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Denkerklause Philosophisches und Nachdenkliches

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Alt 09.08.2014, 18:56   #1
Falderwald
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Fort-schritt


Da lag ein rohes Herz, herausgerissen,
auf einem Grillrost, ohne Marinade,
denn nun war auch die letzte Maskerade
im Angesicht der Wirklichkeit verschlissen.

Und so servierte Bissen er um Bissen
sein Leibgericht mit Bombeermarmelade,
dazu gab es Patronenlimonade,
denn auch des Krieges Schweine müssen pissen.

Die Panzerschokolade matschte weiter
im Blutorangensaft der Abgemähten,
verbohrter Hass fand seinen Blitzableiter.

Zum Höhenfeuerwerk der Leuchtraketen
zeigt sich der Stand auf der Entwicklungsleiter
beim Trauerspiel von Jerichos Trompeten.


Falderwald
. .. .


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Oh, dass ich große Laster säh', Verbrechen, blutig kolossal, nur diese satte Tugend nicht und zahlungsfähige Moral. (Heinrich Heine)



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Alt 09.08.2014, 20:24   #2
ginTon
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Hallo Faldi,,

ich finde den Text sehr interessant. Der Text steht in Nachdenkliches und ist denke ich ein Antikriegsgedicht. Zwar verstehe ich nur die Hälfte des Werkes, aber es wirkt sehr überspitzt auf mich.

Dies mag einerseits an den Metaphern liegen, die meiner Meinung nach etwas ins Lächerliche gehen, andererseits den
Vergleich mit Getränken und Nahrung, wie, was man ist das isst man.

Zitat:
Da lag ein rohes Herz, herausgerissen,
auf einem Grillrost, ohne Marinade,
denn nun war auch die letzte Maskerade
im Angesicht der Wirklichkeit verschlissen.
In der ersten Strophe hätte ich persönlich die Gegenwartsform gewählt. Zwar scheint es ja um eine Rückblende zu gehen, aufgrund der Überschrift, aber ich weiß nicht, wie man die Überschrift verstehen soll. Warum der Bindestrich? Ich denke, damit soll ausgedrückt werden, dass ein Fortschritt auf brüchigem Boden steht oder wenn, dann überhaupt nur eine Illusion ist. Bin mir nicht sicher, ob ich das so richtig verstehe.

Zitat:
Und so servierte Bissen er um Bissen
sein Leibgericht mit Bombeermarmelade,
dazu gab es Patronenlimonade,
denn auch des Krieges Schweine müssen pissen.
Gute Strophe. Warum nicht:
Und so servierte er den letzten Bissen
vom Leibgericht mit Bombeermarmelade,


Würde auch gehen, fiel mir gerade so auf..

Zitat:
Die Panzerschokolade matschte weiter
im Blutorangensaft der Abgemähten,
verbohrter Hass fand seinen Blitzableiter.

Zum Höhenfeuerwerk der Leuchtraketen
zeigt sich der Stand auf der Entwicklungsleiter
beim Trauerspiel von Jerichos Trompeten.
Finde ich gut die Strophen, wobei die Metaphern schon sehr abstrakt auf mich wirken, zwecks Kontrast. Schokolade und Panzer wirft schon sehr
viele Fragen auf und ich bin mir nicht sicher, ob ich, da der Text ja nachdenklich stimmen soll, eher einen gegenteiligen Effekt vermittelt bekomme. Dies ist aber nur, wie es auf mich wirkt, manch anderer sieht es vllt. anders. Eine Frage noch, ist mit Jerichow, das in Sachsen Anhalt gemeint?

gerne mit beschäftigt liebe Grüße gin
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Geändert von ginTon (09.08.2014 um 20:27 Uhr)
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Alt 10.08.2014, 18:21   #3
Falderwald
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Moin gin,

ja, das ist ein Antikriegsgedicht und die Überspitzung ist ganz bewusst und gewollt so geschehen.

Ob die Metaphern lächerlich auf den Leser wirken, kann ich natürlich nicht beurteilen, aber es ist ja so, dass diesem hier jeder sogenannte Bissen im Halse stecken bleiben sollte.

Der Bindestrich im Titel soll die Mehrfachdeutigkeit des Begriffs "Fortschritt" in diesem Fall aufzeigen.
Fortschritt bedeutet ja im eigentlichen Sinne eine positiv bewertete Weiterentwicklung, also die Erreichung einer höheren Stufe der Entwicklung.
Man kann aber auch von etwas fort-, also wegschreiten, ich gehe weg, also ich gehe fort.
Zudem wäre in diesem Zusammenhang der Fortschritt auch als Progression zu sehen, denn die Kriege gehen weiter, sie werden gar gesteigert und ausgeweitet.

In der zweiten Strophe habe ich "Bissen um Bissen" gewählt, weil ein Krieg ja selten einfach nur ein einzelner Schlag ist, sondern sich Stück für Stück in eine bestimmte Richtung entwickelt.
Daher auch nicht der "letzte Bissen", denn unsere gegenwärtigen Kriegssituationen sind ja noch längst nicht am Ende, im Gegenteil, sie schreiten fort (s.o.).

Kennst du den Begriff der "Panzerschokolade"?
Panzerschokolade war eine Schokolade, die mit Methamphetamin, genauer Pervitin versetzt war, um die Konzentrations- und Leistungsfähigkeit heraufzusetzen, das Schmerzempfinden zu unterdrücken, Zustände der Müdigkeit zu überbrücken und das Angstgefühl zu dämpfen.
Ich hatte nach einem Begriff gesucht, in dem das Wort "Panzer" vorkommt und gleichzeitig mit einem Lebens- bzw. Genussmittel kombiniert wird.
Ich finde das in diesem Zusammenhang schon ziemlich ernst, denn ich möchte nicht wissen, wieviele Soldaten und Söldner heutzutage wissend oder unwissend noch mit Amphetaminen versorgt werden. Bestimmt eine ganze Menge.

Die Trompeten von Jericho beziehen sich weder auf die Stadt Jerichow in Sachsen-Anhalt, noch auf den gleichnamigen Film aus dem Jahre 2008.

Aber dazu will ich jetzt noch nicht mehr verraten, vielleicht möchte ja noch jemand anderes diese Metapher "knacken".


Vielen Dank für deine Beschäftigung mit dem Text und deinen Kommi...


Liebe Grüße

Bis bald

Falderwald
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Alt 10.08.2014, 19:55   #4
ginTon
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Hallo Faldi,,

Zitat:
ja, das ist ein Antikriegsgedicht und die Überspitzung ist ganz bewusst und gewollt so geschehen.

Ob die Metaphern lächerlich auf den Leser wirken, kann ich natürlich nicht beurteilen, aber es ist ja so, dass diesem hier jeder sogenannte Bissen im Halse stecken bleiben sollte.
Ja, das würde ich auch nicht überbewerten. Wie gesagt, jeder liest ein Gedicht ja anders und hat andere Geschmäcker..

Zitat:
Der Bindestrich im Titel soll die Mehrfachdeutigkeit des Begriffs "Fortschritt" in diesem Fall aufzeigen.
Fortschritt bedeutet ja im eigentlichen Sinne eine positiv bewertete Weiterentwicklung, also die Erreichung einer höheren Stufe der Entwicklung.
Man kann aber auch von etwas fort-, also wegschreiten, ich gehe weg, also ich gehe fort.
Zudem wäre in diesem Zusammenhang der Fortschritt auch als Progression zu sehen, denn die Kriege gehen weiter, sie werden gar gesteigert und ausgeweitet.
Ah ok, so habe ich das gar nicht gelesen oder wahrgenommen. Nun gut der bruchstückhafte Fortschritt war meine Intention, was vllt. auch in die Richtung geht. Nun gut, ich denke, dass Krieg für bestimmte Leute sicherlich Fortschritt bedeutet und für andere Rückschritt. Meistens sind es die, die schon sehr wenig haben, die am meisten bezahlen. Manch andere profitieren von Kriegen und fraglich ist, ob dies nicht auch die wahren Kriegstreiber sind. Bedeutet Fortschritt somit wirklich eine positiv bewertete Weiterentwicklung?

Zitat:
Kennst du den Begriff der "Panzerschokolade"?
Panzerschokolade war eine Schokolade, die mit Methamphetamin, genauer Pervitin versetzt war, um die Konzentrations- und Leistungsfähigkeit heraufzusetzen, das Schmerzempfinden zu unterdrücken, Zustände der Müdigkeit zu überbrücken und das Angstgefühl zu dämpfen.
Ich hatte nach einem Begriff gesucht, in dem das Wort "Panzer" vorkommt und gleichzeitig mit einem Lebens- bzw. Genussmittel kombiniert wird.
Ich finde das in diesem Zusammenhang schon ziemlich ernst, denn ich möchte nicht wissen, wieviele Soldaten und Söldner heutzutage wissend oder unwissend noch mit Amphetaminen versorgt werden. Bestimmt eine ganze Menge.
Panzerschokolade habe ich noch nie gehört. Jedoch weiß ich, dass Soldaten schon immer Medikationen bestimmter Stoffe verabreicht wurde. Ich glaube zu Wissen, dass Ritalin, auch ein Amphetamin heutzutage ADHS Kindern verabreicht wird und sie ruhiger stellt. Ursprünglich wurde es jedoch Soldaten verabreicht, um diese konzentrationsfähiger zu machen. Ich weiß aber nicht 100%, ob es gezielt für Armee etc.pp hergestellt wurde, oder ob es schon als Medikament auf dem Markt war und es dann bei den Soldaten angewendet wurde. Ritalin war ja lange eine Modeerscheinung auch beim Studieren und in der Wirtschaft bei Managern etc.pp

Jetzt haben wir nunmehr also schon mehrere große Lobbygruppen, die von einem Krieg eher profitieren würden: die Pharmazie und noch viele andere.

So ist es leider...gerne mit beschäftigt...LG gin
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Geändert von ginTon (10.08.2014 um 19:59 Uhr)
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Alt 11.08.2014, 20:32   #5
Dana
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Lieber Faldi,

schon beim Lesen bleibt einem etwas im Halse stecken - zumal die Nachrichtenflut (verdreht, verlogen, bitter, böse) selbst aufzeigt, wie weit fort sich die Länder vom Fortschritt entfernen. Darum finde ich den gewählten Titel mit Bindestrich sehr passend.

Ein kluges und ausgereiftes Sonett, das durch Wortzusammensetzungen den ganzen Wahnsinn treffsicher unterstreicht.

Unsere Kinder lernen im Geschichtsunterricht, dass Kriege ganz übel sind, dass sie den Menschen nur Leid und Unrecht bringen und dass man daraus für die Zukunft lernen sollte.
Eine kurze Weile funktionierte es und überzeugte: "Nie wieder!"

Und jetzt? Immer wieder - mit Aufrufen, Parolen und Begründungen, die niemand mehr versteht. Wieder regiert ein "Wahnsinn", der darauf zielt, nicht verstanden zu werden. Alle "Krieger" töten für das Gute, für den Frieden.

Allein das: Eine kurze Feuerpause, damit man die Toten einsammeln kann, die Verletzten halbwegs versorgen kann und Nahrung und Wasser in die Gebiete transportieren kann.
Das alles, um danach wieder für den Frieden zu töten.

Ein sehr aufwühlendes Gedicht.

(Zu Jerichos Trompeten äußere ich mich absichtlich nicht, weil wir darüber bereits gesprochen haben, ok?)

Liebe Grüße
Dana
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ich schulde ihnen noch mein Leben.
(Frederike Frei)
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Alt 11.08.2014, 21:07   #6
Chavali
ADäquat
 
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Hi Faldi,

nun habe ich mich bei wiki schlau gemacht, was genau die Jericho-Trompeten sind,
obwohl ich es schon vage wusste.
Vielleicht sollte es jeder ergoogeln, der hier liest und es nicht weiß?

Den Titel Fort-schritt sehe ich hier in diesem Zusammenhang tatsächlich negativ.
Man geht fort, man schreitet weg, irgendwohin, wo man dieses Elend nicht sieht.
Und doch hilft nur ein Hinschauen, um zu begreifen, was dort geschieht und wie es geschieht.

Deine gewählten Worte und ihre Bedeutung sind gewollt krass.
Hier wird mit den Kriegführenden als auch den Kriegs-Zulassenden hart ins Gericht gegangen.
Im Tun bzw. Nichtstun liegt das wahre Verbrechen und man hat sie erkannt. Beide Seiten.
Da hilft auch keine Tarnung und keine Maskerade.

Das waren meine Gedanken zu deinem Anti-Kriegs-Sonett.


Liebe Grüße,
Chavi


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Alt 14.08.2014, 21:16   #7
Falderwald
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Hi gin,

genau, und über Geschmack lässt sich schwerlich streiten.

Wer sind die wahren Kriegstreiber?
Es lässt sich manchmal schwer bestimmen, wie die Interessenlagen und Motivationen beschaffen sind und welche vermeintlichen Tatsachen der Öffentlichkeit und den Geschichtsbüchern präsentiert werden.
Die Menschheit will eine fortschrittliche Spezies sein, und doch wird sie von Macht, Ruhmsucht, Gier, Rache, Ideologie und Weltanschauung getrieben.
Wenn sich das aber in immer mehr gewaltsamen Konflikten äußert, die mit äußerster technischer Raffinesse geführt werden, dann ist das ein Fort-schritt vom Fortschritt hin zu einer zivilisierten und friedlichen Rasse.

Die Panzerschokolade gab es aber wirklich:



Du liegst richtig mit der Verwendung von Ritalin.
Erstaunlicherweise hilft es sowohl den ADHS- als auch den ADS-Betroffenen.
Die "Hyperaktiven" stellt es ruhig und den "Müden" hilft es auf die Beine.
Kritik: Es gibt noch keine Langzeitstudie über Neben- und Nachwirkungen.

Was die heutigen Soldaten und Söldner bekommen, weiß ich nicht.
Aber die Pharmaindustrie wird sicherlich gut an bewaffneten Konflikten verdienen.
Stahl- und Rüstungsindustrie, Chemie, Textil, Landwirtschaft, Presse und Medien usw...
...zumindest da, wo es nicht kracht.

Danke für deine erneute Rückmeldung...


Liebe Dana,

welcher normale Mensch kann sich noch in seiner Haut wohlfühlen, wenn er sich den Irrsinn auf diesem Planeten mit Verstand und Vernunft anschaut?

Es wird um Rohstoffe, Land, Macht und wegen des Glaubens gekämpft und jeder glaubt sich auf der Seite des Rechts.
Es werden Intrigen gesponnen, Ereignisse geschaffen, Händel ausgeklügelt, Opfer in Kauf genommen und die eigene Moral an die Situation angepasst oder gar ausgesetzt, denn der Zweck heiligt bekanntlich die Mittel.

Es ist ein schmutziges Spielchen mit Kapital und Menschen und manchmal fragt man sich, warum die Regisseure das Theaterstück so gestalten.
Aber eigentlich ist die Antwort darauf ganz einfach: Weil sie es können.

Sie legen nicht nur Feuerpausen ein, es werden auch Passagierflugzeuge abgeschossen, ob nun aus Versehen oder aus Kalkül, es wird in Kauf genommen. Und dann will es keiner gewesen sein.

Vielen Dank für deinen zustimmenden Kommi. .. .


Hi Chavi,

deine Intertpretaion des Titels beleuchtet den nächsten Aspekt.

Die Welt, die wir uns schaffen, wird an anderen Stellen hart umkämpft.
Was wissen wir schon vom Krieg außer den täglichen Bildern in den Medien und aus den Geschichtsbüchern?
Wir leben hier (noch) einigermaßen in Frieden und verschanzen uns hinter der braven Bürgermentalität. Wir sind alle empört und fassungslos, haben Mitleid mit den Opfern und wissen doch nicht, was wir tun können oder sollen.

Ich weiß, dass auch meine krassen Worte da keine Abhilfe schaffen können, aber ich musste sie einfach mal aussprechen.

Und auch ich schreite fort, um dieses Elend nicht immer zu sehen, aber loslassen tut es mich auch nicht

Man ist so verdammt machtlos diesen Dingen ausgeliefert und das eigene Leben hat einen so sehr im Griff, dass letztendlich auch nicht mehr dabei herumkommt...

Vielen Dank für deine Gedanken zum Thema...


Ich bedanke mich für eure Rückmeldungen...


Liebe Grüße

Bis bald

Falderwald
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