leider ist es mit meiner Zeit momentan knapp bemessen, so daß ich erst heute zu einem Kommentar komme.

Als erstes ist mir der Titel aufgefallen:
"Die wölfische Welt" - Nun, das klang vielversprechend.

Dann traf ich auf einen freigestalteten lyrischen Text. Hm, mir als Verfechter der gebundenen und gereimten Lyrik muss dann schon etwas anderes geboten werden, als eine bloße Idee in schöne Worte umgesetzt.
Doch je öfter ich diese Zeilen las, desto interessanter wurden sie, und ich fragte mich, warum das nicht in der philosophischen Ecke zu finden ist, denn schließlich geht es hier um Welt und Zeit und wenn das nicht philosophische Themen sind...?

Andererseits trägt diese "Abteilung" ja auch den Untertitel "Alltag" und bei diesem Geschehen handelt es sich auch um ein alltägliches Erlebnis.

Anfänglich schien mir die Handlung sehr abstrakt, aber in Verbindung mit dem Titel erchließt sich das Bild und die Idee, die dahinter steckt.

Das Subjekt (LyrIch) befindet sich in der objektiven Welt.
In seinen Augen hat diese objektive Welt ein wölfisches Wesen, mit der sich das Subjekt nicht immer zu identifizieren vermag.
Diese wölfische Welt ist ein alles verschlingendes Ungeheuer und jedes Ding, was ihm in den zermalmenden Rachen kommt, geht den Weg alles Endlichen.
Es schlägt willkürlich und gnadenlos zu, um seine unendliche Gier nach allem Seienden zu stillen und an den Dingen, denen eine etwas längere Dauer gegeben ist, nagt der scharfe Zahn der Zeit und spielt diesem wölfischen Wesen unbarmherzig in die Hände.

Und genau so ergeht es dem Subjekt, dem existierenden und sich dessen bewussten Individuum.

Die Zeit ist relativ und nur wem sie bewusst ist, der kann sie auch empfinden.
Doch wenn das Leben schon so kurz und unbedeutend daher kommt, dann sollte man nicht so weit in die Zukunft schauen, denn der Zeitpunkt, wo die eigene Existenz endet, ist eigentlich schon da, weil ein Zeitraum (der Existenz) innerhalb einer unendlichen Zeit eigentlich gar nicht existiert.

Also muss jeder aus seinem Leben mit allen Entbehrungen und Leiden, die es zwangsläufig mit sich bringt, das Beste machen.

Die Gegenwart gehört dem Menschen ganz allein...

Der lyrische Text hat mir gut gefallen, denn die verwendeten Bilder und Metaphern haben ja immerhin die o.a. Gedanken bei mir erzeugt.
In diesem Sinne: Einen alten Reim- und Metrikfetischisten mit einem ansprechenden und nachdenklich interessanten lyrischen Text von dessen Qualität überzeugt.


Gerne gelesen und kommentiert...


Liebe Grüße

Bis bald

Falderwald
__________________


Oh, dass ich große Laster säh', Verbrechen, blutig kolossal, nur diese satte Tugend nicht und zahlungsfähige Moral. (Heinrich Heine)



Falderwald ist offline  
Alt 26.09.2012, 19:13   #3
Antigone
Gesperrt
 
Registriert seit: 15.09.2012
Beiträge: 223
Standard Die wölfische Welt

Lieber Falderwald,

das ist ein schon etwas älteres Gedicht, aus der Zeit, als ich noch nicht gereimt hatte. Du triffst mit deinem Kommentar ungefähr meine Intention.
Ehrlich, ich weiß gar nicht, warum ich es hier gepostet hatte. Aber irgendeinen Grund gab es, wenn er mir auch entfallen ist. Meinen herzlichen Dank fürs Feedback, hab mich gefreut.

Lieben Gruß
Antigone
Antigone ist offline  
Alt 28.09.2012, 16:41   #4
Erich Kykal
TENEBRAE
 
Benutzerbild von Erich Kykal
 
Registriert seit: 18.02.2009
Ort: Österreich
Beiträge: 8.570
Standard

Hi, Antigone!

Auch ich bin meistenteils kein Freund der freien Lyrik, aber in diesem seltenen Falle muss ich mich Faldi's Zeilen rückhaltlos anschließen!

Der Text besticht durch Dichte und Lebendigkeit der Bilder (Rostblut der Massaker und folgende...) sowie durch eine sehr eingängige (bewusst gesetzte?) Sprachmelodie, die fast hypnotische Wirkung erzielt.

Inhaltlich besticht das Werk durch eine der besten Beschreibungen der "alten Hure Zeit", die ich je lesen durfte! Das ist großes Tennis nach meiner bescheidenen Meinung, bis hin zur lyrisch perfekt inszenierten Conclusio!

Sehr gern gelesen! (Wenn's jetzt noch Reime hätte... - nöh, Scherz! Der Text ist genau richtig so - und das sage ausgerechnet ich!)

LG, eKy
__________________
Weis heiter zieht diese Elend Erle Ute - aber Liebe allein lässt sie wachsen.
Wer Gebete spricht, glaubt an Götter - wer aber Gedichte schreibt, glaubt an Menschen!
Ein HAIKU ist ein Medium für alle, die mit langen Sätzen überfordert sind.
Dummheit und Demut befreunden sich selten.

Die Verbrennung von Vordenkern findet auf dem Gescheiterhaufen statt.
Hybris ist ein Symptom der eigenen Begrenztheit.
Erich Kykal ist offline  
Alt 28.09.2012, 20:44   #5
Antigone
Gesperrt
 
Registriert seit: 15.09.2012
Beiträge: 223
Standard Die wölfische Welt

Lieber Erich,

danke für deine lobenden Worte. Wie gesagt, schon ein älteres Gedicht, vielleicht zwei Jahre alt. Ich habe mich eigentlich ganz wohl gefühlt im modernen freien Vers, weil ich da die Bilder setzen konnte, die ich "wollte". Das Reimgedicht hat ganz schön Umstellung gekostet, und ich knabbere ja noch immer daran.

Lieben Gruß
Antigone
Antigone ist offline  
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