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Denkerklause Philosophisches und Nachdenkliches

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Alt 05.01.2014, 19:14   #1
Falderwald
Lyrische Emotion
 
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Hallo zusammen,

ich danke für diese Ausführungen, sie sind wissenswert und hochinteressant.

@Erich

Das Sonett wird ihm gerecht und hätte ihm sicherlich gut gefallen.

@Schamanski

Es würde mich interessieren, warum du indirekt Kant dafür mitverantwortlich machst.
Gründet die Kantsche Pflichtethik nicht auf dem kategorischen Imperativ?
Und ist dieser nicht nach Kant das allgemeine Gebot der Vernunft, welcher als Maßstab allgemein zu gelten hat, wenn ethisch geurteilt oder gehandelt werden soll?
Da ein "nach der Vernunft" handelnder Mensch aber in Wahrheit ein freier Mensch (frei von emotionalen und begehrlichen Motiven) ist, fallen in diesem Fall die Notwendigkeit und die Freiheit zusammen.
So ist für Kant die Pflicht, nach dem kategorischen Imperativ zu handeln, nicht ein von außen angetragener Zwang (wie der Begriff heute landläufig verstanden wird), sondern eine die persönliche Freiheit wahrende Selbstverpflichtung.

Was die preußische Ideologie oder andere damit nun gemacht haben, kann man schwerlich Kant persönlich ankreiden, auch wenn er es war, der den Begriff der Kultur als einer moralischen Lebenshaltung gegen den der an materiellem Wohlbefinden orientierten Zivilisation abgrenzte.

Ich denke, dass Kant oft missbraucht worden ist, bis hinein in die Ideologie des Nationalsozialismus.

Das kann er aber ganz bestimmt nicht gemeint oder gewollt haben.


Alles gerne gelesen und mitbesenft...


Liebe Grüße

Bis bald

Falderwald
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Oh, dass ich große Laster säh', Verbrechen, blutig kolossal, nur diese satte Tugend nicht und zahlungsfähige Moral. (Heinrich Heine)



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Alt 05.01.2014, 20:41   #2
Erich Kykal
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Hi, ihr beiden!

Nicht Kant wird und wurde missbraucht, sondern die Definition von Vernunft, denn jede Kultur - oder Unkultur - definiert die Parameter dieses Begriffes nach eigenen moralischen Maßgaben.

Die Nazis dachten durchaus, vernünftig zu handeln - eben aus ihrer verqueren Weltsicht des eiskalten Sozialdarwinismus. Mittelalterliche Inquisitoren wie auch weltliche Richter hielten es für grundvernünftig, Hexen zu verbrennen. Vernunft ist also ein beliebig befrachtbarer Terminus.

Auch bezüglich der Kaiserzeit: In einem durchmilitarisierten Apparat, der seine Bürger ohnehin nur als minderes "Menschenmaterial" betrachtet, erscheint es durchaus vernünftig, die körperlich Unvollkommenen auszusieben. Die Nazis hätten den armen Wolf gleich ganz euthanasiert oder zumindest kastriert...was aus deren Sicht eben das sog. Vernünftigste war. Und für einen Inquisitor oder abergläubischen Ungebildeten wäre er wohl sowieso ein Kind des Teufels gewesen. Dummheit stirbt nie....

LG, eKy
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Weis heiter zieht diese Elend Erle Ute - aber Liebe allein lässt sie wachsen.
Wer Gebete spricht, glaubt an Götter - wer aber Gedichte schreibt, glaubt an Menschen!
Ein HAIKU ist ein Medium für alle, die mit langen Sätzen überfordert sind.
Dummheit und Demut befreunden sich selten.

Die Verbrennung von Vordenkern findet auf dem Gescheiterhaufen statt.
Hybris ist ein Symptom der eigenen Begrenztheit.

Geändert von Erich Kykal (06.01.2014 um 21:22 Uhr)
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Alt 06.01.2014, 19:49   #3
Schamansky
Nur der Uhu darf turzen.
 
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Kant persönlich ist für die kalckreuthsche Tragödie sicherlich kein Vorwurf zu machen, da mag ich mich durchaus etwas vergaloppiert haben. Mir persönlich sagt seine Pflichtethik nicht zu, ich tendiere zum Utilitarismus. Wichtig ist nicht so sehr, was einer dabei denkt, sondern was am Ende dabei herauskommt. Womit ich nicht abstreiten will, daß ersteres das letztere sehr beeinflussen kann.

Zudem bin ich zu liberal (im ursprünglichen Sinne, den Neoliberalismus lehne ich als komplett verfehlt ab!), um irgendeine Form staatsbürgerlicher Pflichten über Rechte und Freiheit des Individuums zu stellen. Der Staat ist für die Menschen da, nicht umgekehrt. Erst der Mensch, dann der Staat. Im preußischblauen Ameisenhaufen sah man es anders. Pflichterfüllung bis in den Tod. Dulce et decorum est und der ganze Senf.

Ich spekuliere einmal, daß dieses falsche preußische Pflichtbewußtsein einer der Faktoren war, die den jungen Kalckreuth in den Suizid trieben. Und wie ihm beim Kommiß seitens seiner körperlich tüchtigeren Kameraden mitgespielt wurde, darüber kann man auch nur spekulieren. Das Militär war noch nie der richtige Ort für sensible Charaktere, und das hat sich, wie ich meine, bis heute nicht geändert, soweit ich das als Kriegsdienstverweigerer von außen beurteilen kann.
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Alt 06.01.2014, 21:54   #4
Erich Kykal
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Ein weiterer Kriegsdienstverweigerer - sprich Exzivildiener - pflichtet deinem letzten Absatz in jeglicher Hinsicht bei!
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Alt 17.01.2014, 18:50   #5
Dana
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Lieber eKy,
eine berührende Homage und ein Zeichen, dass wirklich Gutes nicht klanglos vergeht.
Wunderschöne Dichtung, tiefe Nachdenklichkeit und selbstredend gekonnt umgesetzt und den Leser bewegt.
Nicht minder die Diskussion darauf.
Wolf von Kalckreuth liest es nicht mehr und ganz sicher würde er so manches Hinterfragen ganz anders beantworten. Er war ein Kind seiner Zeit und wir sind Kinder unserer Zeit.
Das preußische (falsche) Selbsbewusstsein ist beinahe ausschließlich erst danach erkannt worden und längst nicht von allen.
Mir dreht sich der Magen um, wenn ich das "Selbstbewusstsein von heute" betrachte. In "satten Ländern" rudert die Masse und der klägliche Rest bleibt ungehört. In "hungernden Ländern" kommen solche Fragen gar nicht erst auf.
In totalitären Ländern regiert die Angst.
Im Vergleich glauben wir Unterschiede zu erkennen und meinen zu leichtfüßig, dass es nur anderswo schlimmer ist. Wir werden gesteuert, dies zu glauben, weil es zum Übergang notwendig ist.
Das GANZE hat mit Mathematik zu tun, die nicht aufgeht, bis wir plappern, dass 2 x 2 = 5 sind. Dann stimmt es wieder.

Es gab und gibt doch Denker und Ideen, seit Jahrhunderten und Jahrtausenden. Es gab und gibt immer wieder Versuche der Umsetzung.
Doch jede Geschichte erzählt uns vom Scheitern. Man erklärt uns das Warum und macht es noch "besser".
Ein Dilemma, das viele trifft und nur wenige schreiben darüber.

Liebe Grüße
Dana
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Ich kann meine Träume nicht fristlos entlassen,
ich schulde ihnen noch mein Leben.
(Frederike Frei)
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Alt 17.01.2014, 21:17   #6
Erich Kykal
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Hi, Dana!

Tja, auf dem kleinsten gemeinsamen Nenner, der sich für eine einigermaßen funktionierende Gesellschaft finden lässt, ist eben seit jeher zu wenig Platz für einen anderen Tanz!

Den Spruch darfst du gerne zitieren!

LG, eKy
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Alt 13.01.2015, 16:55   #7
Terrapin
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Nie lese ich mich an dir, Sonnensohn, mehr satt.
Was einst als Spielerei begann, wird schon ein Leiden.
Es fällt von Baum und Strauch der Blüte letztes Blatt.
Wie lange soll den Tod ich Scheiternder noch meiden?
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Das Leben ist eines der schwierigsten.

Geändert von Terrapin (13.01.2015 um 20:28 Uhr)
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Alt 13.01.2015, 19:10   #8
Erich Kykal
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Hi, Terry!

Nie les ich mich an dir, o Sonnensohn, mehr satt.
Was einst als Spielerei begann, wird schon ein Leiden.
Es fällt von Baum und Strauch der Blüte letztes Blatt.
Wie lange soll den Tod ich Scheiternder noch meiden?


Wunderschöne Zeilen! (Von Wolf oder von dir???) Drei Kleinigkeiten habe ich bereinigt (so schöne Sprache ist es wert!)

Sollte sich das Kompliment auf meinen Text beziehen und nicht an den inhaltlich Besungenen gerichtet sein, danke ich herzlich für die Honneurs!
Solltest du den guten Wolf meinen, darf ich vollinhaltlich beipflichten - bis auf die letzte Zeile. Die beziehst du hoffentlich nicht auf dich!

Deine Signatur hier gefällt mir ebenfalls sehr! Gut gewählt!

LG, eKy
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Alt 13.01.2015, 21:35   #9
Terrapin
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Grüß dich Erich!

Meine ärmlichen Verse. Ist irgendwann im November letzten Jahres entstanden.
Dem 17. um penibel zu bleiben. Ist dementsprechend Wolf betreffend.
Mein Glühen um der von dir geschriebenen Verse habe ich dir schon anderen Ortes bekundigt. Habe mich vor etlichen Monaten auch mal dran gesetzt deine zweite Strophe den beiden Reimen der ersten anzugleichen. Doch ging mir nach dem dritten Vers die Lust abhanden und ich habe es den Flammen übergeben.
Dennoch ein mächtiges Werk eines starken* Poeten.

Zu deinen Vorschlägen:

Da bin ich gespalten. Denn zerstören wir damit einen schönen und schwach melodiösen Gleichklang (eigentlich Reim).

Nie lese ich mich an dir, Sonnensohn, mehr satt.
Was einst als Spielerei begann, wird schon ein Leiden.

Nummer 3 habe ich umgehend bereinigt.

Er war, ist und bleibt ein Leuchtfeuer, ein Komet der Dichtkunst und ich kann jedem, der im Begriff ist anzufangen Gedichte zu schreiben und das ganze ernst nimmt und dem entsprechend länger vor hat, nur ein intensives Studium bezüglich des Handwerks seiner Gedichte nahe legen.
Nahezu jedes Gedicht lässt einen aufhorchen und staunen wie gelenk er doch mit Wort und Klang umzugehen wusste.
Aber gleichermaßen können auch fortgeschrittene und angehende Wortmeister noch manches aus seinen Silben ableiten und lernen.

Ja die abschließende Zeile war auf mich gemünzt.
Die Signatur besteht aus den Terzetten eines seiner Sonette.


* mehr gibts heut nicht, will dich ja nicht verwöhnen.

Pinni
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Alt 14.01.2015, 15:08   #10
Erich Kykal
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Hi, Terry!

Deine Zeile:

"Nie lese ich mich an dir, Sonnensohn, mehr satt."

Den Vorschlag für S1Z1 habe ich nicht aus kosmetischen Gründen gemacht. So wie du es schreibst, stocken mir Rhythmus und Melodie. Zwischen "dir" und "Sonnensohn" fehlt mir eine unbetonte Silbe!

Mein Vorschlag war:

"Nie les ich mich an dir, o Sonnensohn, mehr satt."

Es ginge auch so:

"Nie lese ich an dir, o Sonnensohn, mich satt."

Diese Versionen haben keinen Hebungsprall an besagter Stelle.

LG, eKy
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